vonfini 25.08.2020

Finis kleiner Lieferservice

Eine philosophische Werkzeugprüfung anhand gesellschaftlicher und politischer Phänomene.

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…mein Fußballspiel am Samstag den 7.3.2020 wurde abgesagt. Wenige Tage später, teilte mein Fußballtrainer uns mit, dass bis aufs weitere die Trainingseinheiten nicht mehr stattfinden. Plötzlich war Corona in unserem Alltag angekommen. In unserer Familie berieten wir uns, ob es gut sei, in den Osterferien den gebuchten Türkeiurlaub anzutreten, bevor die Türkei am 13.3. ihre Grenzen schloss. Damit wurde uns die Entscheidung abgenommen. Ebenso wurde am 13.3. bekannt gegeben, dass ab diesen Tag bis zu den Osterferien keine Schule mehr stattfinden wird.

Am 16.3.2020 setzten wir uns innerhalb der Familie zusammen und erstellten einen Tagesplan für die nächsten Wochen, der uns Struktur geben sollte. Die darauf folgenden Tage liefen alle relativ gleich ab. Bis 9:30 Uhr sollten mein Bruder und ich aufstehen und bis 10:30 gefrühstückt haben. Um die ganze Situation zu verarbeiten, habe ich nach dem Frühstück immer 15-20 Minuten meditiert. Ich habe gemerkt dass das Meditieren mir sehr gut hilft. Ich wurde sorgenfreier, hatte gute Laune, war konzentrierter und fokussierter bei Dingen, wurde produktiver und habe mir Beschäftigung gesucht, wenn gerade mal nichts zu tun war. Diese Wirkung konnte ich auch direkt nach der ersten Meditation deutlich spüren.

Nach der Meditation arbeitete ich meine Hausaufgaben von der Schule ab. Im Anschluss bin ich dann Joggen gegangen und danach habe ich gelegentlich noch mein Homeworkout gemacht, um mich gut fit zu halten, da sowohl mein Fußballtraining ausfällt, als auch mein Fitnessstudio schließen musste. Mich körperlich zu verausgaben, hat mir ebenfalls dabei geholfen, meinen Frust über die aktuelle Situation loszuwerden. Für die Nachmittage haben wir innerhalb unserer Familie überlegt, wer einkaufen geht und wer kocht.

Als meine Mutter begonnen hatte Behelfsmasken zu nähen, wurde schnell klar, wie groß der Bedarf an diesen Masken im Freundes- und Bekanntenkreis ist. Da meine Mutter weiterhin arbeiten musste, brachte sie meinem Bruder und mir das Nähen bei und wir begonnen in den Osterferien eine Massenproduktion an Behelfsmasken. Mittlerweile versenden wir die Masken bundesweit und versuchen Stoff und Gummiband aufzutreiben, damit wir die Nachfrage decken können. Diese Aufgabe erledigen wir an den Vormittagen der Ferien. Für die Nachmittage haben wir einige Projekte geplant, für die wir sonst wenig Zeit und noch weniger Lust haben. Wir streichen die Türzargen, bauen Lampen und Vorhangstangen an, putzen die Fahrräder oder gehen mit einem betagten Freund der Familie spazieren.

Obwohl ich meine Freunde nicht treffen kann und wir nicht in den Urlaub fliegen konnten, ist es nicht so langweilig wie befürchtet. Dazu muss ich sagen, ich hatte bis jetzt eine schöne Zeit mit meiner Familie, aber so langsam reicht es mir auch und eine Abwechslung würde mir guttun, zum Beispiel einen zeitlich begrenzten Schulbesuch.

Von: Schüler*in der 8.-10. Klasse, Gesamtschule Bremen-Mitte

(Text C zu: Stille Zeugen – wie Kinder Corona erleben)

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