vonHans Cousto 11.11.2011

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Die Drug Scouts – eine Drogenberatungsstelle in Leipzig – wurden 1996 von jungen Menschen aus der elektronischen Musik- und Partyszene gegründet. Anfänglich wurden alle Tätigkeiten ehrenamtlich durchgeführt. Ab April 1998 wurden die Drug Scouts von der Stadt Leipzig zunächst durch Schaffung einer Stelle (ab Mai durch 1,5 und ab Juni durch 2 Stellen) gefördert, was die infrastrukturelle und organisatorische Voraussetzung für die weitere Entwicklung des Projektes schaffte. Im April 1998 eröffneten die Drug Scouts in der Eutritzscher Straße 9 einen Drogen-Info-Laden, den Drug Store. Dieser ist von Montag bis Freitag jeweils von 13 bis 17 Uhr geöffnet und bietet verschiedene Möglichkeiten sich zu Drogen zu informieren sowie mit den professionellen und freiwilligen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen.

Die Drug Scouts sind in verschiedenen nationalen und internationalen Netzwerken aktiv, so im Sonics-Netzwerk (Cybertribe-Netzwerk für Rhythmus und Veränderung), im Basics-Netzwerk (European Network for Rave Culture and Drug Awareness), bei JES (Selbshilfenetzwerk für Junkies, Ehemalige & Substituierte) und im NEWIP (Nighlife Empowerment and Well-being Implementation Project).

 

Geburtstagsprogramm

Das Jubiläum begehen die Drug Scouts mit einem Empfang, einer Veranstaltungsreihe zum Thema „Drogen und Gesellschaft“ und mit einer Party. Die Veranstaltungen, bestehend aus Vorträgen und anschließender Diskussion, sind offen für alle Interessierte und kosten keinen Eintritt. Die Vortragsreihe begann gestern am 10.11.2011 und wird bis zum 14.12.2011 andauern. Am Dienstag, 15.11.2011, wird Wulf Mirko Weinreich (Psychotherapeut) über „Psychoaktive Substanzen in der Psychotherapie“ berichten. Am Mittwoch, 23.11.2011, wird Hans Cousto (Autor dieses Artikels) zum Thema „Partykultur & Psychonautik. Ein Weltkulturerbe“ sprechen. Am Montag, 28.11.2011, wird Dr. Roland Kipke (IZEW – Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften, Universität Tübingen) über „Hirndoping – Pillen für Glück und Leistung?“ referieren. Am Mittwoch, 07.12.2011, wird Silke Buth (Drugchecking-Initiative Berlin-Brandenburg) das Thema „Drugchecking – ein sinnvolles Instrument zur Risikominimierung beim Drogengebrauch?“ abhandeln und am Mittwoch, 14.12.2011, wird Henning Arndt (Dipl. Sozialpädagoge) Orientierung zum „richtigen und falschen Weg auf der Suche nach dem Glück“ geben.

 

Ein Flyer der Schlagzeilen machte

Die Drug Scouts haben über dreissig Faltblätter zu verschiedenen Substanzen herausgegeben mit Informationen zur Substanz, ihrer Wirkung je nach Dosierung, zu Risiken und Nebenwirkungen sowie zu „safer use“. Zudem haben die Drug Scouts auch einen Flyer mit dem Titel „Polizeikontrolle – was tun?“ herausgegeben. Dieser Flyer, den es bereits seit 2004 gibt, sorgte dieses Jahr für Schlagzeilen. Unter dem Titel „Fördermittel-Schande: Stadt zahlt 80.000 Euro – Junkies werden vor der Polizei gewarnt“ schrieb die Bild-Zeitung (Regionalausgabe leipzig) am 13. Mai 2011zu diesem Flyer: „Darin sind unzählige Hinweise, wie sich Junkies verhalten sollten, wenn sie von der Polizei erwischt werden. Bezahlt von der Stadt, abgesegnet vom Vorsitzenden des Drogenbeirats, Sozialbürgermeister Thomas Fabian (55, SPD)! Das Blatt warnt die Junkies eindringlich vor der Polizei. Man solle bei Kontrollen und vorläufigen Festnahmen z.B. lediglich Angaben zur Person machen und ansonsten „schweigen“. Dann wird detailliert erklärt, was für eine „Dienstaufsichtsbeschwerde“ nötig ist; dass man „nichts unterschreiben“ und vor allem „keine Angaben zur Sache machen“ soll. Die Beamten kommen überhaupt schlecht weg. Von „repressiven Maßnahmen“ ist da die Rede und „Einschüchterungsversuchen“.

Zwei Tagen vor Erscheinen dieses Artikel fand im historischen Speisesaal des Leipziger Hauptbahnhofes eine Podiumsdiskussion zur Drogenpolitik in Leipzig statt. Die Podiumsdiskussion ist im Internet dokumentiert (Video). Auf dem Podium saßen:

Freya-Maria Klinger, MdL Sachsen, DIE LINKE
Sylke Lein, Suchtbeauftragte der Stadt Leipzig
Dr. Harald Terpe, MdB Bündnis 90/Die Grünen
Horst Wawrzynski, Polizeipräsident der Stadt Leipzig
Lutz Wiederanders, Sachgebietsleiter Straßensozialarbeit Leipzig
Moderation: Thyra Veyder-Malberg (Stadtmagazin Kreuzer)

