vonHans Cousto 03.12.2019

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

Mehr über diesen Blog

Die Konferenz »Nights – Stadt nach Acht« fand vom 28. bis 30. November 2019 im Yaam, im Holzmarkt und im Tresor statt. Diese drei Institutionen haben das Berliner Nachtleben und die Partykultur der Stadt stark geprägt und erlebten die Folgen der Gentrifizierung hautnah. Zu Beginn dieses Artikels werden die Veranstaltungsorte beschrieben, da ihre Geschichte eng verbunden ist mit der Thematik der Konferenz. In der Folge werden die Aktivisten, die die Konferenz organisiert haben vorgestellt und anschließend von der Konferenz berichtet aus dem Blickwinkel von Personen, die seit vielen Jahren Drogeninfostände in Berliner Clubs und auf Festivals organisieren.

Die Veranstaltungsorte

Flyer 25 Jahre Yaam

1994 wurde das YAAM (Young African Art Market) als Jugend und Kulturstandort gegründet mit dem Träger Kult e.V., seit 2004 anerkannter Träger der Jugendhilfe in der Eichenstraße 3 (jetzige ARENA) und wurde schnell zu einem beliebten Treffpunkt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene verschiedener Nationalitäten. Eine Plattform für Musik von jungen lokalen Künstlern entstand; hier lernten sich z.B. die Musiker von Culcha Candela und Seeed zum Teil kennen und hatten ihre ersten Auftritte als Band im YAAM. Das YAAM etablierte sich innerhalb kürzester Zeit als wichtiger Vernetzungsort in der Künstlerszene.

1996 zog das YAAM in die Cuvrystraße. Nur wenige hundert Meter vom alten Gelände entstand auf 12.000m² ein Ort der Kommunikation, an dem Menschen und Initiativen aus der ganzen Stadt zusammenkamen und dieses riesige Gelände gestalteten. Innerhalb weniger Monate wurden Kunstausstellungen organisiert und schon wenige Wochen nach dem Umzug fand die DJ-CULTURE statt, ein dreitägiges Musik Festival. Das YAAM eröffnete dort eine der ersten Berliner Strandbars. 1998 musste das YAAM dem geplanten Einkaufszentrum Cuvry-Center weichen, das auf der Cuvrybrache geplant war. Mit der inzwischen in der Eichenstraße etablierten ARENA wurde 1999 eine temporäre Lösung gefunden für eine Zwischennutzung des Geländes für das YAAM.

2004 – 2014: Das YAAM fand ab dem Jahr 2004 einen Standort am Stralauerplatz 35 in Friedrichshain. Das neue Gelände eignete sich für das Projekt hervorragend. Neben einer kleinen Halle gab es eine Freifläche mit direktem Zugang zur Spree sowie verschiedene Möglichkeiten, Sport zu treiben. Das ermöglichte sowohl Kultur als auch Jugendarbeit.

Das YAAM – insbesondere an seinem letzten Standort – war eine der multikulturellsten und integrativsten Stätten für Freizeitaktivitäten und Begegnungen von Menschen aller Altersgruppen und Nationalitäten und ein Aushängeschild für Berlin und ganz Deutschland. Am 10.10.2012 erhielt das YAAM eine Kündigung mit der Aufforderung, das Gelände innerhalb von 60 Tagen zu räumen.

2014: Nach langen und schwierigen Verhandlungen und nicht zuletzt dank der Unterstützung der Öffentlichkeit und des Bezirks Friedrichshain Kreuzberg entscheidet der Berliner Senat, dem Kult e.V. das Grundstück und Objekt an der Schillingbrücke durch Rückübertragung an den Bezirk Friedrichshain/ Kreuzberg für da Fortbestehen des YAAM zunächst für 5 + 5 Jahre zur Verfügung zu stellen. Auf dem Gelände befanden sich zuvor der Club DELI und später der Club MARIA. Im Mai 2014 fand mit Hilfe zahlreicher freiwilliger Helfer der letzte Umzug des YAAM mit großer Medienresonanz statt.

Das YAAM wächst auf dem neuen Gelände und sieht sich zunächst aufgrund der logistischen und örtlichen Gegebenheiten gezwungen, sich verstärkt auf musikalische Angebote zu fokussieren. Auseinandersetzungen mit der Nachbarschaft erschweren das Fortbestehen der urbanen Sportkultur im Außenbereich, ein wichtiger Pfeiler des YAAM Kultur das nach wie vor wieder belebt werden will.

Holzmarkt

Berlin-Friedrichshain, Bar 25, Holzmarktstraße 25, Spreeseite, 2009, Foto: Andreas Praefcke, Creative Commons

Der Holzmarkt befindet sich auf dem Gelände, wo früher die Bar 25 war. Die Bar 25 war ein Techno-Club am Spreeufer im Berliner Ortsteil Friedrichshain. In der Zeit ihres Bestehens von 2003 bis 2010 erreichte sie in der Techno-Szene auch internationale Bekanntheit. Nach sieben Jahren wurde die Bar im September 2010 nach einer fünftägigen Party geschlossen.

