vonAchmed Khammas 27.01.2019

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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In dieser Woche beginne ich mit einem Klassiker aus der Zeit, da es noch die Sowjetunion gab, wo dieses Buch 20 Jahre lang nicht veröffentlicht werden durfte.

Das Experiment von Arkadi und Boris Strugatzki (1988/2018) beschreibt ein soziales Experiment – so wie die Autoren wohl ihre Realität betrachteten –, dessen Beginn und Gründe im Dunkeln liegen. Keine ‚Action‘, dafür viele Einblicke in die psychische Befindlichkeit von Menschen, die sich in einer kafkaesken Situation wiederfinden.

Walkaway von Cory Doctorow (2017/2918) ist demgegenüber eine moderne Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme: viel brutaler, da die Gegner nicht vor dem Einsatz mörderischer Kampfdrohnen scheuen; viel berührender, da uns die Personen bis zur Identifikation ähneln; und viel utopischer, da Cory eine Menge neuer Sozialmodelle und Technologien einbaut, die einen sehr hohen Grad an Verwirklichungsmöglichkeit besitzen. Vielleicht ist „die andere Wange“, das Zurückweichen, Aussteigen und Abhauen nicht immer die beste Lösung, doch wenn man einen genügend hohen Informationsstand hat, kann dies tatsächlich einen alternativen Lebensentwurf mit hohem Glückspotential darstellen, meint zumindest Cory, den zu lesen sich wirklich lohnt.

Die Nano Invasion von Robert Ludlum und Kyle Mills (2015/2017) ist die Thriller-Version eines in der SF-Literatur fast schon zu oft behandelten Themas. Lassen sich Nano-Maschinen sicher beherrschen, oder könnten sie in falschen Händen nicht zu einer Waffe werden, die niemand mehr im Griff hat? Die Berufsschreiber legen jedenfalls ein spannendes Buch vor, in dem der Bösewicht überraschenderweise ein Japaner ist, eine erfrischende Seltenheit angesichts des langjährigen Araber-, Chinesen- und Russen-Bashing.

Terra von T. S. Orgel (2018) – hinter dem Pseudonym stehen die beiden Brüder Tom und Stephan Orgel – entspricht einem Roadmovie im All, denn im Mittelpunkt des Geschehens steht ein Konvoi von Fracht-Raumschiffen, die im Sonnensystem unterwegs sind. Das beachtliche und empfehlenswerte SF-Debüt der Brüder, die sich bisher mehr mit den unsäglichen Orks befaßt haben, ist eine fesselnde Geschichte mit interessanten Charakteren – und auch eine kleine Hommage an Elon Musk. Man darf sich auf weitere Werke freuen.

Dungeon Planet von Tobias O. Meißner (2018) erzählt das Abenteuer von Jephron Girant, der vor vielen Jahren schon einmal die erfolgreichste Gameshow der Galaxis (!) überlebt hat, und nun von einer Jungteilnehmerin dazu gebracht wird, mit ihr zusammen ein weiteres mal sein Leben aufs Spiel zu setzen. Ich denke, alleine schon der Name der Show – nämlich Dungeoncrawler – ist Hinweis genug, daß dieser SF ein Muß für alle Fans von Computerspielen und Virtualitäten ist, auch wenn die Szenerie der Geschichte selbst in der Realität spielt. Schön eingeschlossen in das Hirn des Lesers ist damit aber mehr Lust verbunden als Schmerz, versprochen.

Play to live – der Cyber-Clan von Dimitry Rus (2014/2018) ist die russische Antwort auf Ready Player One, und nicht weniger spannend. Hier sind es Perma-Spieler wie Max, die fast ihre gesamte Zeit im virtuellen Rollenspiel AltarWorld verbringen, wobei Max allerdings über eine unheimliche Entdeckung stolpert, woraus schließlich ein Kampf zwischen dem Cyber-Clan und den ‚Alten‘ (d.h. den Regierungen, Konzernen und Serverfarm-Betreibern) um die Vorherrschaft entbrennt. Man muß wohl nicht extra sagen, daß das Buch sehr gut geschrieben ist und viele vergnügliche Lesestunden bereitet.

Frontal von John Scalzi (2018) erzählt die Geschichte der Hilketa-Spieler, die mit Schwertern und Hämmern auf einander losgehen – bis es ihnen gelingt, den Kopf des Gegners zu erbeuten und durch die Torpfosten zu tragen. Was natürlich nur funktioniert, weil die Sportler sogenannte Threeps benutzen, künstlich hergestellte, roboterartige Körper zum ein- oder mehrmaligen Gebrauch, die uns schon in dem Scalzi-Roman Das Syndrom begegnet sind, wo sie von WachkomaPatienten genutzt werde, um sich in der realen Welt herumzubewegen.

Die politische Anmerkung:

Nun hat Syrien zwar die fast modernsten Luftabwehrraketen, aber so richtig eingestzt wurden diese bislang noch nicht. Es heißt, weiß die Ausbildung der Mannschaften noch läuft. Was sich für Israel wie eine letzte Chance anhört, noch schnell ein paar Hizbollahis und Revolutionsgardisten platt zu machen, ohne dazu extra in den Libanon einfallen oder gar nach Persien fliegen zu müssen. Man stelle sich nur vor, die würden dann einen Gegenbesuch manchen wollen!

Nun hat sich schon einmal mein entfernter Onkel Saddam mit den Enkeln der Parsen angelegt – und dabei eine Menge Scheiße fressen müssen. Zur Erinnerung: Der Irak und der Iran beharkten sich mehr als acht Jahre lang, ohne daß eine der beiden Seiten signifikante Erfolge erzielen konnte. Was hauptsächlich daran lag, daß die USA – wie sie nur wenige Tage nach Ende diesen Krieges öffentlich und oder jede Scham gestand – während der gesamten Zeit beiden Seiten Satellitenbilder der Fronten zur Verfügung stellte… wobei die gerade vorrückende Seite zu ihren Ungunsten bearbeitete Ausfertigungen bekam – und lustig ins Feuer lief.

Inzwischen haben die Perser schon eigene, kleine Satelliten, es sind über zehn mal mehr Menschen als es jüdische Israelis gibt, und ihre Waffen bauen sie auch zumeist selbst – trotz internationalem Wirtschaftsboykott. Es ist also angemessen, daß die Israelis vor ihnen Angst haben. Nun müßte es nur noch jemanden geben, der den den Israelis sagt, daß ihre Reaktion darauf, wie ein besoffener Halbstarker immer wieder neuen Streit vom Zaun zu brechen, gang, ganz sicher nicht zielführend ist. Und ob die A-Bomben aus Daimona nach all den Jahren noch funktionieren, dürfte ebenfalls fraglich sein.

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