vonHans Cousto 02.04.2017

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, als durch immer mehr Studien nachgewiesen wurde, dass Cannabis eine gute Medizin zur Bekämpfung von Schmerzen ist, haben die Lobbyisten der Pharmabranche begonnen, Ärzte und Professoren aus dem Medizinbereich mit Botschaften zu überhäufen, dass Opioide gute und sichere Mittel gegen Schmerzen seien. In den 90er Jahren begannen bekanntlich einige Bundesstaaten in den USA Cannabis als Medizin zu legalisieren. In einigen Bundesstaaten durften die Patienten ihre Medizin auch selbst anbauen. Dies war für die Entwicklung der Rendite einiger Pharmakonzerne abträglich und so schickten sie ihre Lobbyisten los, um für Opioide als Schmerzmittel Werbung zu machen.

Die New York Times berichtete am 20. Mai 2016 unter dem Titel „Zum ersten Mal seit zwei Dekaden sank die Zahl der Opioidverschreibungen“, dass 1992 in den USA für etwa eine Milliarde US-Dollar Opioide von Ärzten an Patienten verschrieben wurden, im Jahr 2015 waren es Opioide für nahezu zehn Milliarden US-Dollar. Von 1992 bis 2012 stieg die Zahl der Verschreibungen von Opioiden und erreichte mit mehr als 54.000 Tagesdosierungen pro Million Einwohner ihren Höhepunkt. Durch Interventionen seitens staatlicher Institutionen sank in der Folge die Zahl der Verschreibungen kontinuierlich um etwa 14 Prozent auf 47.580 Tagesdosierungen pro Million Einwohner im Jahr 2015. Dennoch werden, wie man der folgenden Grafik entnehmen kann, auch heute in keinem anderen Land der Welt so viele Opioide Verschrieben wie in den USA.

Die Grafik zeigt die zehn Länder mit den meisten Verschreibungen von Opioiden – Verbrauch von Tagesdosierungen pro Million Einwohner. Datenquelle: INCB: Narcotic Drugs 2016, Tab. XIV.1.a., S. 226
Grafik 1 zeigt die zehn Länder mit den meisten Verschreibungen von Opioiden – Verbrauch von Tagesdosierungen pro  Million Einwohner. Datenquelle: INCB: Narcotic Drugs 2016, Tab. XIV.1.a., S. 226

Keith Humphreys schrieb am 25. März 2017 in der Washington Post unter dem Titel „Amerikaner brauchen weit mehr Opioide als irgend jemand sonst auf der Welt“, dass es verwunderlich sei, dass die USA hier den ersten Platz belegen. In der Weltrangliste der Staaten sortiert nach dem Anteil an Bewohnern, die älter als 65 Jahren sind, liegen die USA auf Platz 42. Es gibt somit 41 Staaten mit einem größeren Anteil an Bewohnern, die älter als 65 Jahre sind. In Italien beispielsweise, wo der Anteil an über 65-jährigen Einwohnern wesentlich größer ist als in den USA, ist die Zahl der Verschreibungen von Opioiden mehr als sechsmal kleiner als in den USA.

In Afghanistan ist die medizinische Versorgung mit Opioiden sehr schlecht, obwohl das Land das weltweit größte Anbaugebiet von Schlafmohn ist. Im globalen Ranking belegt das Land den Rang 158, wobei hier anzumerken ist, dass einige Länder im Ranking sich einen Platz teilen. Doch Rang 158 von insgesamt 173 Positionen zeigt deutlich, dass das Gesundheitssystem in Afghanistan extrem unterversorgt mit Opioiden ist. Statt Mohnplantagen in Afghansitan zu vernichten sollte man doch besser Fabriken bauen, in denen man aus dem Rohopium Opiate wie Morphin extrahieren kann, um sie dem Gesundheitssystem zur Verfügung zu stellen.

Die Grafik die Anteile des weltweiten legalen medizinischen Verbrauchs von Morphin. Datenquelle: INCB: Narcotic Drugs 2016, Fig. 13, S. 31
Grafik 2 zeigt die Anteile des weltweiten legalen medizinischen Verbrauchs von Morphin. Datenquelle: INCB: Narcotic Drugs 2016, Fig. 13, S. 31

Obwohl in den USA nur etwa 4,8 Prozent der Weltbevölkerung leben, entfällt auf die USA etwa die Hälfte des weltweiten Verbrauchs von Morphin zu medizinischen Zwecken. Ein Viertel des weltweiten Verbrauchs entfällt auf Europa, knapp zwölf Prozent auf Kanada, 2,4 Prozent auf Australien und Neuseeland und 0,7 Prozent auf Japan. Der Rest der Weltbevölkerung (79,7 Prozent der Weltbevölkerung) muss sich hier mit 10,7 Prozent begnügen.

Die Grafik zeigt die Anteile des weltweiten legalen medizinischen Verbrauchs von Fentanyl. Datenquelle: INCB: Narcotic Drugs 2016, Fig. 28, S. 40
Grafik 3 zeigt die Anteile des weltweiten legalen medizinischen Verbrauchs von Fentanyl. Datenquelle: INCB: Narcotic Drugs 2016, Fig. 28, S. 40

Fentanyl ist ein synthetisches Opioid, das als Schmerzmittel in der Anästhesie (bei Narkosen) sowie zunehmend zur Therapie akuter und chronischer Schmerzen eingesetzt wird. Die zur Behandlung effektive Dosis liegt bei zehn Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht. Fentanyl ist etwa hundertmal so potent wie Morphin.

