vonAchmed Khammas 18.12.2014

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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Lest es wieder. Unbedingt! Das ist wohl auch die Meinung des Heyne Verlags, der vor drei Wochen eine Neuauflage von Der Schockwellenreiter von John Brunner auf den Markt gebracht hat. Das 1975 erschienene Buch, das ich selbst gerade heute morgen wieder aus meiner Bibliothek gezogen, und in einem Ruck an einem halben Tag durchgelesen habe – ohne etwas von der o.g. Neuauflage zu wissen (!) – ist so etwas von aktuell, daß für dieses Werk wahrlich das Kriterium eines vorzüglichen Weines gilt, der nach fast 40 Jahren eine ganz besondere Reife erlangt hat.

Schockwellenreiter

Um was es geht, kann man überall finden – bei den Buchangeboten, auf diversen Wikis usw. Doch viel wichtiger ist: LEST ES, wenn ihr es nicht kennt, und LEST ES wieder, um Euch zu erinnern, um was es wirklich geht.

Ansonsten möchte ich mich dafür entschuldigen, daß ich in den vergangenen Monaten zu faul war, um meine Lektüre kurz zu rezensieren. Worauf sich natürlich ein gewaltiger Berg angesammelt hat, denn zu faul zum lesen war ich keineswegs. Ganz im Gegenteil, wie man im folgenden sehen kann.

Beginnen wir mit den Neuerscheinungen.

Nexus von Ramez Naam (2013/2014) beschreibt eine Droge, durch deren Einnahme man sich mental mit dem Internet zu verbinden kann, was die üblichen Begehrlichkeiten weckt – und die damit einhergehenden Konflikte. Ich habe mich über dieses Buch sehr gefreut, stammt Ramez doch aus Ägypten, auch wenn er in den USA aufgewachsen ist, und ist damit einer der sehr weniger arabischen oder arabischstämmigen SF-Autoren, die es überhaupt gibt. Ganz abgesehen davon, daß er auch noch spannend und sachlich hochqualifiziert schreibt, den Computerspezialist ist er auch noch.

Proxima von Stephen Baxter (2013/2014) ist eine tolle Space Opera über den ersten Flug zu einem Planeten außerhalb unseres Solarsystems, wo man über eine Art Transmitter-Verbindung stolpert … die sogar eine Streckenführung zur Erde aufweist. Wie überaus praktisch. Und völlig klar, auch weiter ausbaubar….

Unter der Sonne von Evan Currie (2013/2014) ist der 3. Band der Geschichte des Raumschiffes Odyssey One, der genauso mitreißend ist, wie seine Vorgänger. Wobei die Konfrontation mit den bösen Aliens am Ende gar nicht gut ausgeht für die Erde, die sogar evakuiert werden muß. Was sich sonst kaum ein SF-Autor vorzustellen wagt. Respekt!

Das Kosmotop von Andreas Brandhorst (2014) ist zwar wieder ein Buch in Überformat (etwas, wofür ich als Regalbesitzer absolut keine Verständnis aufbringen kann), aber das ist auch das einzig Negative, was man darüber sagen kann. Aus der Hand legen konnte ich die 560 Seiten nämlich nicht, so sehr erlag ich dem Sog des Geschehens. Ansonsten beweist Andreas wieder einmal, daß auch deutsche Autoren die Fähigkeit besitzen, über die Grenzen unserer mickrigen Galaxis hinaus zu denken (ich denke, in Zukunft sollte dies als Selbstverständlichkeit gelten, ich verspreche also, solche Sprüche weiterhin zu unterlassen).

Die Wasserstoff-Sonate von Ian Banks (2012/2014) ist ein genauso schönes Buch, wie sein Titel. Denn endlich dürfen wir wieder die ‘Kultur’ besuchen, in der einige der phantastischsten Romane Banks spielen. Und das üppige 700 Seiten lang, was ich mit großer Freude und Dankbarkeit goutiert habe. Ebenso wie die gute Übersetzung durch den wahrlich fleißigen Andreas Brandhorst.

Das Komitee von Neal Asher (2011/2014) ist ein SF-Thriller, der möglicherweise als Ideengeber des Filmes Elysium diente, denn auch hier lebt die Elite im Orbit, während sich darunter wortwörtlich die Hölle auf Erden befindet. Und wie immer bei Asher: sehr aufregend das Ganze.

Cyberstorm von Matthew Mather (2013/2014) zählt zu den ‘Strom-weg’-Thrillern, die in jüngster Zeit gehäuft auftauchen, wie zu bemerken ist. Diesmal ist es ein Cyberangriff, der die USA lahm legt. Wie es im Einzelnen weitergeht, kann man sich denken.