Am ersten Juli 2008 fand ein Demonstration zwischen der Bar 25 und dem auf der gegenüber liegende Seite der Spree ansässigen Kicky Blofeld sowohl beidseits der Spree als auch auf der Spree statt. Hunderte von Aktivisten blockierten mit Booten aller Art die Spree, um ein Schiff mit Investoren an der Durchfahrt zu hindern, was trotz des Einsatzes mehrerer Polizeiboote gelang. Unter den Aktivisten befand sich auch der strahlend lachende Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele auf einen Boot, wie man in der Chronologie in Bildern zu den Mediaspree-Protesten der Berliner Zeitung sehen kann.

Am späten Abend, als am Freitag, den 3. Juli 2009, die Musiker Andreas Specht, Barnim Schultze (Akasha Project), Bert Olke (B. Ashra), Alexander Rues (Eru) und Jens Zygar im Zirkuszelt der Bar 25 ihre Instrumente auf den Jahreston der Erde (Cis mit 136,10 Hz) für die »Kosmische Klangnacht« einstimmten, plauderte Hans Cousto mit Marc Wohlrabe, Herausgeber des kleinformatigen Ex-Techno-Gratismagazins »Flyer«, über die UNESCO und das Weltkulturerbe, insbesondere über das immaterielle Weltkulturerbe. Angeregt durch dieses Gespräch in der Bar 25 wurde die Idee geboren, die Riten der Psychonautik als immaterielles Weltkulturerbe klassifizieren lassen wie auch die Party und Technokultur. In der Schweiz wurde diese Idee bereits umgesetzt, die »Zürcher Technokultur« und die »Open-Air-Festival-Kultur« sind in der Schweiz jetzt offiziell immaterielles Kulturerbe. In Berlin bemüht sich der Begründer der Love Parade, Dr. Motte, mit weiteren Persönlichkeiten aus dem Berliner Kulturleben um eine solche Anerkennung. Dazu gab es bereits mehrere Treffen in der Alten Münze und zur Realisierung des Projektes wurde die gemeinnützige GmbH Rave the Planet gegründet.

Nach dem Ende der Bar 25 eröffneten die Betreiber auf der anderen Spreeseite den weitläufigen Club Kater Holzig in einer alten Seifenfabrik, in der sich bis 1993 der Club Planet befunden hatte. Der Kater Holzig war eine echte Institution in der Berliner Clubszene und galt als einer der letzten typisch Berliner Clubs. Dementsprechend sah auch das stets sehr starke Line-Up des Katers aus, wie alle den Club nannten. Alles was in der Szene Rang und Namen hatte trat hier auf. Die Location des Kater Holzig war berlintypisch eine heruntergekommene Ruine in der es nur so von Graffities strotzte. Aber genau das machte den Kater aus, der mehr war als nur ein Club, er war zeitgleich ein Kulturkino mit regelmäßigem Programm und auch ein Restaurant. Die Tür im Kater Holzig zählte zu den kömpliziertesten in ganz Berlin. Jedoch konnte man die Türkontrolle mit einer Tischreservierung im Restaurant umgehen. Nach Jahren der Zwischennutzung wurde der Kater Holzig geschlossen. Im Frühling 2014 zogen die Betreiber Steffi-Lotta, Juval Dieziger und Christoph Klenzendorf an den Holzmarkt auf das Gelände der Bar 25 zurück.

In Zusammenarbeit mit der Basler Pensionskasse Stiftung Abendrot gaben sie ein Kaufgebot für das 18.000 Quadratmeter große Bar-Gelände an der Holzmarktstraße ab und erhielt den Zuschlag. Die Stiftung ist seither Eigentümerin der Fläche, die Genossenschaft »Holzmarkt plus« tritt als Erbpachtnehmer auf. Im Sommer 2014 eröffnete schließlich am Rande dieses Geländes am nördlichen Spreeufer das Kater Blau, fast an der Stelle, wo ursprünglich die Bar 25 war. Auf dem Gelände befindet sich auch das Restaurant Katerschmaus. Auf dem Areal zwischen dem Club Kater Blau und der Pampa, einer Art Stadtgarten mit Theater, ist in den vergangenen Jahren ein Dorf entstanden. Es gibt den sogenannten Marktplatz, drum herum reihen sich einzelne Häuser mit verschiedenen Geschäften, einer Musikschule, Proberäumen, eine Kita und mehrere Bars. Die Berliner Zeitung veröffentliche diverse Bilder vom Kreativ-Dorf in Friedrichshain – So sieht’s auf dem Holzmarkt aus.

Tresor

Tresor Logo
Tresor –Logo

Die eigentliche Geburtsstätte der Berliner Acid-House-Szene, aus der sich später die Techno-Szene entfaltete, war das UFO in der Köpenickerstraße in Kreuzberg. Das UFO, ein Keller unter dem DADA-Café Fischbüro, bot 80 bis 100 experimentierfreudigen Tänzerinnen und Tänzern ein futuristisches Ambiente zur Gestaltung einer neuen Underground-Kultur in Berlin.

Außer im UFO in Kreuzberg organisierten die UFO-Veranstalter regelmäßig Acid-House-Parties im UFO DANCE CLUB in Schöneberg (Großgörschenstraße / Potsdamerstraße), so das einjährige Jubiläum am 13. Oktober 1989 unter dem Motto »This is the temple of your body« mit den DJs Kid Paul, Dr. Motte, Jonzon und Thanith. Mit den »Cyberspace Technocenter« respektive den »Cyberspace Techno Club« Partys, die Tanith jeden Mittwoch im UFO DANCE CLUB veranstaltete, begann in Berlin die Entwicklung einer neuen musikalischen Stilrichtung: Techno. Tanith erfreute seine Gäste mit Hardcore vom feinsten. Dies brachte ihm in der Folge den Titel härtesten DJ der Welt ein.