Im Jahr 2015 wurden gemäß INCB weltweit etwa 1,7 Tonnen Fentanyl verschrieben, etwa eine halbe Tonne davon in den USA, was einem Anteil von 29,3 Prozent von allen Verschreibungen auf der Welt entspricht. 93 Prozent des weltweiten medizinischen Verbrauchs von Fentanyl entfielen auf 20 Staaten, hier in absteigender Reihenfolge des Verbrauchs aufgelistet: USA, Deutschland, Spanien, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Kanada, Italien, Niederlande, Belgien, Australien, Japan, Österreich, Südkorea, Griechenland, Schweiz, Polen, Schweden, Israel, Brasilien und Saudi Arabien.

Etwa 64 Prozent des weltweit hergestellten Fentanyls stammt aus den USA. Zweitgrößter Produzent auf der Welt ist Deutschland mit einem Anteil von 19 Prozent.

Todesfälle aufgrund von Überdosierungen in den USA

In den letzten Jahren hat die Zahl der Todesfällle in den USA aufgrund von Überdosierungen mit Opioiden massiv zugenommen. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl der diesbezüglichen Todesfälle etwa vervierfacht, wie der unten stehenden Grafik zu entnehmen ist.

Die Grafik zeigt als Zeitreihe die jährliche Anzahl an Todesfällen aufgrund von Opioidüberdosierungen in den USA. Datenquelle: NIAD: Overdose Death Rates, Revised January 2017
Grafik 4 zeigt als Zeitreihe die jährliche Anzahl an Todesfällen aufgrund von Opioidüberdosierungen in den USA. Datenquelle: NIAD: Overdose Death Rates, Revised January 2017

Im Jahr 2000 waren 69 Prozent der Todesfälle aufgrund des Gebrauchs von ärztlich verschriebenen Opioiden zu verzeichnen und nur 31 Prozent waren auf den Konsum von Schwarzmarktprodukten zurückzuführen. Auch im Jahr 2011, als die Zahl der Todesfälle von Überdosierungen in den USA aufgrund des Gebrauchs von ärztlich verschriebenen Opioiden ihren Höhepunkt erreichte, lag dieser Anteil an den Todesfällen ebenfalls bei 69 Prozent. In den folgenden Jahren wurden weniger Opioide von den Ärzten in den USA verschrieben und es starben dann auch stetig weniger Menschen an Überdosierungen durch medizinisch verschriebene Opioide. Da die Ärzte aufgrund von Empfehlungen und Richtlinien von staatlichen Institutionen weniger Opioide verschrieben, deckten sich zunehmend viele Patienten auf dem Schwarzmarkt ein. Der Schwarzmarkt für Opioide blühte auf und suchte offensiv auch außerhalb der Patientengruppe nach  neuer Kundschaft, die reichlich Stoff abnahm und konsumierte. Im Jahr 2014 lag erstmals die Zahl der Todesfälle aufgrund des Konsums von Schwarzmarktprodukten über der Zahl der Todesfälle aus der Gruppe der ärztlich versorgenten Patienten, im Jahr 2015 lag der Anteil bereits bei 60 Prpozent.

Am 8. Dezember 2016 schrieb Christopher Ingraham in der Washington Post unter dem Titel „Zum ersten Mal mehr Todesfälle durch Heroin als durch Schusswaffen“, dass im Jahr 2015 in den USA erstmals mehr Menschen aufgrund ihres Heroinkonsums gestorben seien als durch Schusswaffen. Übermäßiger Heroinkonsum habe 2015 in den USA 12.989 Menschenleben gefordert, Tote durch Schusswaffengebrauch seien 12.979 registriert worden – also zehn weniger.

Cannabis als Medizin reduziert Opioidüberdosierungen

In Bundesstaaten, in denen Cannabis als Medizin zugelassen ist, liegt die Prävalenz von Todesfällen durch Überdosierungen mit ärztlich verschriebenen Opioiden durchschnittlich um ein Viertel niedriger als in Bundesstaaten, in denen Cannabis als Medizin nicht verfügbar ist. In ihrer Studie Medical Cannabis Laws and Opioid Analgesic Overdose Mortality in the United States, 1999-2010 stellten Marcus A. Bachhuber (Center for Health Equity Research and Promotion, Philadelphia Veterans Affairs Medical Center) und Kollegen fest, dass die Todesrate durch solche Überdosierungen im ersten Jahr nach der Legalisierung von Cannabis als Medizin um 20 Prozent geringer war, als in Bundesstaaten, in denen Cannabis als Medizin nicht verfügbar ist. Drei Jahre nach der Einführung von Cannabis als Medizin lag die Rate um 24 Prozent niedriger und sechs Jahre danach sogar um 33 Prozent niedriger. Medizinisches Cannabis hat in den USA schon Tausenden von Menschen das Leben gerettet.

In Deutschland werden auch sehr viele Patienten mit Opioiden versorgt. Um einen Anstieg der Todesfälle aufgrund von Überdosierungen entgegen zu wirken, sollten Ärzte und Krankenkassen großzügig bei der Verschreibung respektive bei der Erstattung der Kosten von Cannabis als Medizin sein. Cannabis zu verschreiben ist nicht selten die bessere Alternative im Vergleich zur Verschreibung von Opioiden. Und an Überdosierungen mit Cannabis stirbt man nicht.

Vergl. hierzu in diesem Blog

[18.11.2016] Weshalb fürchtet die Pharmabranche Cannabis als Medizin?

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kommentare

  • 10,7% Verbrauch in Kanada finde ich ungleich bedenklicher, pro Kopf locker das doppelte des US-Werts.

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