vonBlogwart 10.07.2013

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Von Susanne Knechten

 

Als uns Annette und Jemi von Berliner Honig auf einem Sommerfest im letzten Jahr in einem langen Gespräch über Bienen fragten, ob wir Bienen aufs taz Dach nehmen wollten, haben wir sofort ja gesagt. Unser Dach sieht auf den ersten Blick zwar nicht  nach einem guten Standort aus, ringsrum Betonwüste, aber in der Nähe stehen für uns unsichtbar viele Linden und andere Bäume, auch eine Robinie direkt vorm taz-Haus. Außerdem hat der Gärtner von Axel Springer gleich nebenan viele Lavendelbüsche vors Eingangsportal gepflanzt. Prima, dachten wir, da machen wir gerne mit. Was uns nicht ganz klar war, dass die beiden Imker unser Dach nicht unbedingt für ihre eigenen Bienen nutzen wollten: Wir sollten uns über kurz oder lang selbst um die Tierchen kümmern. “Berliner Honig” hat es sich nämlich zum Ziel gesetzt, den Imkernachwuchs zu fördern, auch in der Stadt. Das Durchschnittsalter der Imker in Deutschland liegt bei über 60 Jahren, und vom Bienensterben haben  ja alle schon gehört. Da müssen ein paar Leute mehr her, die etwas von dem Handwerk verstehen.

Erstaunlicherweise ist Honig aus der Stadt qualitativ häufig besser als der vom Land, da im Landhonig zwar hie und da Pestizide etc. nachgewiesen werden können, beim Stadthonig aber niemals Schwermetalle vom Autoverkehr.

Noch sind wir dabei, uns ein Herz zu fassen, eine neue Liebe muss sich ja erst mal entwickeln, aber für ein paar von uns steht schon fest: Wir lernen jetzt Imkern! Das klingt doch nach einem vernünftigen Hobby, und eigenen Honig zu haben ist eine sehr verlockende Vorstellung. Im Mai haben wir also zwei Bienenstöcke von Jemi und Annette im Friedrichshain abgeholt. Natürlich wurden sie am Vorabend verschlossen, damit alle Bienen beisammen sind. Wir bekamen Ablegervölker mit Brut, aber ohne Königin. Diese sollten die neuen Völker als erstes hervorbringen. Als wir sie auf unsere begrünte Dachterrasse stellten und die Fluglöcher öffneten, fragten wir uns, wie die Bienen  in luftiger Höhe jetzt klar wohl kommen? Plötzlich hatten wir also ca 20.000 neue Haustiere. Und die Anzahl soll sich im Laufe des Sommers noch vervielfachen, wenn alles gut läuft.Zwei Wochen später: erste Deckelöffnung mit der Imkerin. Im Stock wuselt es ganz schön, ein angenehmer Duft steigt auf, und man fühlt sich nicht ganz wohl, denn man denkt, dass man stört.
IMG_3476Und dann dieses Gekrabbel auf so einer Wabe. Aber wir mussten feststellen, dass die Bienen eigentlich ganz lieb sind und sich nicht großartig um uns kümmern. Wir lernen, dass man sich immer langsam bewegen soll, dann halten die Bienen einen für einen Baum oder Ähnliches. Und man soll möglichst nicht nach irgendwas riechen, wenn man zu den Bienen geht, insbesondere sollte man nicht gerade eine Banane gegessen haben, denn das macht sie schon mal aggressiv. Wenn nämlich eine Biene mal sticht, riecht es ein bisschen wie Banane, und dieser Geruch macht dann auch die anderen ganz wild. Aber das ist zum Glück bis jetzt für uns nur Theorie. Königinnenzellen waren jedenfalls in den Stöcken zu sehen, alles schien in Ordnung.