Der Veranstalter der Parties im UFO, Dimitri Hegemann, organisierte ab 1989 mit seinem Partner Achim Kohlberger im Künstlerhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg die sogenannten Berliner ATONAL FESTIVALS , auf denen das Publikum mit einer Fusion von Industrial-Sounds, House und moderner Tanzmusik konfrontiert wurde. Charakteristisch für die ATONAL FESTIVALS waren Auftritte von Projekten wie G.T.O. (Greater Than One, das heißt mehr als eins) aus England. G.T.O. steht für mehr als ein Stil, mehr als eine Idee, mehr als ein Geschlecht, mehr als eine Einstellung und mehr als ein Geschmack. Die vielfältigen Projekte der Daueraktivisten DJ Squad (Lee Newman) und DJ Technohead (Michael Wells) beflügelten von Anfang an das Geschehen der internationalen Techno-Szene und somit standen die drei Buchtaben G.T.O. auch schon als Symbol für Global Techno Organisation. Leitmotiv der techno-logischen Revolution:

Freedom is a state of Mind: Not a government system.

Die Veranstalter des ATONAL FESTIVALS fühlten sich den Subkulturen des Undergrounds sehr eng verbunden. So machte sich Dimitri Hegemann extra auf den Weg nach Detroit um Final Cut, eine Formation, bei der auch DJ Jeff Mills mitwirkte, nach Berlin einzuladen. Jeff Mills hatte das Auflegen zur Kunst perfektioniert und pflegte zuweilen alle 30 Sekunden eine neue Platte anzuspielen. Als Mitbegründer des Labels Underground Resistance (UR) wollte er Alltagsnormen brechen, die als unantastbar galten. Das Label UR galt als Attacke gegen das etablierte Musikbusiness und die kommerziell aufgemachte Musik der Großverleger (Majors). Der Auftritt von Final Cut kam beim Publikum gut an und löste eine wahre Tanzeuphorie aus, die bürgerliche Presse zerriss jedoch das ATONAL FESTIVAL aus einem konservativen Blickwinkel heraus.

Das ATONAL FESTIVAL war der Anfang fruchtbaren Verbindung zwischen den Städten Detroit, London und Berlin. Dimitri Hegemann schuf ein Forum für die noch junge Musik und wurde zum Anlaufpunkt für die globale Weiterentwicklung von House und Techno. Der seinerzeit weit vorauseilende Sound aus Detroit hätte ohne Hegemanns Engagement sicher nicht so viele Liebhaber gefunden, ja die Entwicklung von Techno wäre definitiv anders verlaufen.

Nachdem das UFO von Amts wegen geschlossen wurde und die Mauer in Berlin gefallen war, eröffnete Dimitri Hegemann mit seiner Crew im März 1991 den Tresor in der Leipzigerstraße, ein unangefochtener Kult-Laden des Technogenres. Tresor ist nicht nur ein Club, sondern Tresor ist auch ein Label, und mit diesem Label begann die Geschichte des Tresors. So sehr die Geschichte von TRESOR RECORDS mit der Eröffnung des Clubs am Ende der Leipziger Straße verknüpft ist, den Grundstein hatten Hegemann und seine Kollegen schon vorher gelegt: Mit INTERFISH RECORDS begründeten sie schon 1988 ein Label, das mit Platten von Dr. Motte und Cosmic Baby nicht nur die ersten Schritte der Berliner Szene dokumentierte, sondern mit Final Cut (feat. Jeff Mills) auch Stücke aus Detroit veröffentlichte.

Nach der Schließung des UFO suchte und fand Dimitri Hegemann und seine Partner eine geeignete Location im Ostteil der Stadt, die für den Underground wie maßgeschneidert war. Die Stahlkammern des in den goldenen 20er Jahren größten europäischen Kaufhauses Wertheim in der Leipziger Straße wurden zu einem Club umfunktioniert, der innerhalb kürzester Zeit zum ‘hippsten Ort’der Stadt wurde. Vom ersten Tag an, dem 15. März 1991, legten namhafte DJ’s aus Berlin auf. Neben Tanith, Wolle XDP und Jonzon begeistern unter anderem Rok, Kid Paul und Dr. Motte an den Turntables das tanzwütige Partyvolk, das von anbeginn in Scharen in den Laden strömte.

Der Tresor war durch seine räumlichen Gegebenheiten (nur Stahl und Beton) für einen kulturellen Durchbruch prädestiniert. Mit der musikalischen Aufbauhilfe aus Detroit (Jeff Mills, Eddie Flashin’ Fowlkes, Juan Atkins, Derrick May, Robert Hood, Blake Baxter und andere) marschierte der Club in Windeseile in die erste Liga international angesagter Clubs. Zur Zeit der Gründung, 1991, erlebte Berlin ein Phase der Hochstimmung und jedes Wochenende pilgerten Tausende junge Menschen von Club zu Club um an abgefahrenen Techno-Partys ekstatisch zu feiern.

