vonAline Lüllmann 01.07.2010

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Mein persönlicher Eindruck unserer Flattr-Bilanz im Juni ist, dass Leser nicht etwa die aufwändigsten Recherchen am stärksten honorieren, nicht die besten Reportagen und auch nicht die Artikel mit den besten Hintergrundinformationen unserer Fachredakteure. Am stärksten honoriert werden die Texte, in denen es gegen die Lieblingsfeinde unserer Leser geht: Neonazis, der Hochadel, die Bild-Zeitung, die schwarz-gelbe Bundesregierung. Ein kritischer Bericht über die Atomindustrie oder die Gentechnik wäre demzufolge wahrscheinlich auch gut gegangen, wenn wir so etwas im vergangenen Monat an prominenter Stelle auf taz.de gehabt hätten. 5590-mal wurden unsere Texte im Juni geflattert, dafür erhalten wir 988,50 Euro (im Mai waren es 143,55 Euro, allerdings auch nur innerhalb der letzten zwölf Tage des Monats). Hier die Hitliste der besthonorierten Artikel:

Platz 1: 31,11 Euro gibt es für einen Artikel darüber, wie eine Horst-Köhler-Satireseite unter dubiosen Umständen aus dem Netz verschwand. Ein selbst recherchiertes Stück, bei dem der Staat nicht gut wegkommt und es zudem noch um ein Netzthema geht – dafür zahlen unsere Leser offenbar gerne. Heute ist übrigens auch ein Folgeartikel erschienen.

Platz 2: 29,54 Euro gibt es für den Artikel über die hohe Roaming-Abrechnung der Telekom gegenüber BILD-Chefredakteur Kai Diekmann. Der Artikel hat nur drei Absätze und enthält keine Informationen, die nicht zuvor auch schon an anderer Stelle veröffentlicht worden wären. Der Klick zum Flattr-Knopf lässt sich hier nur über den hohen Schadenfreude-Faktor des Textes erklären.

Platz 3: 24,89 Euro ist unseren Lesern ein Artikel wert, in dem wir dokumentieren, wie in der Medienberichterstattung aus einem explodierten “Böller” auf einer kapitalismuskritischen Demonstration innerhalb weniger Tage eine “Splitterbombe” wird.

Platz 4: 20,59 Euro zahlen unsere Leser für den Hausblog-Eintrag über unsere Flattr-Einnahmen des ersten Monats. Der Blogbeitrag wurde in vielen Blogs und auf Twitter verlinkt und offenbar haben viele Gelegenheitslser die Chance genutzt, uns Geld für die allgemeine Berichterstattung auf taz.de zu zahlen.

Platz 5: 20,40 Euro erhalten wir für Teil drei der abgedrehten Vuvuzela-Kolumne von Deniz Yücel, in der er sich mit dem Reichsparteitag-Zitat bei der ZDF-Übertragung der Fußball-WM beschäftigt.

Platz 6: 16,48 Euro gibt es für einen satirischen Artikel, in dem wir Ernst August von Hannover als Bundespräsidenten vorschlagen. Unter anderem, weil er “alles andere als eine mimosenhafte Memme” ist, sondern im Gegenteil als “ausgesprochen durchsetzungsfähig, zupackend und handgreiflich” gilt.

Platz 7: 15,18 Euro zahlen die Leser für meine Vierte-Gewalt-Bilanz, in der ich mich selbstkritisch mit meiner Arbeit als Journalist und “Kontrolleur der Mächtigen” auseinandersetze.

Platz 8: 13,92 Euro erhalten wir für den Artikel über rechtsextreme Tendenzen bei einem Kreisverband der Jungen Union. Klassisches taz-Thema.

Platz 9: 8,29 Euro gibt es für die Beschreibung, wie im Internet für Joachim Gauck als Bundespräsident mobilisiert wird.

Platz 10: 7,34 zahlen die Leser uns für ein Porträt über den farblosen Gegenkandidaten Christian Wulff.

Diese Artikel gehörten auch zu den bestgeklickten Artikeln. Aber nicht alle gutgeklickten Artikel werden auch vielgeflattert. Der Klick-Spitzenreiter des Monats, der Live-Ticker über die Bundespräsidentenwahl, wurde nur 19-mal geflattert (der Text auf Platz 1 wurde 157-mal geflattert). Aber das wurde wohl eher als Chronistenpflicht-Berichterstattung gesehen, mit der man offenbar keinen Blumentopf gewinnen kann. Auf unsere Themenauswahl hat die Flattr-Bilanz übrigens – genau wie die Zahl der Online-Klicks eines Themas – keinen Einfluss: Wir entscheiden weiterhin nach der Relevanz, ob und wie groß und mit welcher inhaltlichen Zuspitzung wir über ein Thema berichten.

Für einen Flattr erhalten wir übrigens im Schnitt 17,7 Cent. Im Mai waren es noch 9 Cent. Das würde bedeuten, dass die Leser im zweiten Monat entweder weniger flatterten oder mehr Geld pro Monat einsetzten. Die taz selbst verteilt übrigens 20 Euro pro Monat über Flattr an andere Seiten.

Nachtrag 15:35 Uhr: Summe unserer Flattr-Klicks im Juni ergänzt nach einem Tipp von Florian in den Kommentaren

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https://blogs.taz.de/hausblog/flattr_bringt_uns_99850_euro_im_jun/

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