vonHans Cousto 23.05.2016

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Die Legalisierungsdebatte in Sachen Cannabis treibt die Repressionisten nach wie vor auf die Palme. Die Polizei intensiviert weiter die Jagd auf Kiffer. Gemäß der Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes stieg im Jahr 2015 die Anzahl der polizeilich registrierten Delikte wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 2,1%, bei den Delikten in Bezug auf Cannabis insgesamt um 1,5% und bei den allgemeinen Verstößen (auf den Konsum bezogene Delikte, Besitz kleiner Mengen zum Eigenverbrauch) in Bezug auf Cannabis um 1,2%. Der Anstieg ist deutlich moderater ausgefallen im Vergleich zum Vorjahr. Von allen registrierten Delikten im Jahr 2015 in Bezug auf Cannabis entfielen 78,5% auf den Konsum bezogene Delikte. Nur im Jahr 2014 war dieser Anteil noch etwas höher (78,7%), dass heißt, noch nie zuvor wurden Kiffer so intensiv von der Polizei verfolgt wie in den letzten beiden Jahren.

Tatverdächtige

Bis 1966 lag die Zahl der jährlich erfassten Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das Opiumgesetz in der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich West-Berlin) deutlich unter Eintausend. Erst 1967, dem Jahr in dem die Studentenrevolte sich bundesweit auszubreiten begann und der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien von der Polizei erschossen wurde, registrierten die Behörden über 1.000 Tatverdächtige. Vier Jahre später registrierten die Behörden bereits über 20.000 Tatverdächtige.

Ein Tatverdächtiger, für den im Berichtszeitraum mehrere Fälle der gleichen Straftat in einem Bundesland festgestellt wurden, wird nur einmal gezählt. Vor 1983 waren Personen, gegen die im Berichtsjahr mehrfach ermittelt wurde, immer wieder erneut gezählt worden. Wegen Ablösung dieser Mehrfachzählung, die zu stark überhöhten und strukturell verzerrten Tatverdächtigenzahlen führte, durch die jetzige „echte“ Zählung, ist ein Vergleich zu früheren Jahren nur eingeschränkt möglich.

In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts verdoppelte sich die Zahl der Tatverdächtigen und erreichte im Jahr 2004 mit 232.502 ihren absoluten Spitzenwert. Danach sank die Zahl kontinuierlich bis 2010 und danach stieg sie wieder kontinuierlich bis 2015 auf 231.730. Im Vergleich zum Vorjahr war eine Steigerung um 1,6% zu beobachten.
Zeitreihe der Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das BtMG von 1960 bis 2015; Datenquelle: BKAAbbildung 1 zeigt die Zeitreihe der Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das BtMG von 1960 bis 2015. Wegen Änderung der Zählweise gibt es für 1983 keine Daten. Wegen der Änderung des staatlichen Bereiches sind die Daten seit 1991 mit denen der Vorjahre nur bedingt vergleichbar. Die Zahlen bis 1990 beinhalten die Tatverdächtigen der alten Bundesländer einschließlich West-Berlin, die Zahlen der Jahre 1991 und 1992 beinhalten die Tatverdächtigen der alten Bundesländer einschließlich Gesamt-Berlin, in den Zahlen ab 1993 sind die Tatverdächtigen aller Bundesländer enthalten. Diese Angaben sind auch bei allen folgenden Abbildungen zu berücksichtigen. Datenquelle: BKA Wiesbaden. Es gilt die Datenlizenz Deutschland – Namensnennung – Version 2.0.