Die Drei von Sarah Lotz (2014/2014) ist ebenfalls ein spannender Thriller, der ein wenig mit mystischen Apokalypse-Elementen spielt. Bei mehreren, gleichzeitig stattfindenden Flugzeugabstürzen überlebt jeweils immer nur ein Kind. Muß ich noch sagen, daß es sich bei diesen Kindern um ‘etwas’ anderes handelt?

Mindreader von Patrick Lee (2014/2014) ist das, was der Titel verspricht: Ein SF-Thriller um eine telepathisch höchstbegabte 12-jährige, die auf ihrer Flucht vor den Schergen der Regierung unverhofft auf einen Veteranen trifft, der ihr fachkundig hilft, auch weiterhin nicht geschnappt zu werden. Mindestens so lange, bis die Medikamente abklingen, welche die Erinnerung des Mädchens unterdrücken, denn dann öffnet sich die Büchse der Pandora.

Unter fremden Sternen von Ryk Brown (2012/2014) hat einen Titel, der mich stark an die Goldmann-Romane der 1960er Jahre erinnert. Es ist der Folgeband zu dem Buch Der Flug der Aurora aus der Frontier-Saga, zu der es übrigens eine gut gemachte Website gibt. Bereits geschrieben hat (dieser) Brown noch zwei weitere Folgen, ein Ende ist nicht abzusehen. Insgesamt die recht nette Space Opera des kalifornischen Autors, der von sich selber sagt, daß er mit einer Überdosis TV, NASA und SF aufgewachsen sei.

Ich muß schreien und habe keinen Mund von Harlan Ellison (…/2014) ist ein dicker Band mit 20 Erzählungen, die aber nicht immer so schrecklich sind, wie man vermutet. Und die dazu auch noch durchwegs preisgekrönt sind. Sicherlich nichts für jedermann, aber eine Schachtel unterschiedlichster Pralinés für den Kenner.

Pol Pots wunderschöne Tochter von Geaoff Rymann (2014/2014) ist eine Sammlung von sechs Stories der Extraklasse, wie man es beim herausgebenden Golkonda Verlag auch erwarten kann. Die beschriebenen Welten sind magisch und biotechnisch, politisch und emotional. Und kräftig. Absolut empfehlenswert.

Rho Agenda – Das zweite Schiff von Richard Phillips (2006/2014) bezieht sich (wieder einmal) auf den Roswell-Zwischenfall, geht aber einen Schritt weiter als bisherige Werke, indem hier die Existenz eines weiteren UFOs postuliert wird – das ein paar Studenten finden. Und sich sehr darüber freuen, denn es ist noch weitgehend intakt. Auch hier kann man sich denken, wohin der Spannungsbogen verläuft. Besonders interessant ist, daß die Kalte Fusion positiv erwähnt wird, und ihre geplante Bekanntgabe zu Konflikten innerhalb der (natürlich) US-Regierung führt. Und es wird von einem blutigen Umsturz in Saudi-Arabien berichtet – durchgeführt von religiösen Fanatikern. Wie war das mit der Schlange, welche die saudischen Öl- und Dollarbrüste genährt haben, um zum Beispiel das laizistische und pluralistische System in Syrien zu Fall zu bringen? Oh Tag der Abrechnung, der wird teuer, Jungs!

Das Genius Patent von Bernhard Regenfelder (2014) beschäftigt sich mit dem Thema der sogenannten Freien Energie – wobei sich der Held des Romans als Enkel Nikola Teslas herausstellt, der nun von diversen Interessengruppen gejagt wird, da man annimmt, daß nur er die bislang unverstandenen Passagen aus dem Tagebuch seines genialen Ahnen entschlüsseln kann, bei denen es um eine neue Energiequelle geht. Denn das Nachbauen von Teslas Patent Nr. 685.957 zur Nutzung kosmischer Energie ist bislang noch niemanden gelungen. Wobei das alles kaum mehr etwas mit SF zu tun hat, sondern eher der Technikarchäologie zuzuordnen ist. Siehe dazu das Buch der Synergie.

Drohnenland von Tom Hillenbrand (2014) ist ein Klasse Krimi, bei dem die Verbrechensprophylaxe in Europa durch eine lückenlose Drohnenüberwachung erfolgt – bis sich zeigt, daß Verbrechen auch außerhalb der Datenspur erfolgen… oder diese manipuliert haben. Was also ist noch Indiz, was nicht? Angesichts der gegenwärtig stark zunehmenden Verbreitung von Kamera-Quadrokoptern, die bald kleiner als Handys sein werden, ein äußerst aktuelles und anregendes Buch.

