von 19.09.2011

taz Hausblog

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Von Jasmin Tabatabai

Jasmin Tabatabai (links) würdigte die Arbeit von Hadja Kitagbe Kaba (rechts). Foto: Rolf Zöllner
Jasmin Tabatabai (links) würdigte die Arbeit von Hadja Kitagbe Kaba (rechts). Foto: Rolf Zöllner

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der taz und des taz-Panterpreises!

Es war für mich das erste Mal, dass ich in der Panterjury dabei sein durfte, und ich muss sagen: Ich war beeindruckt. Beeindruckt von den Kandidaten und Kandidatinnen, die alle auf ihre Weise dafür sorgen, dass diese Welt ein Stückchen besser, ein bisschen lebenswerter wird.

Es ist eigentlich ein hoffnungsloses Unterfangen, all diese Menschen und ihr Engagement vergleichen oder gar in eine Rangordnung bringen zu wollen. Aber so sind nun einmal Preise und Preisverleihungen. Sie sind Mittel zum Zweck, die Anliegen bekannt zu machen. Letztlich bekommt dann jemand den Preis, der ihn verdient hat, und und ich kann nur hoffen, dass Sie alle, liebe Nominierte, vom Panterpreis profitieren und dass Ihre Arbeit dadurch ein Stück leichter wird.

Und ich darf Sie alle hier im Saal darum bitten, ihre Portemonnaies im Anschluss großzügig in die aufgestellten Sammelbüchsen zu entleeren, damit auch diejenige, die heute keinen Preis bekommen, möglichst viel mit nach Hause nehmen können.

Ich darf Ihnen bekannt geben, wer im Jahr 2011 den Preis der taz-Leserinnen und –leser erhält. Rund 7.500 Menschen haben abgestimmt, und der Sieger ist in diesem Jahr eine Siegerin:

Den Panterpreis der taz-Leserinnen und Leser 2011 erhält:

Hadja Kitagbe Kaba

Ich kann natürlich nur raten, was im einzelnen die Leserinnen und Leser bewogen hat, für Hadja Kitagbe Kaba zu stimmen. Aber eigentlich ist es nicht so schwer, darauf zu kommen.

Hadja Kitagbe Kaba kämpft gegen ein Verbrechen, dessen Dimension, Auswirkungen und Grausamkeit uns schwindeln lassen. An dieser Tradition der weiblichen Genitalbeschneidung ist einfach alles falsch.

Die Verstümmelung von Frauen, ausgeführt in der Regel von anderen Frauen, ist durch nichts zu begründen. Sie ist ein Frontalangriff auf die Gesundheit, das Sexualempfinden, das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Zu Recht ist die Beschneidung inzwischen in den meisten afrikanischen Ländern verboten. Aber sie ist eben Tradition, und wo Mauern des Schweigens Traditionen schützen, greifen Verbote zu kurz.

Hier setzt die Arbeit von Hadja Kitagbe Kaba an. In Deutschland wie in Guinea zielt sie darauf, das Schweigen zu brechen, aufzuklären und die Menschen zum Umdenken zu bewegen. Ein Umdenken, dass sie selbst erlebt hat. In dem Film, den wir gesehen haben, berichtet sie davon, wie sehr sie sich als junges Mädchen auf den Tag ihrer Beschneidung gefreut hat.

Denn Beschneidung, das heißt Aufnahme in die Gemeinschaft, Initiation als junge Frau. Alle Gesellschaften kennen solche Initiationsriten, sie gehören zum Erwachsenwerden dazu. Aber es ist eben nicht das gleiche, mit Geschenken, Musik und schönen Kleidern Jugendweihe, 15. Geburtstag, Konfirmation oder Kommunion zu feiern oder als Frau ohne Betäubung die Klitoris und die Schamlippen abgeschnitten zu bekommen oder gar gänzlich zugenäht zu werden. Das ist Folter, deren Schmerz niemals nachlässt. Aber es ist eben Tradition.

Und wie schwer Traditionen zu bekämpfen und zu überwinden sind, erfährt Hadja Kitagbe Kaba in ihrer Arbeit jeden Tag. Es ist klar, dass Veränderungen im Denken beginnen müssen. Sie können nicht von außen kommen.

Wenn wir, wie ich gerade, in scharfen Worten die Genitalverstümmelung geißeln, nutzt das überhaupt nichts. Wenn das Thema der Genitalbeschneidung selbst im ARD-Tatort angekommen ist, dann herrscht hier ein gesellschaftlicher Konsens der Verurteilung, der womöglich als neokolonialistische Überheblichkeit empfunden wird, gegen die es Traditionen erst recht zu verteidigen gelte.

Und wenn wir ehrlich sind: Die Aufklärung und ihre philosophischen Vordenker wie Immanuel Kant, auf die wir uns in unserer Kritik überkommener Traditionen ideengeschichtlich gern berufen, waren derartige Rassisten, dass die von ihnen vermittelten Werte auf dem afrikanischen Kontinent wohl kaum als Leitbild taugen können.

Wir haben daher einen Grund mehr, Hadja Kitagbe Kaba für ihre Arbeit zu danken. Sie zu unterstützen, macht es auch uns möglich, etwas zu tun. Ihre eigene Geschichte zeigt, dass nichts bleiben muss, wie es ist, dass wir zu Veränderungen in der Lage sind. Traditionen, auch wenn sie noch so tief verankert sind, können abgeschafft werden. Mit Tradition, Religion oder womit auch immer begründete Menschenrechtsverletzungen müssen nicht akzeptiert werden, ja, dürfen nicht akzeptiert werden.

Was mich an Hadja Kitagbe Kaba beeindruckt, ist die Geduld, mit der sie ihre Arbeit angeht. Sie weiß, dass sie jahrhundertelang gewachsenes nicht von heute auf morgen wird ändern können. Sie setzt an, wo die Zukunft liegt: Im Gespräch mit Kindern und Eltern versucht sie zu überzeugen, erlebt Veränderungen, erfährt Rückschläge, macht trotzdem weiter.

Ich gratuliere Ihnen herzlich zum taz-Panterpreis der Leser und Leserinnen 2011 und wünsche Ihnen von ganzem Herzen viel Erfolg.

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