Jugendliche Tatverdächtige

In den Jahren von 1932 bis 1939 lag die Zahl der jährlich erfassten Rauschgiftvergehen insgesamt durchschnittlich bei 1.200 und es wurden durchschnittlich knapp 1.000 Tatverdächtige ermittelt. Der Anteil der Jugendlichen lag dabei zumeist deutlich unter 1% (1936: 0%; 1937: 0,2%). Zwischen 1956 und 1966 lag die Zahl der Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das Opiumgesetz stets unter 1.000 und der Anteil der Minderjährigen (unter 18 Jahren) schwankte zwischen 0,3% und 1,7%. Durch die Instrumentalisierung des Opiumgesetzes zur Repression gegen die revoltierenden Studenten und Hippies im Jahr 1967 stieg der Anteil der minderjährigen Tatverdächtigen auf 29,4% an. Nach der Einführung des neuen Betäubungsmittelgesetzes im Winter 1971/72 sank der Anteil jugendlicher Tatverdächtiger wieder.

Noch deutlicher wird die Entwicklung bei der Betrachtung der heranwachsenden Tatverdächtigen. Waren im Jahr 1966 nur knapp 10% aller Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt, so stieg dieser Anteil bis 1971 auf knapp 70% an. Nach der Einführung des neuen Betäubungsmittelgesetzes ist der Anteil junger Tatverdächtiger bis 1988 kontinuierlich zurückgegangen. Bei den unter 18-Jährigen lag er 1988 bei 4,8%. Nur 24,4% der Tatverdächtigen waren unter 21 Jahren alt.

In den 90er Jahren wurde das Betäubungsmittelgesetz, wenn auch nicht ganz so intensiv wie Ende der 60er, erneut instrumentalisiert, um eine aufkommende Jugendkultur in Schach zu halten und die an dieser Kultur partizipierenden Menschen einem intensiven Kontrollsystem zu unterwerfen. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends sanken die Anteile der jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen dann wieder um danach wieder anzusteigen. In den letzten drei Jahren blieben diese Werte fast konstant. Die Anteile der unter 18-Jährigen schwankten in den letzten drei Jahren zwischen 13,1% und 13,5%, der Anteil der unter 21-Jährigen lag stets bei 30,0%.
Anteile in Prozent der jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen als Zeitreihe von 1966 bis 2015; Datenquelle: BKAAbbildung 2 zeigt die Anteile in Prozent der jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen als Zeitreihe von 1966 bis 2015. Datenquelle: BKA Wiesbaden.

Allgemeine Verstöße

Als im Winter 1971/72 das neue Betäubungsmittelgesetz in Kraft trat, verkündete die Bundesregierung, dass mit dem Gesetz in erster Linie die Verfolgung der Drogenhändler und Drogenschmuggler beabsichtigt sei und erleichtert werden solle. Die Höchststrafe wurde zur Abschreckung von drei auf zehn Jahre heraufgesetzt. Am 1. Januar 1982 wurde nach einer Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes die Höchststrafe von zehn auf 15 Jahre angehoben.

Obwohl mit dem BtMG in erster Linie Händler und Schmuggler verfolgt werden sollten, lag der Anteil der auf den Konsum bezogenen Delikte (allgemeine Verstöße gemäß §29 BtMG) nie unterhalb von 60 Prozent. Bis kurz nach der Jahrtausendwende schwankte der besagte Anteil stets zwischen 60 Prozent und 70 Prozent (einzige Ausnahme 1972), um dann im Jahr 2004 seit Jahrzehnten wieder die 70 Prozent Marke zu überschreiten. Im Jahr 2015 erreichte dieser Anteil den gleichen historischen Höchstwert von 75,7 Prozent wie im Vorjahr. Die Repression gegen die Drogenkonsumenten hat in den Jahren 2014 und 2015 ein Rekordniveau erreicht.
Relation der allgemeinen Verstöße zu allen BtMG-Delikten als Zeitreihe von 1971 bis 2015; Datenquelle: BKAAbbildung 3 zeigt in Prozentwerten die Relation der allgemeinen Verstöße zu allen BtMG-Delikten als Zeitreihe von 1971 bis 2015. Datenquelle: BKA Wiesbaden.