Wiederholt stand der Tresor-Club vor der Schließung, und es kursierten viele Gerüchte. Das Gelände in der Nähe des Potsdamer Platzes war zu DDR-Zeiten in Mauernähe geräumt worden, wurde aber nach der Wende wieder für eine Bebauung attraktiv. So bekamen die Club-Betreiber von Anfang an nur sehr kurzfristige Verträge. Die letzte Party im alten Tresor fand am 16. April 2005 statt. Ab Juli 2005 fanden Tresor-Partys unter dem Motto »Tresor im Exil« in den Räumlichkeiten der Maria am Ostbahnhof oder im SO36 statt. Am 25. Mai 2007 eröffnete der Club seine neuen Räume im stillgelegten südlichen Trakt des Heizkraftwerk Berlin-Mitte in der Köpenicker Straße. Ein Teil der originalen Schließfächer aus dem alten Wertheim-Kaufhaus wurde in die neuen Räume mitgenommen und in deren unteren Veranstaltungsraum eingebaut, wodurch die Erinnerung an den alten Club erhalten werden soll.

Veranstalter der Stadt nach Acht Konferenz

Stadt Nach Acht ist die internationale Konferenz rund um die Themen der Nacht: Zum Nachtleben, zur Nachtökonomie, zur nächtlichen Sicherheit, zum nächtlichen Kultur- und Partybetrieb und zu urbanen Entwicklungen der Nachtstadt. Rund zweihundert Referent*innen aus Berlin, aus Deutschland, aus Europa und der ganzen Welt präsentierten neueste Forschungen und persönliche Erkenntnisse. Die Konferenz wurde von der Clubcommission organisiert. Hauptakteure der Planung und Organisation waren die Initiatoren und Kuratoren Marc Wohlrabe, Raimund Reintjes und Alexander Bücheli aus der Schweiz.

Marc Wohlrabe gründete den Verlag »Zeitbank«, mit dem er das Stadtmagazin »Flyer« herausgab, das Plattenkritiken und Szenetipps enthielt. Die Idee entstand 1993, als Wohlrabe es satt hatte, mit einem Stapel loser Handzettel bewaffnet nach den angesagten Clubs des Abends zu forschen. Mit vier Freunden entschloss er sich, ein kleines Stadtmagazin herauszugeben, dass die Geheimtipps im Taschenformat bündelt. Der »Flyer« war in den 90er Jahren so etwas wie der aktuelle Fahrplan der Raver in Berlin. Im »Flyer« konnte man genau sehen, wann welche DJs in den diversen Clubs auflegten. Mit der zunehmenden Verbreitung von Internet verlor das Printmedium an Bedeutung und die Publikation wurde eingestellt.

Marc Wohlrabe studierte in Cottbus World Heritage Management mit Schwerpunkt ‚Historic Urban Landscape‘ und ‘Marine World Heritage‘ (M.A.). In 2000 war er Co-Gründer der Clubcommission Berlin und ist Mitglied im Vorstand. Seine Themen sind Stadtentwicklung, Nachtökonomie, sicher Feiern, Lärmimmission, Festivals in Brandenburg und politische Kontakte. Marc Wohlrabe ist Mitglied im Beirat des Musikboard Berlin, Generalsekretär des europäischen Clubverbands LiveDMA und Co-Initiator und Direktor der Clubcommission Nachtleben Konferenz Stadt nach Acht.

Raimund Reintjes ist studierter Politologe. Nach seinem Diplom 1997 unterrichtete er Straßenkinder in Nikaragua, war dann ein paar Jahre Wissenschaftler an der Humboldt-Universität, hat anschließend als Texter und Konzepter für verschiedene Agenturen gearbeitet und ist parallel ab 2003 in die Biotope der Sozio- und Subkultur eines riesigen, stillgelegten Eisenbahngeländes, dem RAW-Gelände eingetaucht. Von 2004 bis 2010 betrieb er dort den Club RAW-Tempel und den Veranstaltungsort  Ambulatorium  für Kleinkunst, Theater, Jazz, Nachbarschaftstreffen, Lesungen, Kinderzirkus, Varieté uvm. Von 2007 bis 2014 veranstaltete er zudem die wöchentliche Elektronik-Reihe »Dienstagswelt« unter anderem im M.I.K.Z.  (Multifunktionales Internationales Kultur Zentrum) sowie zahlreiche Konzertnächte aus den Bereichen Dub, Worldmusik, Jazz und Elektronika. Zudem organisierte er mehrere Festivals für Gema-freie Musik, Wagen auf der Fuckparade sowie dem Zug der Liebe und ließ parallel zu nächtlichen Techno-Events auf seinem Format »Mitternachtstalk« Vertreter*innen aus Politik und Szene über verschiedenste Themen rund um den Berliner Musikzirkus diskutieren.

2013/2014 entwickelte er, gemeinsam mit dem Fixpunkt e.V. im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums das “BEST”-Schulungsprogramm zur Steigerung von Drogenkompetenz bei Mitarbeitenden im Nachtleben. Raimund Reintjes ist seit 10 Jahren in der Berliner Clubcommission, ist dort im Vorstand und Geschäftstsellenleiter und kümmert sich heute um die Aspekte Politik, Gesundheit und ganz aktuell mit dem Wirtschaftssenat um die Aufsetzung eines neuen Lärmschutzfonds für Clubs. Als Mit-Urheber, Produzent und Co-Kurator der Berliner Nachtlebenkonferenz Stadt nach Acht organisiert er seit 2016 eine spannende und innovative Plattform für die verschiedensten Perspektiven auf die nächtliche Stadt.