Für uns Medienleute bekommt jetzt das Wort „Schwarmintelligenz“ wieder seine direkte und ursprüngliche Bedeutung. Diese vielen tausend Tierchen sind eigentlich ein einziger hochkomplexer Superorganismus, unterteilt in viele kleine Einheiten, die jeweils ihre kleine Aufgabe übernehmen. Wieso sie wohl wissen, was sie tun müssen? Die Drohnen und die Königin haben dabei die einfachste Aufgabe: Fortpflanzung. Die Drohnen befruchten die Königin, sie legt als einzige alle Eier,  bis zu 2.000 am Tag. Das interessante dabei ist, dass die Königin befruchtete und unbefruchtete Eier legen kann. Aus den befruchteten werden die weiblichen Arbeitsbienen, aus den unbefruchteten die Drohnen, also die Männchen. Deren einziger Lebenszweck ist die Begattung einer Königin. Wenn das mit dem „Hochzeitsflug“ erledigt ist, werden sie von den emsigen Arbeitsbienen nur noch bis zur Mitte des Sommers im Stock geduldet und dann nach und nach aus dem Stock geworfen. Spätestens im Spätsommer sind die Bienen dann ein reines Frauenvolk. Die weiblichen Bienen machen die ganze Arbeit: Sie bauen Waben, kundschaften Nektarquellen aus, teilen den anderen mit, wo sie suchen müssen, bewachen den Stock, sammeln wie die Verrückten, machen den Honig, versorgen die Brut, putzen die Behausung und sicher noch vieles mehr.

Zwischendurch dann, Anfang Juni, mussten wir hilflos ein plötzliches Inferno beobachten: Unzählige Bienen flogen um den Stock herum, machten den Himmel fast schwarz, überall Gebrumme und Gesumme, es war wie bei Hitchcock, nur eben mit Bienen und nicht mit Vögeln. Wir waren fassungslos, die Imker nicht da, und wir Anfänger dachten, entweder sie hauen jetzt alle ab oder ein fremder Schwarm (den wir zwischendurch auch mal in der Nähe gesehen haben) guckt nach, ob er noch Platz in unseren Bienenbehausungen findet.

Es stellte sich heraus, dass ein Teil eines Volkes sich tatsächlich mit einer Königin davongemacht hat. Wir hoffen, dass ein Imker sie irgendwo gefunden hat und sie wieder ein behütetes Zuhause haben. Es ist nämlich mittlerweile so, dass wegen der Varroa-Milbe, die zum Teil für das Bienensterben verantwortlich ist, ein Bienenvolk heutzutage ohne die Pflege der Imker nicht mehr überleben kann.
In dieser Woche haben wir dann noch mal in den Stock geschaut, um zu sehen, ob die Königinnen auch ordnungsgemäß Eier gelegt haben. Sie haben. Das eine Volk ist sehr stark, das andere etwas schwächer, was ja auch kein Wunder ist bei den Massen, die vor einiger Zeit das Weite gesucht haben. Unsere Bienen werden in diesem Jahr all ihren Honig behalten dürfen, erst nächstes Jahr dann werden wir, wenn alles gut geht, ein paar Kilo Honig ernten können. Trotzdem konnten wir der Versuchung nicht widerstehen, ein bisschen von dem Honig zu naschen, direkt aus der Wabe.

IMG_3478Ihr könnt euch das nicht vorstellen, noch nie haben wir so leckeren Honig gekostet. Ja ja, werdet ihr alle sagen, klar, der eigene Honig muss ja am besten schmecken und für Eltern sind ihre eigenen Kinder immer am niedlichsten. Aber es ist wahr. Der Honig hat eine deutliche Lindennote, aber es kommt noch das ein oder andere Aroma dazu. Er hat so eine besondere Würze, vielleicht kommt die ja von unserer schönen Dachbegrünung – oder von dem Lavendelfeld bei Axel Springer.

In den nächsten 4-6 Wochen übrigens bieten wir im taz-Shop Honig an. Der stammt zwar nicht vom taz-Dach, ist aber aus der Gegend und hoffentlich so lecker wie unser eigener. Annette und Jemi von Berliner Honig wählen ihn speziell für uns aus. Wir sind alle schon ganz gespannt.

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