Die Leipziger Internetzeitung berichtete unter dem Titel „Zwischen Repression und Hilfe in der Drogenpolitik: Leipziger Beteiligte finden sich zusammen“ am 12. Mai 2011 recht informativ über die Veranstaltung. Die Leipziger Volkszeitung nutzte die Veranstaltung hingegen für eine wahre Kampagne, um gegen die Drug Scouts Stimmung zu machen. In der Online-Ausgabe titelte der Redakteur Frank Döring seinen Artikel „Drogenaffin – massive Kritik am Projekt Drug Scouts“ und auf der Titelseite der gedruckten Wochendausgabe vom 14./15. Mai 2011 wurden die Leser mit der Überschrift „Leipziger Drogenpolitik ist eine tickende Zeitbombe“ konfrontiert. Dies sagte der sächsische Landespolizeipräsident Bernd Merbitz in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung. In dem Interview (Printausgabe S. 19) sagte Bernd Merbitz u.a. zum besagten Faltblatt „Solche Flugblätter, wie man sich bei Polizeikontrollen verhalten sollte, empfinde ich als Kampfansage. Es bedeutet doch nichts anderes, als dass Leuten, die etwas strafbares getan haben, geholfen werden soll, sich gegen jene zu schützen, die für Recht und Ordnung sorgen. Ich halte das für äußerst kritisch. Wir müssen deshalb darüber nachdenken, und haben dies auch schon teilweise getan, ob dies überhaupt ein Projekt ist, das förderwürdig ist.“ Wahrlich, es ist schon äußerst befremdlich, wenn ein Landespolizeipräsident eine Aufklärung von Menschen über ihre gesetzlich verankerten Rechte als „Kampfansage“ empfindet. Jede Aufklärung von Menschen über ihre gesetzlich verankerten Rechte ist förderlich für den Rechtsstaat. Jeder Versuch, eine solche Aufklärung zu verhindern, ist eine Kampfansage an den Rechtsstaat. Der sächsische Landespolizeipräsident Bernd Merbitz hat sich mit seiner Aussage als als Verfechter von Rechtsstaatlichkeit selbst diskreditiert.

 

Ein Internetauftritt bester Güte

Auf der Website www.drugscouts.de (vormals www.suchtzentrum.de/drugscouts/) findet man nicht nur Informationen zu Substanzen, Streckmittelwarnungen, Drug-Checking-Ergebnissen, Recht und Gesetz, sondern auch ein Lexikon und jede Menge Erfahrungsberichte. Zudem findet man Informationen zur Förderung von Party- und Kommunikationskultur speziell unter dem Aspekt eines mündigen Drogenkonsums. Die Website der Drug Scouts zählt zu den meistbesuchten Drogen-Aufklärungs-Seiten im deutschsprachigen Raum, obwohl für dieses Internetportal kein Werbeetat existiert. Im Oktober 2011 wurden täglich 1.076 Besucher gezählt.

Zum Vergleich: Im letzten Jahr verzeichnete die Website www.drugcom.de (ein Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) gemäß Jahresbericht 2010 täglich im Schnitt 2.161 Besucher. Diese Zahl ist im Wesentlichen auf die BZgA-Kampagne „Alkohol? Kenn dein Limit“ zurückzuführen, da der drugcom-Test „Check your drinking“ auf „Alkohol? Kenn dein Limit“ integriert wurde. Der Test erscheint im Design von „Alkohol? Kenn dein Limit“, jeder Testabruf erfolgt aber vom drugcom-Server, geht also in die drugcom-Statistik mit ein. Exakt 117.177 Verweise wurden im Jahr 2010 von der Website www.kenn-dein-limit.info registriert. Die mit Mitteln des Verbands der privaten Krankenversicherung e. V. (PKV) unterstützte Kampagne arbeitet mit großflächigen Plakakten, TV- und Kinospots sowie Online-Marketing. Im Rahmen einer drugcom-Studie wurde zudem Online-Werbung auf verschiedenen Websites geschaltet. Dazu zählen die private Drogeninformationseite www.drug-infopool.de, die Online-Communitys MeinVZ und StudiVZ sowie die Suchmaschine Google.

Ein zweiter Vergleich: Das SuchtMagazin veröffentlichte in der Ausgabe 5/2010 einen Artikel mit dem Titel „Evaluation der Partydrogenprävention in der Stadt Zürich“. Darin werden die Tätigkeiten der Jugendberatung Streetwork und des Projektes www.saferparty.ch beschrieben und analysiert. In dem Artikel heißt es, dass die Website www.saferparty.ch täglich von 213 Personen besucht wird. Und in der Medienmitteilung vom 19. Oktober 2011 des Sozialdepartementes der Stadt Zürich heißt es „Saferparty.ch verzeichnete 2010 über 60.000 Besuchende. Im Jahr 2011 waren es von Januar bis September bereits fast 60.000.“ Das entspricht für den Zeitraum Januar bis September 2011 etwa 222 Besucher pro Tag.

Ein dritter Vergleich: Die Website von Eve & Rave Schweiz hält nicht nur Informationen über Drogen bereit, sondern verfügt auch über ein Forum mit mehr als 13.000 Mitgliedern und über ein Drogenwiki. Auf der Seite www.eve-rave.ch wurden im Oktober 2011 täglich durchschnittlich 8.152 Besucher registriert. Die hohe Zahl ist vor allem auf die Aktivitäten im Forum zurückzuführen. Im Gegensatz zu den drei zuvor genannten Internetportalen wird die Website von Eve & Rave Schweiz nicht von der öffentlichen Hand finanziert, sondern von einem Verein, in dem alle Tätigkeiten ehrenamtlich erfolgen.

 

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