Anteil der Cannabisdelikte

In den 80er Jahre des letzten Jahrhunderts stieg der Anteil der Cannabisdelikte in Bezug auf alle BtM-Delikte nahezu stetig bis 1986 auf 66,6% um danach aufgrund der Legalisierungsdebatte rapide zu sinken. Der tiefste Anteil (39,3%) in der folge wurde sechs Jahre später (1992) registriert. Im Jahre 1992 legte Richter Wolfgang Neskovic vom Landgericht Lübeck dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage zur Entscheidung vor, ob das Cannabisverbot mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Jz. – 713 Js 16817/90 StA Lübeck – 2 Ns (Kl. 167/90)). Das BVerfG entschied darüber im Jahr 1994 (BVerfGE 90, 145 – Cannabis).

In der Folge stieg dieser Anteil nahezu stetig bis zum Jahr 2004 auf 62,5%. In den Jahren danach pendelte der Anteil dann zwischen 57% und61%. Die derzeitige Legalisierungsdebatte hat nicht zu einer Reduktion der Kifferjagd geführt wie Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre.
Anteil der Cannabisdelikte in Relation zu allen BtM-Delikten als Zeitreihe von 1982 bis 2015; Datenquelle: BKAAbbildung 4 zeigt den Anteil der Cannabisdelikte in Relation zu allen BtM-Delikten als Zeitreihe von 1982 bis 2015. Datenquelle: BKA Wiesbaden.

Anteile der diversen Cannabisdelikte

In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts lag der Anteil der allgemeinen Verstöße bei den Cannabisdelikten bei 65% und der Anteil bezüglich Handel und Schmuggel bei etwas über 30%. In der Folge stieg der Anteil der allgemeinen Verstöße nahezu kontinuierlich und der Anteil bezüglich Handel und Schmugel sank hingegen nahezu kontinuierlich. Im letzten Jahr erreichte der Anteil der allgemeinen Verstöße mit 78,5% annähernd den Spitzenwert des Vorjahres von 78,7% und der Anteil bezüglich Handel und Schmuggel den dritttiefsten Wert aller Zeiten mit 18,0%. Nur in den Vorjahren 2013 und 2014 lag dieser Wert noch ein wenig tiefer (17,9% und 17,6%).
Anteile der diversen Cannabisdelikte als Zeitreihe von 1987 bis 2015; Datenquelle: BKAAbbildung 5 zeigt die Anteile der diversen Cannabisdelikte als Zeitreihe von 1987 bis 2015. Der illegale Anbau erreichte 2015 einen Anteil von 3,2% und die illegale Einfuhr in nicht geringen Mengen einen Anteil von 0,3%. Datenquelle: BKA Wiesbaden.

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https://blogs.taz.de/drogerie/2016/05/23/weiter-steigender-repressionskoeffizient/

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kommentare

  • Statistiken sind den Unionspolitikern vollkommen egal: Die setzt unsere Polizei zum Kifferjagen ein, um zu demonstrieren welcher harter Hund sie sind, d.h. zur eigenen PR. In Berlin gab es im letzten Jahr über 70.000 Polizeistunden im Görlitzer Park. Dabei wurden pro gefundenes Gramm Gras im Durchschnitt 4 Polizeistunden verschwendet, d.h. die Beute war 20mal teurer, als wenn sie es gleich den Dealern abgekauft hätten. Das Eregbnis ist gleich Null, denn dem Konsumenten war das egal und die Beute minimal. Die Verfahren wurden meistens eingestellt.D.h. eine sinnlose Polizeistrategie auf Kosten der Sicherheit! Warum regt sich darüber niemand auf? Diese elende Stammtisch Drogenpolitik zur Profilierung einzelner Politiker muß endlich ein Ende haben. Morlter muß weg!

  • Da haben wohl einige Leute Kontrollzwang! Absolut überflüssig das dafür jemand bestraft wird. Go home Nazis!

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