Alexander Bücheli war von 2001 bis 2015 verantwortlich für saferparty.ch, das Nightlife-Prevention-Angebot der Stadt Zürich. Im Rahmen dieser Tätigkeit war Alexander Bücheli maßgeblich an der Entwicklung eines mobilen Drug-Checking-Programms und dem Aufbau des Drogeninformationszentrums DIZ (stationäres Drug-Checking) in Zürich beteiligt.

Alexander Bücheli ist Mitbegründer der Swiss Safer Clubbing Association, der Bar & Club Kommission Zürich (BCK) und der Schweizer Bar & Club Kommission (SBCK). Seit 2015 arbeitet er als freiberuflicher Berater für Safer Dance Swiss, Safer Nightlife Switzerland und Safer Clubbing Switzerland sowie als Lobbyist für die Bar & Club Kommission Zürich und die Schweizerische Bar & Club Kommission. Alexander Bücheli ist auch Mitglied des Zürcher Nachtstadtrates sowie Co-Kurator der NIGHTS – Stadt nach Acht Konferenzen.

Die Konferenz Stadt nach Acht

Die erste Stadt nach Acht Konferenz fand 2016 in den Berliner Clubs MUSIK & FRIEDEN, WATERGATE und im SALON ZUR WILDEN RENATE statt. Damals wirkte viel recht improvisiert, am Eingang gab es eine längere Schlange, während der Konferenz sah man viele Leute am Suchen der Räume, in denen sie den nächsten Vortrag hören wollten und die Infostände waren in einem Nebenraum, den etliche Konferenzteilnehmer nicht fanden und der zudem schon am späteren Nachmittag geschlossen wurde. Dieses Jahr, bei der vierten Stadt nach Acht Konferenz, war von diesen Mängeln nichts mehr zu spüren. Organisatorisch war die Konferenz nahezu perfekt vorbereitet – freundliche Leute beim Eingang, schnelle Durchführung der Registrierung, gute Kennzeichnung der Veranstaltungsräume mit Aushang des jeweiligen Tagesprogramms und die einzelnen Veranstaltungen liefen präzise und pünktlich gemäß des Programmheftes ab, das gut und übersichtlich gestaltet war. Auch die Raumbeschallungen waren gut eingestellt (Verantwortlich: Benjamin Schulz). Kurz gesagt, die Voraussetzungen für einen kommunikativ hochwertigen Kongress waren geradezu ideal.

Da es immer mehrere Veranstaltungen gleichzeitig gab, ist hier nur eine kleinere Auswahl beschrieben. Berichtet wird aus dem Blickwinkel von Personen, die seit vielen Jahren DrogenInfostände in Berliner Clubs und auf Festivals organisieren.

Donnerstag im YAAM und im HOLZMARKT

Gleich zu Beginn ging es los mit Licht und Lichtverschmutzung sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum und die nicht sofort sichtbaren Auswirkungen auf lebende Organismen. Das von künstlichen Lichtquellen emittierte Licht wirkt oft kalt, da es einen zu hohen Blauanteil im Farbspektrum aufweist. Strahlt ein solches Licht ins Schlafzimmer, kommt es häufig zu Einschlafstörungen. Präsentiert und diskutiert wurden Maßnahmen, die die Beleuchtung angenehmer und und verträglicher machen. Und nicht zu vergessen, das Licht eine Energie ist, die unsere Neurotransmitterausschüttung und somit unser Wohlbefinden beeinflusst.

Drug-Checking ist eine Interventionsstrategie zur Schadensminderung und zur Förderung des individuellen Risikomanagement. In dem von Alexandra Karden und Anton Luf vom Checkit! Projekt in Wien geleiteten Workshop, der in vorbildlicher Weise sehr interaktiv moderiert wurde, kamen viele Praktiker aus dem Bereich Drug-Checking zu Wort. Inzwischen gibt es in mehr als zwei Dutzend Ländern in Europa laufende Drug-Checking-Programme. Besonders aktiv engagierte sich der Vertreter von The Loop in Manchester. The Loop führt im großen Stil Drug-Checking vor Ort (on site) durch. In der Diskussion ging es vor allem, wie die Ergebnisse vermittelt werden sollen und welche Ergebnisse der Analysen von (extrem) hoch dosierten Proben wie auch von Proben die unerwartete Inhaltsstoffe enthalten in Form von Warnungen publiziert werden sollen und welche Kanäle (Website, Newsletter, Facebook, Twitter, etc) dabei geeignet sind. Ein Mitarbeiter des Drug-Checking-Programms in Innsbruck erzählte, wie in Cannabisproben synthetische Cannabinoide gefunden wurden und wie die Medien darüber berichteten. Da kam sofort die Diskussion auf, ob man in solchen Fällen die Öffentlichkeit und insbesondere die Politiker in so einem Zusammenhang aufklären sollte, dass ein legaler Cannabismarkt mit Produktinformationen (Gehalt von THC, CBD und CBN) für die Konsumenten das Risiko Schaden zu nehmen deutlich mindern kann. Gemäß Applaus war ein überwiegender Teil der Anwesenden dieser Meinung.

