vonAchmed Khammas 10.02.2019

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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Ohne große Vorrede möchte ich gleich auf einen ganz besonderen Leckerbissen – oder eine opulente Pralinenschachtel – hinweisen, die mir vorzüglich gemundet hat.

Die wandernde Erde von Cixin Liu (2018/2019) ist eine Sammlung von Stories, die mich ungemein an die besten Jahre der Kurzgeschichte in den 1960ern und 1970ern erinnerten, die damals wie Sternschnuppenschwärme über das literarische Firmament der Science Fiction zogen. In den immer wieder bis zum Extremum ausgedachten skurrilen, verblüffenden und großartigen Kurzgeschichten werden sogar die schrecklicheren Passagen mit hoher Ästhetik beschrieben, und die Wendungen sind fast ausnahmslos ausgesprochen überraschend. Da der Autor ein Blurp von Barak Obama persönlich vorweisen kann, erübrigt sich eigentlich eine besondere Empfehlung. Trotzdem: Unbedingt lesenswert!

Mr. Sapien träumt vom Menschsein von Ariel S. Winter (2016) ist eine seltsame Geschichte, die im Grunde nur etwas für eingefleischte Asimovisten ist, die sich mit den Nöten und Drängen von Robotern befassen. Ganz nett, aber irgendwie unbefriedigend, da aus meiner Sicht viel zu ‚vermenschelt‘ – was andere aus kaum nachvollziehbaren Gründen allerdings als Vorzug betrachten. Wobei es sich bei diesen natürlich nur um Menschen handelt, und deren Meinung ist im Grunde nicht relevant.

Central Station von Lavie Tidhar (2016/2018) spielt mit dem leicht schrägen Gedanken, daß die Reise ins All ausgerechnet in Tel Aviv beginnt, wo der kilometerhohe Turm für die Shuttle-Landeplätze steht, welche den Weg in den Orbit und zurück nehmen. Ein schillernder, verworrener, irrer und liebenswerter Roman, der mehr vom Frieden als vom Krieg handelt… und den ich mir demnächst noch ein weiteres mal angedeihen lassen möchte.

Sturm von Uwe Laub (2016/2017) ist ein Thriller, der sich mit dem äußerst aktuellen und ebenso äußerst umstrittenen Thema der Wetterkontrolle beschäftigt. Ein Highlight ist die Zerstörung des Olympiastadions in Berlin durch einen Tornado! Sehr spannend – besonders für Leser, denen die Begriffe Chemtrails, Ionisierung, Geoengineering und HAARP etwas sagen.

Die Formel von Dan Wells (2016/2018) ist ein weiterer Thriller, bei dem es diesmal um eine neue Hautcreme geht, deren böser Nebeneffekt sich dermaßen kulminiert und verbreitet, daß er zum Weltuntergang führen könnte. Darauf muß man erst mal kommen. Was vielleicht etwas etwas mehr nachvollziehbar wird, wenn ich verrate, daß es dabei um die Überschreibung der DN der Nutzer der Creme geht, ähnlich wie eine alte Partition mit neuen Daten überschrieben wird, wobei der ursprüngliche Datensatz – also hier ein individueller Mensch – auf Nimmerwiedersehen gelöscht wird. Ganz ohne böse Absicht. Nochmal: Darauf muß man erst mal kommen.

Die Kinder der Zeit von Adrain Tchaikovsky (2015/2018) ist mitreißende Space Opera, bei der die Menschen die sterbende Erde verlassen und einem Lichtjahre entfernten bewohnbaren Planten entgegenfliegen – der von einer früheren Welle jedoch mit einem Evolutionsvirus geimpft worden war, was die Neuankömmlinge aber nicht wissen. Umso abenteuerlicher und schwieriger ist es, sich mit den Resultaten des Virus nun auseinanderzusetzen, um wenigstens eine Chance zu bekommen, sich auf der zweiten Erde langfristig anzusiedeln.

Braking News von Frank Schätzing (2004/2016) wird hier nur der Ordnung halber rezensiert, da der Autor zu den Personen gehört, die m.E. zu viel von anderen abkupfern. Dessen ungeachtet gebe ich zu, daß er gut schreiben kann. Und da ein Gutteil der Geschichte im Umfeld meiner zweiten Heimat Syrien geschieht, verschweige ich auch nicht, daß ich die Lektüre diesmal genossen habe. Dabei geht es um einen deutschen Reporter, der im Nahen Osten in die Mühlen der Geschichte gerät – die sich allerdings ein wenig von dem realen Verlauf unterscheidet.

Die politische Anmerkung:

Diese macht diesen Montag einfach mal blau. Erinnert sich noch jemand an die exzellenten ‚Blauen Montage‘ im Quartier Latin – bevor es dem Kommerz verfiel? Nach dem Motto: Wieviel Leid und Schmerz bliebe der Welt erspart, wenn am Montag niemand mehr arbeiten würde?! LOL

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