vonHans Cousto 02.02.2013

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Leipzig ist mit 534.922 Einwohnern (Stand 30. Juni 2012) die größte Stadt in Sachsen. Die Landeshauptstadt Dresden mit 531.112 Einwohnern belegt den Rang zwei. Leipzig ist ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt. Der Hauptbahnhof ist mit einer Grundfläche von 83.640 Quadratmetern der flächenmäßig größte Kopfbahnhof Europas. Leipzig ist, wie auch Berlin und Hamburg, eine Messestadt. Leipzig hat auch, wie Berlin und Hamburg, eine Großbaustelle, die weit mehr Geld verschlingt als geplant. So wie bei Berlin der Flughafen, in Hamburg die Elbphilharmonie, so in Leipzig der City-Tunnel. Doch Leipzig hat etwas, das Berlin und Hamburg nicht haben: Eine in den Szenen integrierte Drogenberatungsstelle mit einem international hohem Renommee: Die „Drug Scouts“.

Am Donnerstag, den 30. August 2012, war die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), mit zwei Mitarbeiter ihres Büros im Drug Store zu Besuch, um das Projekt „Drug Scouts“ näher kennenzulernen. Offenbar erkannte sie nicht die besondere Qualität dieser Drogenberatungsstelle, in der neben hauptberuflichen Kräften auch zahlreiche Freiwillge (Voluntscouts) ehrenamtlich arbeiten, da es nach ihrem Besuch ihrerseits keine öffentliche Würdigung der Leistungs der „Drug Scouts“ in den Medien gegeben hat. Sonst sieht sich die Drogenbeauftragte Dyckmans gerne in der Lokalpresse unter einem Titel wie „Suchtberatung Update – Bundesdrogenbeauftragte Mechthild Dyckmans lobt die Angebote“ mit ihrem Konterfei abgebildet.

Mehr Glück hatten die „Drug Scouts“ am 25. Januar 2013. An diesem Tag wurde auf der Mitgliederversammlung von akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik der Josh‐von‐Soer Preis für das Jahr 2012 an die „Drug Scouts“ verliehen. Seit 2011 ist die Initiative „Drug Scouts“ durch den Leipziger Polizeipräsidenten Horst Wawrzynski und die Medien massiv unter Beschuss geraten, vor allem in der Leipziger Volkszeitung. Der Preis ist ein Ausdruck der Solidarität und Anerkennung für die Kompetenz, das Durchhaltevermögen und das ehrenamtliche Engagement der Initiative.

In der Laudatio, gehalten von Urs Köthner (stellvertretender Vorstandsvorsitzender von akzept e.V.), wurde die Ehrung wie folgt begründet:

Für das Jahr 2012 haben wir eine Initiative ausgewählt, die schon mehrmals vorgeschlagen wurde, und die, wie die vormaligen PreisträgerInnen, beispielhaft sind für ihren unermüdlichen und mutigen Einsatz im Sinne akzeptierender Drogenarbeit und dies, obwohl sie dafür extremst medial und fachlich angegriffen wurden. Das erinnert schon sehr an die heftigen Konfrontationen, welche akzeptierende Drogenarbeit in ihrem Anfängen ausgelöst hat. Längst überholte Thesen und Verhaltensweisen werden hier postuliert, dass man lachen könnte, wenn es nicht so traurig aktuell wäre. Seit 2011 ist die Initiative „Drug Scouts“ durch den Leipziger Polizeipräsidenten und die Medien massiv unter Beschuss geraten und verdient umso mehr unsere Solidarität und Anerkennung. Auslöser war ein Flyer für DrogenkonsumentInnen über Verhalten bei Polizeikontrollen (Nichts mehr als die Aufklärung über die allgemeinen Rechte). Daraus machten der Polizeipräsident und die Bildzeitung eine massive Kampagne gegen akzeptierende Drogenarbeit und Hilfeangebote, welche angeblich ein „Wohlfühlklima für DrogenkonsumentInnen“ schaffen und Drogenabhängige anderer Regionen und Länder anziehen würde, und so zu einem „Import von Beschaffungskriminalität“ führe. […]