Awareness in der Clubkultur – In dieser Präsentation und Diskussion ging es um aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen im Nachtleben. Referentinnen und Diskussionsleiterinnen waren Alexandra Vogel und Miriam Hecht von den Drugscouts in Leipzig (beide Gründungsmitglieder des Vereins »Initiative Awareness«) und Katharin Ahrend von der Clubcommission Berlin. Der Verein »Initiative Awareness« wurde gegründet, um Clubs, Festivals und Gästen Best Practices von Antidiskriminierungsstrategien nahezubringen. Ebenso gründeten sie eines der ersten club-basierten Teams für Antidiskriminierung und Safer Clubbing in Leipzig.

Im Jahr 2017 formierte sich auch innerhalb der Clubcommission der Arbeitskreis Awareness & Diversity, der sich damit auseinandersetzt wie möglichst sichere und vielfältige Umgebungen innerhalb der Club- und Festivalkultur geschaffen werden können. Gerade für Menschen, die sich in der Mehrheitsgesellschaft unwohl fühlen, haben Clubs eine wichtige, identitätsstiftende Bedeutung und bieten einen geschützten Freiraum für das Ausleben marginalisierter sozialer und kultureller Praxen. Die Zielsetzung einer diversen und diskriminierungssensiblen Clubkultur ist sehr anspruchsvoll und kann nur durch kontinuierliche Arbeit am Thema und einem offenen, konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten funktionieren.

Danach ging es wieder um Licht und Farbe in Clubs, Bars, Restaurants und Verkehrsmitteln. Die fünf Referenten aus Berlin und Frankfurt am Main zeigten in sehr anschaulicher Weise, wie man eine Bühnenbeleuchtung bei Konzerten konzipiert und thematisierten dabei den Unterschied zu einer Clubbeleuchtung. Im Club soll es nicht zu hell sein, damit man Videoproduktionen und Schwarzlichtkunst gut wahrnehmen kann, doch an den Bars im Club muss es hell genug sein, damit das Personal schnell und speditiv arbeiten kann. Licht und Farbe, ja auch Schwarzlicht sind wesentliche Elemente zu Schaffung eines schönen Ambientes im Club oder einer Bar.

Am Donnerstag Abend fand dann die »Soirée Des Voyageur IV – Psychedelic Experiences statt« statt. Zuerst erläuterten Tomislav Majić von der Ambulanz psychoaktive Substanzen (Charité Berlin) und Torsten Passie von der Medizinische Hochschule Hannover die Entwicklung der Nutzung von psychedelisch wirkenden Substanzen in der Therapie und berichteten über die neuesten Forschungen in diesem Bereich. Sie betonten dabei die exklusive Nutzung solcher Substanzen für den Medizinalbereich. Im Gegensatz dazu standen für die Psychologin Galia Tanay von der Universität Haifa die kulturellen Aspekte im Vordergrund. Galia Tanay hat jahrelang intensiv buddhistische Meditation und Texte geübt und studiert und Monate in stillen Exerzitien in Nepal verbracht. Nach ihrer langen Praxis hat sie in klinischer Psychologie promoviert und ihre akademische Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf Achtsamkeit und ihre Anwendungen. Galia Tanay unterrichtet Meditationsretreats in Israel und Europa. Sie ist Vokalkünstlerin und gehört zur Gruppe »Sacred Moon«, die sich zum Ziel gesetzt hat, zeremonielle Räume für die Erforschung und Heilung von Stimmen zu schaffen. Galia interessiert sich für die Integration verschiedener Wege kontemplativer Praktiken und ist eine engagierte Psychedelikerin, Gelehrte und Aktivistin. Galia Tanay war das absolute Highlight dieser Soirée, sie überzeugte auch in der folgenden Diskussion durch ihre warmherzigen und spontanen Antworten und man spürte, dass ihr die psychedelische Kultur nicht fremd war.

Nach der »Soirée Des Voyageur« gab es im YAAM ein wunderbares psychedelisch-bassiges Konzert der ACID DUB FOUNDATION, mitreißend und bestens tanzbar.

Freitag im YAAM

Am Freitag Vormittag ging es los mit der Rolle von Psychedelika – welche Trends, Vorteile, Herausforderungen sind gegeben. Das Psychedelics-Panel wurde von SONAR – Safer Nightlife Berlin moderiert. SONAR steht für Gesundheit und Wohlbefinden im Nachtleben mit dem Ziel, Risiken zu reduzieren, um mehr Raum für Vergnügen zu lassen. Das die Praxis, das eigene Bewusstsein zu verändern, weltweit seit Jahrtausenden von Kulturen auf der ganzen Welt und in Europa angewendet wurde und heute noch wird, konnte man in diesem Panel sehr anschaulich erfahren, so unter anderem, welche Praktiken insbesondere im antiken Griechenland angewendet wurden, welche Rituale, Mythologien, Gottheiten mit »göttlichem Wahnsinn« in Verbindung gebracht wurden. Und es wurde die Frage diskutiert, wie denn die sozialen und politischen Reaktionen darauf lauten.

