vonMartin Kaul 04.05.2011

taz Hausblog

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Wozu so ein Live-Ticker dann nicht doch alles gut sein kann. Mit insgesamt 12 KollegInnen im Außendienst und fünf KollegInnen in der Zentrale hat die taz-Redaktion am Wochenende aus verschiedenen deutschen Städten über die Feierlichkeiten, Demonstrationen und Protestaktionen zur Walpurgisnacht und am 1. Mai berichtet. In Bremen behielten wir dazu den Naziaufmarsch im Auge, in Hamburg die Auseinandersetzungen rund um die Rote Flora und in Berlin etwa die Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei in der Nacht vom 1. Mai.

Dabei berichteten wir hier unter anderem konkret von den massiven Pfefferspray-Einsätzen, mit dem die Polizei in Berlin-Kreuzberg am Kottbusser Tor ab 22 Uhr gegen teils aggressive, teils friedliche Demonstranten vorgegangen war. Unsere Reporter konnten dabei wiederholt Szenen beobachten, bei denen äußerst fraglich schien, ob der Einsatz des Pfeffersprays verhältnismäßig war: Oft bekamen am Rand stehende Menschen ganze Ladungen Spray gezielt ins Gesicht, obwohl sie sich offenkundig passiv verhalten hatten. Schießlich konnten wir auch beobachten wie Polizisten durch das provisorisch eingerichtete Sanitätszentrum stürmten, in dem gerade zahlreiche Augenverletzte von Sanitätern versorgt wurden.

Mit diesen konkreten Beobachtungen standen wir ziemlich allein da: Die Kollegen der Berliner Boulevard-Zeitung BZ, die ebenfalls einen Live-Ticker vom 1. Mai anboten, fassten die Situation so zusammen: „Die Polizei ist den Autonomen haushoch überlegen.“ Das war sicher nicht falsch. Mit welchen Mitteln sie ihnen überlegen war, schilderte die BZ dabei allerdings nicht.

Journalistische Präsenz allein nützt allerdings nicht immer etwas, um ein Bild davon zu erhalten, was sich an einem Ort abspielt – oder um Missstände anschließend auch aufarbeiten zu können. In ihrer Bilanz des Tages zogen Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch dann eine positive Bilanz – auch im Hinblick auf den Polizeieinsatz am Kottbusser Tor: „Durch eine Durchmischung mit Polizeikräften und gezieltes sowie konsequentes Einschreiten konnte bis ca. 1 Uhr die Lage beruhigt werden. Auch danach blieb die Lage ruhig“, heißt es dort.

Als Körting und Glietsch von einer taz-Redakteurin am Montag auf der Bilanzpressekonferenz auf den Pfeffersprayeinsatz angesprochen wurden, rechtfertigten beide den Einsatz des Pfeffersprays mit gezielten Angriffen auf Polizisten. Es sei nur verwendet worden, wenn Beamte zuvor gezielt angegriffen worden seien, log der Polizeipräsident. Dann sagte er noch: Grundloses Besprühen mit der beißenden Substanz würde den Tatbestand der Körperverletzung im Amt erfüllen. Ihm sei keine Strafanzeige von Betroffenen bekannt. Beweisen ließen sich die Körperverletzungen per Handyvideos.

Es dauerte nicht lang, da musste die Polizei folgende Pressemeldung veröffentlichen: Darin heißt es, dass zwei Polizeibeamte, die am Abend in zivil eingesetzt waren, Anzeige gegen ihre Pfefferspray-Kollegen erstattet haben. Wörtlich: „Nach derzeitigem Erkenntnisstand wurden sie am Abend des 1. Mai gegen 22 Uhr 45 in bürgerlicher Kleidung im Bereich des Kottbusser Tores eingesetzt, als sie plötzlich von Pfefferspray getroffen und durch Faustschläge im Gesicht verletzt wurden.“ Die taz berichtete darüber hier und kommentierte den Vorgang hier.

Es war leider nicht die Macht des Faktischen, über das wir bereits am Abend des 1. Mai auf taz.de berichtet hatten, das die Polizei dazu bewogen hätte, Ermittlungen gegen ihre Beamten aufzunehmen. Es war vielmehr der Zwang des Faktischen, dass sie diese Ermittlungen aufnehmen musste als Polizeikollegen eine Anzeige erstatteten, die nicht zu ignorieren war. Aber wer noch einmal wissen will, wie es zuging am Abend des 1. Mai, ab 22 Uhr, am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg, der kann das im Detail noch einmal nachlesen. Denn dazu erfüllt so ein taz-Ticker doch seine gute Aufgabe.

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