Die Drug Scouts wurden 1996 von jungen Menschen aus der elektronischen Musik‐ und Partyszene gegründet. Ihr Anliegen ist es, sachlich und umfassend über legale und illegalisierte psychoaktive Substanzen und deren Konsum zu informieren und aufzuklären. Akzeptanz gegenüber den individuellen Entscheidungen der KonsumentInnen ist dabei ein Grundsatz ihrer Arbeit. Oft werden junge DrogenkonsumentInnen vom „klassischen Drogenhilfesystem“ nicht erreicht bzw. fühlen sie sich mit ihren Bedürfnissen und Realitäten dort nicht akzeptiert. Hier setzen Drug Scouts mit ihrer Aufklärungsarbeit an. Der differenzierte Umgang mit positiven und negativen Aspekten des Drogenkonsums sowie die Vermittlung von Safer‐Use‐Regeln soll KonsumentInnen dabei unterstützen, selbstbestimmt, weniger riskant und genussorientiert mit Drogen umzugehen – d.h., eine Drogenmündigkeit zu entwickeln. Abstinenz kann ein Weg sein, mit psychoaktiven Substanzen umzugehen. Aber nicht alle Menschen wollen oder können abstinent leben. Sie beraten und unterstützen Menschen unabhängig von einem Abstinenzwunsch. Drug Scouts versuchen ihr Ansinnen auch auf politischer Ebene voranzubringen, z.B. durch ihren Einsatz für Drug Checking oder die Etablierung von Safer Clubbing. Das Angebot richtet sich vor allem an junge KonsumentInnen und deren Angehörige, aber auch an PädagogInnen und andere Interessierte. […]

Es gibt nur ganz wenige Initiativen und Drogenhilfen die sich dieser schwierigen Aufgabe widmen und die sie mit soviel Kompetenz, Durchhaltevermögen und ehrenamtlichen Engagement durchführen wie die „drug scouts“. Die Stadt Leipzig sollte stolz sein auf diese bundesweit hochgeachtete und beispielhafte Initiative und sie weiter fördern.

Am 27. Januar 2013 hatten die „Drug Scouts“ nochmals Glück. In Leipzig fand der erste Wahlgang zur Wahl des Leipziger Oberbürgermeisters statt. Der amtierende Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) erhielt 40,2% der Stimmen, Horst Wawrzynski (CDU, Bürgerbündnis Oberbürgermeister für Leipzig e.V.) 25,9%, Dr. Barbara Höll (Die Linke) 15,3%, Felix Ekardt (Grüne) 9,8%,  Dirk Feiertag (parteilos) 7,1% und René Hobusch (FDP) 1,8%. Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass Wawrzynski im zweiten Wahldurchgang am 17. Februar 2013 das Rennen für sich entscheiden kann.

Obwohl die Leipziger Volkszeitung sich stets Horst Wawrzynski als Propagandaplattform andiente, erhielt er lediglich einen Stimmenanteil, der 14,3% kleiner war als jener für den Amtsinhaber Jung von der SPD. Der CDU-Kandidat Horst Wawrzynski gewann nur in zehn von 63 Ortsteilen mehr Stimmen als der SPD-Kandidat – außer Mölkau liegen diese Ortsteile alle am Stadtrand.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass  Wawrzynski vor allem in Ortsteilen mit rückläufiger Bevölkerungszahl wie Burghausen-Rückmarsdorf, Heiterblick, Liebertwolkwitz, Lützschena-Stahmeln, Meusdorf, Mölkau, Plaußig-Portitz und Thekla über 30% der Stimmen für sich verbuchen konnte. Deutlich unter 20% der Wähler votierten für Wawrzynski vornehmlich in Ortsteilen mit stark wachsender Bevölkerung (+3% und mehr pro Jahr) wie Altlindenau, Lindenau, Neustadt-Neuschönefeld, Plagwitz, Reudnitz-Thonberg und Zentrum-Süd sowie in Ortsteilen mit durchschnittlich wachsender Bevölkerung (+1,5% bis +3%) wie Connewitz, Schleußig, Südvorstadt und Zentrum-Nordwest.

Einziger Wermutstropfen im Ortsteil Connewitz: In dem bekannten Szeneviertel erreichte Wawrzynski im Ranking mit 1.147 Stimmen Rang drei vor Dr. Barbara Höll von der Linken mit 1.145 Stimmen, die dort mit zwei Stimmen Abstand so nur Rang vier erzielte.

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