Gabriel Amezcua vom Verein Eclipse in Berlin betonte die ungleichen Ressourcen die für die Medizin zur Verfügung stehen im Vergleich zu den Bereichen Kultur und Spiritualität. Das Geld fließt vor allem in medizinische Studien mit Psychedelika, doch für kulturelle Projekte, die sich mit dem spirituellen Aspekten im Rahmen des Gebrauchs von Psychedelika befassen, ist selten Geld vorhanden. Xoan Carbon vom Projekt Energy Control in Barcelona referierte über die Bedeutung von Psychedelika in der Tanzkultur, die offensichtlich sehr groß ist. Chiara Baldini von der Universität Florenz und Mitorganisatorin des BOOM FESTIVALS in Portugal zeigte in überzeugender Weise die Bedeutung von außergewöhnlichen Bewusstseinszustände zu Beginn der Entwicklung der westlichen Zivilisation. Galia Tanay von der Universität Haifa forderte mehr Freiräume für die Entfaltung außerodentlicher Bewusstseinszustände in der heutigen Gesellschaft – auch mit Psychedelika. In der nach den Referaten folgenden Diskussion wurde offenbar, dass viele erfahrene Psychonauten im Raum waren. Entsprechen verlief die Diskussion sehr respektvoll und auf hohem Niveau.

Der erste Teil der Keta-Konferenz war sehr von wissenschaftlichen Fakten überfrachtet (grau ist alle Theorie), nur der Buchautor Norman Ohler brachte etwas Farbe in diese Veranstaltung, indem er über persönlich erlebte Ereignisse in Berlin unweit des Hackeschen Marktes berichtete. Felix Betzler von der Charité in Berlin zeigte anhand von Diagrammen, wie stark der Konsum von Ketamin in den Berliner Szenen in den letzten Jahren zugenommen hat. Tibor Harrach von der Drug-Checking Initiative Berlin referierte über die pharmakologischen Eigenschaften von Ketamin, doch dabei erfuhr man nicht viel mehr, als man in Artikel zu Ketamin in der Wikipedia (engl. Ketamine) nachlesen kann.

Auch der zweite Teil der Keta-Konferenz war von klinischen Überlegungen dominiert. Bei den zwei Keta-Konferenzen wurde zwar der Name John Cunningham Lilly und sein Buch Das Tiefe Selbst erwähnt, jedoch nicht über den Inhalt gesprochen. Lilly konnte mit Ketamin durchaus spirituelle Erfahrungen machen und hat das auch in Büchern gut dokumentiert wie in Das Zentrum des Zyklons, Der Scientist oder in Simulationen von Gott. Über die Erfahrungen, die Leute auf Ketamin machen, hörte man kaum etwas auf der Keta-Konferenz. Wer gedenkt Ketamin zu nehmen, sollte auf jeden Fall eine Fachinformation für den nichtmedizinischen Gebrauch von Ketamin lesen.

Der Konsum von Ketamin ist selbst für erfahrene Psychonautiker nicht ungefährlich und sollte deshalb aus Gründen der Sicherheit immer in Begleitung vertrauter Personen stattfinden. Selbst der bekannte Ketamin-Forscher John Cunningham Lilly musste von Freunden gerettet werden, nachdem er sich auf Ketamin in seinen Isolationstank (Samadhitank) legte, um die außerkörperliche Erfahrung zu intensivieren. Da er nicht mehr in der Lage war zu unterscheiden, ob er gerade eine psychedelische Sterbeerfahrung machte oder gerade wirklich am Sterben war, weil er mit dem Gesicht nach unten im Wasser lag, musste er von Freunden aus dem Tank gefischt und gerettet werden. Für den mit dem Stoff Ketamin erfahrenen Psychonautiker und Sachbuchautoren D.M. Turner kam hingegen jede Hilfe zu spät. Er wurde tot in der Badewanne gefunden, anbei lag eine halb leere Flasche Ketamin. Er ist unter der Einwirkung von Ketamin in seiner Badewanne ertrunken. D.M. Turner wurde vor allem durch sein Buch Der psychedelische Reiseführer bekannt. Auch Marcia Moore, die mit ihrem Gatten das Buch zum Thema Ketamin Journeys Into the Bright World verfasste, starb unter der Einwirkung von Ketamin. Die bekannte und gefeierte 50jährige Yogalehrerin ging in einer kalten Winternacht im Januar 1979 in einen von ihrem Wohnhaus nahe gelegenen Wald und konsumierte mehrere Portionen Ketamin und erfror dabei. Erst zwei Jahre später wurde ihr Skelett gefunden. Dicht dabei lagen ein paar leere Ketaminflaschen.

In der Veranstaltung mit dem Titel Nachhaltig durch die Nacht: Der ökologische Fußabdruck von Clubs, moderiert von Georg Kössler (MdA, Clubpolitischer Sprecher der Grünen in Berlin), wurden wissenschaftliche Arbeiten zur Berliner Clubszene betreffend Nachhaltigkeit vorgestellt. Auf dem Podium saßen die drei Berlinerinnen Konstanze Meyer (BUND Berlin, Clubliebe e.V., Thema: Hedonismus vs. Nachhaltigkeit, Clubgäste als aktive Konsument*innen), Hannah Mauksch (Clubliebe e.V., Thema: Studie Bewertung von Umweltschutzmaßnahmen durch Berliner Clubbetreiber*innen) und Katharina Wolf (U-Institut für unternehmerisches Denken und Handeln e.V., Thema: Nachhaltigkeit aus Sicht der Clubbetreibenden: Motivationen, Hemmnisse, Umsetzungshilfen). In den Beiträgen ging es vor allem um die finanzielle Belastbarkeit der Clubbetreibenden und um die Effizienz und mögliche Einsparungen bei den Kosten beim Umsetzen bestimmter Maßnahmen.