Krieg um den Mond von Klaus Seibel (2012) hat mich sehr angesprochen, weil die Geschichte ganz leise mit einer kleinen Schraube beginnt. Nur, daß diese auf dem Mond gefunden wird, wo sie eindeutig auch schon ziemlich lange herumliegt. Die daraus resultierende Aufregung setzt sich in dem zweiten (leider viel dünneren) Band Das Erbe der ersten Menschheit (2014) fort, schrammt haarscharf an einem Krieg vorbei, und beginnt sich dann mit der Hinterlassenschaft jener Zivilisation zu beschäftigen, die vor 65 Millionen Jahren – zusammen mit den Dinos – ausgelöscht wurde. Nun warte ich mit Spannung auf die Fortsetzung, die ich gerade bestellt habe…

One second later – Die Welt ohne Strom von William R. Forstchen (2009/2014) gehört eindeutig zur Sparte der ‘Strom-weg’ SF, klarer kann ein Buchtitel ja auch kaum sein. Diesmal ist es ein EMP, der die USA zu Boden zwingt, worauf bald der Kampf jeder gegen jeden ausbricht. Vielleicht ein wenig spannender, aber sicherlich nicht so fundiert, wie das bereits im letzten Jahr rezensierte Black Out – Morgen ist es zu spät von Marc Elsberg.

Saat des Unheils von Ian Tregillis (2014) gehört zu den Parallelwelt-NS-Schmonzetten, in denen der WKII noch immer läuft – nur, daß die Nazis ein paar ziemlich fragwürdige Superhelden haben, den den Briten ordentlich einheizen. Worauf diese mit Magie antworten. Es ist der Auftakt zu einer dreibändigen Reihe, von der ich noch nicht sagen kann, ob sie mir gefällt.

Walhalla von Thomas Thiemeyer (2014) ist ein interessanter Ansatz, der leider nur äußerst schwach ausgeführt ist, denn aus der Geschichte des abschmelzenden Eises der Arktis, das die Fundamente eines mythischen Nordreiches aufdeckt, hätte sich sehr viel mehr machen lassen.

Und da ich das seltsame BZRK1 von Michael Grant einem Freund geschenkt hatte, scheint das Buch diesem so gut gefallen zu haben, daß er sich umgehend auch die beiden Folgebände BZRK Reloaded (2003/2013) und BZRK Apokalypse (2004/2014) zulegte – und mir diese wiederum auslieh. Der Krieg mit biologischen Nano-Maschinen IN den Hirnen der Menschen geht weiter, spannend und etwas schräg.

Und damit dieser Blogeintrag nicht zu lang wird, folgen die weit mehr älteren Bücher, die ich in den letzten Wochen durchwurmt habe, in einigen Tagen in einem separaten Eintrag.

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https://blogs.taz.de/datenscheich/2014/12/18/literatur-wellengeschockt/

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kommentare

  • Zu “Drohnenland”: Sollen in dem verschollenen Flugzeug MH370 nicht vier Chinesen gesessen sein, die ein Patent besaßen für eine “Spionagedrohne”, die Bilder und Geräusche übertragen kann und nicht größer als eine Hummel ist?

    ———————-

    Der Datenscheich:

    Ich denke, in der Maschine saßen noch diverse andere Leute, die sicher auch interessante Geschichten zu erzählen hatten. Ich habe mich mit den Passagieren aber genausowenig beschäftigt, wie mit der Maschjine selbst – denn egal wieviel ich Zeit dafür aufbringen würde… es ist nicht signifikant. Schließlich kümmern sich schon genug andere darum, ohne daß sich dadurch auch nur das Geringste ändert – geschweige denn, daß sie die Maschine wieder herbeizaubern könnten.

    Da bleibe ich doch lieber bei meinen ‘Leisten’, um das verschwundene Pardies auf Erden wieder in Erscheinung zu rufen!! 🙂

  • Wow, in der ganzen Zeit habe ich nicht einen Roman gelesen. Danke schön fürs Teilhabenlassen!

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    Der Datenscheich:

    Ich weiß selber nicht, ob ich beim lesen in eine Zeitspalte gerate – aber gestern habe ich beim Frühstück (am Nachmittag) mit dem nagelneuen Der Marsianer von Andy Weir angefangen, übrigens von meinem Freund Jürgen Langowski höcht kompetent übersetzt, und war noch vor Mitternacht damit durch. Das absolut empfehlenswerte Werk hat gut 500 Seiten. Es läßt sich am besten als ‘Outcast auf dem Mars’ beschreiben (du erinnerst Dich sicherlich an den Film mit Tom Hanks?!). Einfach unglaublich spannend!

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