Samstag im Sage Restaurant und im Tresor

Der Samstag begann mit einem sehr reichhaltigen und leckeren Frühstück (Küchenchef: Konrad Lauten) im SAGE RESTAURANT, das von Sascha Disselkamp (stellvertretender Vorsitzender der Clubcommission) betrieben wird. In lockerer Atmosphäre konnten hier die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz mit den Referentinnen und Referenten diskutieren, Adressen austauschen und sich näher kennenlernen.

Nachmittags ging es dann weiter im Tresor.

Unter dem Motto Dringlichkeit des Raumbedarfes – Selbstorganisation versus Überregulierung referierten Deborah Griffith (Spiral Tribe, Paris, London), Eva de Klerk (NDSM, The city as Casco, Amsterdam), Ania Pilipenko (Holzmarkt, Bar 25, Berlin) und Steven Raspa (Burning Man, San Francisco)

Die rasante Stadtentwicklung hat einen Rückblick auf die Geschichte der genutzten Freiräume immer dringlicher gemacht. Mehr denn je müssen wir uns heute daran erinnern, was ein echter Freiraum bedeutet. In der Diskussion wurden Beispiele von selbst organisierten und realisierten Projekten aus London, Amsterdam und Berlin untersucht. In den Diskussionen wurden Erinnerungen an diese Räume vermittelt und gezeigt, wie diese Freiräume Städte prägten und welche kulturelle Perspektiven es für diese Städte gegeben hätte, wenn sie nicht durch das Engagement von Kapitalanleger oder durch überzogene ordnungspolitische Maßnahmen verdrängt worden wären.

Diverse frühere, oft von jungen Menschen geprägten Bewegungen, haben nicht selten zur zentralen Identität von Freiräumen in Städten auf der ganzen Welt beigetragen. Solche Modelle von Freiräumen, die in ähnlicher Weise in den unterschiedlichsten Städten spontan entstanden sind, entsprechen einem Bedürfnis nach kultureller Entfaltung jenseits der traditionell etablierten Kulturinstitutionen. Für die zukünftige städtebauliche Entwicklung weltweit bedeutet dies, dass für jede Generation Freiräume zur persönlichen Entfaltung ihrer eigenen Kultur Freiräume zur Verfügung stehen müssen.

Das Potenzial der Erschließung der Nacht war das Thema der nächsten Diskussionsrunde, die von Walter Wasacz (Detroit-Berlin Connection) aus Detroit moderiert wurde. Auf dem Podium saßen u.a. John Collins (Underground Resistance) und Mark Reeder (Gründer des MFS Record Labels). Detroit und Tanzkultur sind geradezu ein Synonym. Techno bringt positive Energie in den Geist und bewegt den Körper, unabhängig von Zeit und Ort. Doch – so musste man erfahren, was in Berlin kaum vorstellbar ist – ist in Detroit aufgrund einer fundamentalistischen repressiven Politik das Tanzen nach 2 Uhr morgens derzeit verboten. Die Diskussion, die jetzt von der Detroit-Berlin Connection geführt wird, zielt darauf ab, zu evaluieren, wie Politiker*innen umgestimmt werden können um lokale Gesetze zu ändern, damit rund um die Uhr mit Musik und Tanz ausgedrückt werden kann, was die Stadt am besten kann: innovative elektronische Musik im Detroiter Technostil zu kreieren um diese tanzend in Clubs zu genießen, eben eine Kultur zu erhalten und zu schaffen, die Detroit weltweit berühmt gemacht hat.

Detroit gilt weltweit als Impulsgeber in der Kreativbranche, doch seine führenden Künstler – die meisten von ihnen Afroamerikaner – müssen ihren Lebensunterhalt in Städten mit weniger restriktiven, offeneren Nachtwirtschaften in Europa und anderswo verdienen. Die Berliner Technokultur wurde maßgeblich durch Detroiter Techno beeinflusst, vor allem dank des Engagements von Dimitri Hegemann, Betreiber des Clubs Tresor.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/drogerie/2019/12/03/zur-kultur-der-berliner-clubszene/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Ich finde diesen Beitrag sehr wichtig, weil er Einblicke in die Club- und Tanzkultur von Techno in Berlin aufzeigt. Die Verfügbarkeit eine Clubtour von Mittwoch Abend bis Montag morgen zu zelebrieren, wie sie in den Neunzigern durchaus von einigen Hartgesottenen betrieben wurde, ist heute kein gängiges Modell mehr. Dennoch sind Drogen im Club allgegenwärtig. Und wer Sonntags vor der Pandemie einen Spaziergang um das Berghain herum gemacht hat, wurde sicherlich auch schon von Dealern außerhalb der Reichweite der Türsteher angesprochen. Diese Quellen sind mit absoluter Vorsicht zu genießen. Ich finde es sollten in Zukunft vielmehr feste Drug-Checking Stationen zum prüfen von gängigen Tanzdrogen in einschlägigen Clubs oder auf Open Airs zur Verfügung stehen.

    DASFAX | Techno Berlin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert