von 01.10.2013

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Ein Leser schreibt uns:

Richtig gut fand ich heute eine kleine Meldung über die Entschärfung der Bombe in der Hubertusallee. Im Radio hatte ich gestern von den geplanten Evakuierungen gehört. Könnt ich mehr von diesen kleinen Meldungen aus den Kiezen bringen? Es gibt doch bestimmt viele Volontäre bei der taz. Vielleicht haben die auch ein Fahrrad oder noch besser: ein Fahrrad und eine Monatskarte? dpa muss ja nicht sein.

Was meinen Sie dazu: Sollten wir mehr aus den Kiezen berichten?

 

Wir könnten das machen. Themen gibt es genug, an Mitarbeitern und Fahrrädern mangelt es auch nicht. Ich frage mich jedoch, ob man sich als Leser wirklich mehr Informatioenen aus den Kiezen wünscht oder eigentlich nur Informationen aus dem eigenen Kiez.

 

Um das mal grob über den Daumen auszurechnen: Wenn man annimmt, dass ein Kiez 50.000 Einwohner hat, dann hat Berlin 68 Kieze. Bis Sie eine Meldung lesen können über die Räumung einer Bombe in Ihrem Kiez, würden Sie also auch etwas zu lesen bekommen über ein Straßenfest im Samariterviertel, den Standort einer Bushaltestelle in der Oberbaum City, einen neuen Radweg für Biesdorf, die Schließung einer Krimi-Buchhandlung in der Victoriastadt, einen neuen Park in Falkenberg, Ärger der Fahrgäste über den maroden S-Bahnhof Wartenberg, Probleme bei der Müllabholung in Blankenburg, feuchte Keller durch steigendes Grundwasser in Ruhleben, seltene Pflanzen auf Hasselwerder, Neonazis in Buch, Zuschüsse des Bezirks für ein Frauen-Fitnessstudio in Wittenau, ökologisches Bauen in einer Siedlung in Wilhelmsruh, Parkverbote im Scheunenviertel, die sinkende Auslastung einer Musikschule in der Cité Foch, den Umbau einer Schule in Schönholz, die Verleihung einer Ehrennadel für Stadtteilmütter im Helmholtzkiez, Brandschutz im Bötzowviertel, neue Vorfahrtsregelung an einer Kreuzung im Winsviertel, ein Trimm-Dich-Pfad in Treptow, eine öffentliche Toilette in der Gropiusstadt, ein Zebrastreifen im Soldiner Kiez, die ständige Nicht-Leerung eines Altglascontainers durch die BSR in der Köllnischen Heide, Fluglärm in Gatow, die 100-Jahr-Feier des Seniorentreffs im Weitlingkiez, energiesparende Sanierung öffentlicher Gebäude in Bohnsdorf, Stadtteilgärten in Rudow, Falschparker in Buckow, Überschwemmungen im Hausotter-Kiez, Unterrichtsausfälle wegen Lehrererkrankungen an einer Schule im Brüsseler Kiez, Aufbrüche von Autos in Tiefwerder, ein Kinderspielplatz im Spree-Bogen, versalzenes Essen an einem Altenheim in Lichtenrade, Baustellen-Lärm im Ostkreuz-Kiez, Insolvenz einer Firma sowie Arbeitslosigkeit von 25 Mitarbeitern in Mariendorf, Anwohner klagen über Verkehrslärm an einer vielbefahrenen Straße im Möckernkiez, Filmpremiere in einem Kino in der Siedlung Heerstraße, Vorstellung der Kandidaten für die Wahl der Seniorenvertretung im Bayerischen Viertel, Freifunker bieten öffentliches WLAN in der Dammvorstadt, Parkplatzmangel in Lankwitz, Bezirk beschließt über Bebauungsplan für ein Grundstück in der Dorotheenstadt, Ampel im Bergmannkiez wird blindengerecht umgerüstet, Anwohner klagen über Zuglärm in Lichterfelde, Schule in Kladow weitet die Kooperation mit dem Jugendamt aus, Gestank aus Abflusskanälen im Gleimviertel, Eröffnung einer Erinnerungsstele im Bismarckviertel, sinkende Kita-Auslastung im Boxhagener Kiez, Anwohner fordern häufigere Geschwindigkeitskontrollen im Grunewald, zu wenig Notdienste von Apotheken in Wilhelmstadt, Bilanz von drei Jahren Quartiersmanagement im Brunnenviertel, Bezirk sucht Ideen für die Nachnutzung eines Schulgebäudes im Leopoldkiez, Umbenennung eines Platzes in Wilhelmsruh, ein Bahndamm im Sprengelkiez entwickelt sich zu einer wilden Müllkippe, Brückensanierung in der Siemensstadt, Skatturnier in Kietz, ein Horizontalfilterbrunnen säubert Wasser in Konradshöhe, Zwangsräumung in Haselhorst, Anwohner klagen über Fluglärm in Hermsdorf, Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes in Rahnsdorf, ein Café in Bürknersfelde entwickelt sich zum Treffpunkt für Amateurfunker, neuer Spielplan eines Hinterhoftheaters im Winsviertel, eine neue App stellt Sehenswürdigkeiten im Stephankiez vor, zum ersten Mal mehr als 300 Teilnehmer des Stadtteillaufs in Staaken, zunehmender Schwerlast-Verkehr macht einer Brücke in Oberschöneweide zu schaffen, Erntedankfest in Hakenfelde, Galerie im Märkischen Viertel eröffnet, zwei Motorradfahrer bauen einen Unfall in Rosenthal, Anwohner klagen über Partylärm in SO36, Jugendfußballturnier im Plänterwald, Adlershof sucht eine Kiez-Hymne, Ladeninhaber machen sich Sorgen um Erscheinungsbild einer Geschäftsstraße in Malchow, Enkeltrick-Betrüger aus dem Nikolaiviertel muss sich vor Gericht verantworten, evangelische Gemeinde sammelt Spenden bei einem Bücherverkauf auf der Roten Insel, Eröffnung einer Biogasanlage in der Luisenstadt, Straße im Reuterkiez bleibt wegen Verzögerung von Bauarbeiten länger gesperrt, ein Krankenhaus in Biesdorf schafft 15 zusätzliche Pflege-Ausbildungsplätze, am Falkenhagener Feld wird eine Lärmschutzwand gebaut.

 

Das alles müssten wir drucken, um ein einziges Mal eine Meldung im Blatt zu haben, die sich im näheren Umfeld von 50.000 Personen um Sie herum abspielt. Wollen Sie das wirklich?

 

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https://blogs.taz.de/hausblog/lokalausgabe-berlin-sollten-wir-mehr-aus-den-kiezen-berichten/

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kommentare

  • Ich bin verwirrt. Welche Einheiten hat Berlin tatsächlich?

    Die gültigen Bezirksgrenzen – nur eine Verwaltgungssache?
    Kiezgrenzen – kartografierbar?
    Quartiers(management)grenzen – ernstzunehmen?
    Ex-Bezirksgrenzen – die dominantesten Grenzen?
    Oder die Grenzen der Ortsteile?
    Uralte Dorfgrenzen wie die von Rixdorf, wirken die immer noch? Wieso denn?
    Die einstige Ost-West-Grenze, inwieweit wirkt die noch heute?

    In welchen Bezugsgrößen denkt der oder die oder _ Durchschnittsberliner_In? In Straßenzügen, in Blöcken, Vierteln, Ortsteilen, Bezirken, ganz-städtisch, in Bundesländern? In gar keinen Grenzen? Alle unterschiedlich? Welche Grenzen sind warum sinnvoll? Kiezgrenzen, um Probleme im Kleinen loszuwerden? Stadtgrenzen, um mit großen Problemen wie dem BER umzugehen? Was ratet ihr Neu-Berliner_Innen, die die Stadt verstehen wollen? Kann dazu nicht mal jemand von euch Orientierung geben? Damit aus dieser ganzen Grenz-Kacke ein wunderschön aufgeklärtes Überblicks wird? Muss ja nicht auf Berlin beschränkt bleiben.

    • Für die Verwaltung sind die Grenzen der 12 Bezirke wichtig. Für viele Bewohner eher die alten 23 Bezirke oder die Ortsteile. Und der “Kiez” ist dann die Feinabstimmung, er besteht aus ein paar Straßenblöcken. Weder der Name noch die genaue Ausdehnung eines Kiezes sind dabei offiziell definiert.

      In welchen Bezugsgrößen der Durchschnittsberliner denkt, weiß ich nicht.

      • Gähnende Langeweile im Hausblog aktuell. Dann eben über Altes nachdenken und nach anderen Internetseiten ausschauen.

        Viel weitergebracht hat mich Ihre Antwort nicht. Ich hätte dazu lieber Antwort von einem Uwe Rada oder einem Ralf Lautenschläger gelesen. Die zwei schreiben seit Jahrzehnten über die Stadt und müssten sie in- und auswendig kennen. Ihre Zeitung ist kein Wunschkonzert, nachvollziehbar. Die zwei haben bestimmt Besseres zu tun. Dank dennoch.

  • Ihr berichtet meiner Meinung nach schon viel lokal zu Berlin. Nur nennt ihr das dann nicht lokalpatriotisch Kiez. Ihr ordnet die Berichte sinnvoll in größere Zusammenhänge ein.

    Die Serie Mein Block vor einer Weile fand ich unstimmig, weil eigentlich immer ein Bezirk oder Ortsteil vorgestellt wurde. In Berlin gibt es ja nicht nur Blöcke. In weiten Teilen stehen Einfamilienhäuser in Siedlungen und auf Grundstücken. Straßen-Blöcke mit Reihenhäusern gibt es mehr in der Innenstadt als in ganz Berlin, so seh ich das.

    Darüber, dass mein Bezirk in der Serie vorgestellt wurde, freute ich mich übrigens. Wieder etwas mehr Einblick in meine Umwelt. Um die Hubertusallee bin ich aufgewachsen. Die Meldung zu der Bombe fand ich sehr interessant, aber auch unabhängig von dem Ort. Könnte ja auch vor meiner Haustür passieren, eine Bombenentschärfung. Ich hätte dann nicht den Bedarf, plötzlich mit Massen von Menschen, die ich sonst meide, zusammenzutreffen. Über eine Meldung zur rechtzeitigen Flucht wäre ich froh.

  • Mich ärgert ein wenig, dass die Frage ja schon fast rhetorisch gestellt ist (“Wollen Sie wirklich, dass wir über das Skatturnier in Kietz berichten? Ist wohl kaum Ihr Ernst, oder?”). Ich glaube, dass die Annahme der Redaktion, es ginge um 1. Meldungen, die 2. direkt aus der unmittelbaren Umgebung (“Hyper-Lokal”) des Lesers stammen müssen, falsch ist. Was mich persönlich aber sehr interessieren würde, sind Geschichten über das Leben in der Stadt, in der ich lebe. Hintergründe zu Dingen, die ich sehe, aber nicht dahinter schauen kann. Warum gibt es in Berlin mittlerweile mehr Spielhallen als Apotheken? Ist das ein freier Markt vieler Kleinunternehmer, die ihr Geld mit tausenden Automatenspielern verdienen oder steckt vielleicht etwas anderes dahinter? Und wenn ja: wer? – Geschichten also, die die taz durchaus bringt, aber mehr davon bringen könnte. Ich persönlich glaube, dass Meldungen kein Thema mehr für Zeitungen sein sollten.

    • Spielhallen interessieren mich auch. Wie wird man die wieder los, wenn die gegen Gesetzesauflagen verstoßen? Das habt ihr ja gleich vor der Haustür. Wenn ihr den Schuster in der Kochstraße fragt, kann der euch davon erzählen, wie die Glücksstätten sein Geschäft schmälern, die Schulen dort in unmittelbarer Nähe liegen, die Kinder im Hof hinter den Casinos aufwachsen. Sehe ich mir die Straßen um die taz auf Google Earth an, lauter Casionos. Warum macht ihr eigentlich nichts dagegen? Schon gemacht und nichts gebracht? Habt ihr damit kein Problem, weil so die Grundstückspreise niedrig bleiben?

    • Das habt ihr ja gleich vor der Haustür. Wenn ihr den Schuster in der Kochstraße fragt, kann der euch davon erzählen, wie die Glücksstätten sein Geschäft schmälern, die Schulen dort in unmittelbarer Nähe liegen, die Kinder im Hof hinter den Casinos aufwachsen. Sehe ich mir die Straßen um die taz auf Google Earth an, lauter Casionos. Warum macht ihr eigentlich nichts dagegen? Schon gemacht und nichts gebracht? Habt ihr damit kein Problem, weil so die Grundstückspreise niedrig bleiben?

      • Ob das Glücksspiel in der Kochstraße die Gewalttaten von gestern angezogen hat?

        Berlins Polizei nach wurden ein 16-Jähriger und ein 23-Jähriger mit Messern schwerverletzt. Eine Gruppe unbekannter Männer hatte sie am frühen Abend nahe der Friedrichstraße an Kopf und Brust verletzt.

        Wo Glücksspiel, da mehr Kriminalität? Das wird wohl nie öffentlich aufgeklärt werden. Der Hintergrund solcher mittelschweren Gewaltdelikte verschwindet für gewöhnlich in den Gerichten und Statistiken, soweit ich weiß. Oder kann man sich irgendwo darüber informieren? Wenn, würde ich das gerne eines Tages in meinem taz-Abonnement lesen!

  • “aus den kiezen” gibt es gar nicht. dass die taz über 60 kieze für berlin finden könnte, ist ein unsinniges gedankenspiel. kiez ist ein marketingwort, eine schachtel fernab realer verhältnisse.

  • Ja.
    Das klingt doch alles interessant und verdichtet sich zu einem Bild der Welt, in der wir leben.

    Und fast alles betrifft mich mehr als die Fragen, ob vor 30 Jahren Jürgen Trittin im Impressum eines Kommunalwahlprogramms der Grünen stand.

  • Alles bis auf das mit den Neonazis in Buch hört sich für mich nach Alltag an. Wobei, würden Sie nur melden, dass es in Buch Neonazis gibt, wäre das auch zu wenig Nachrichtenwert. Dann würde ich schon wissen woll, was dort fehlt, wer schuld ist.

    Ihre Aufzählung sieht so aus, als hätten Sie die Titel der PR-Meldungen zusammengeschrieben, die Ihnen als Zeitung wohl tausendfach in die Redaktion strömen. An dem Nachrichtenwert einer Bombendrohung, die tausende Menschen gefährden kann, lässt sich nichts von dem Aufgezähltem messen.

    PR-Meldungen und Alltag nein danke.

    Lokale Nachrichten doch bitte schön. So wie heute die Reportage zu den Videoverleihen aus tazzwei. Die lokal konkret her und betrifft doch überall viele. Ich überlege derzeit, mit der Reportage zu meinem Videoverleiher zu gehen. Ich möchte ihn warnen. Er soll sich schon mal ein anderes Geschäft überlegen. Zwar ist er bereits in kleinere Räume gezogen. Das wird aber bei der Entwicklung nicht reichen.

    Ich überleg mal kurz, was mir an Lokalem aus der taz besonders in Erinnerung geblieben ist. Klar, die Geschichte mit der Ruine an der Spree mit den Menschen neben Ratten und Müll. Was für eine Geschichte. Ok, erst kurz her. Dann die Reportage zum Leben in einem Plattenbau in Marzahn-Hellersdorf, als die taz das selbst ausprobierte.
    Fahre ich jetzt an einem Hochwohnhaus vorbei, denke ich, dass ich dort auch wohnen könnte. Oder die Geschichte zu Prenzlauer Berg oder so, wo eine Journalistin das Leben dort früher beschrieb mit den Kneipen, in denen man das Geld ausgegeben habe, dass man vorher mühevoll verdiente. Denke ich heute an diese Berliner Ecke, kommt mir neben den negativen aktuellen Schlagzeilen zu Gentrifizierung diese Tiefe wieder in den Sinn.

    Ich bin mal mit einem Text aus der taz zu einer Bahnhofsmission in einem anderen Kiez als dem meinen gegangen, Lebensmittel abgeben. In dem Text ging es um ein Problem in der Bahnhofsmssion. Dort unterhielt ich mich mit den Mitarbeitern und war überrascht. Die Situation stellte sich mir genauso dar wie in dem taz-Text beschrieben. 1:1. Ich konnte sofort mitreden. Solche Artikel verbinden, ermöglichen Hilfe und was weiß ich noch was sie tun.
    Hätte ich ein aktuell eine Heizdecke, würde ich am Wochenende zu dem Flüchtlingsheim in dem einen Kiez in Marzahn-Hellersdorf fahren. Da Sie darüber berichteten. Dass in dem Haus Mütter mit Babys und kaputter Heizung leben. Das ist mir doch egal, ob das nicht “mein Kiez” ist. Wozu lebe ich denn in Berlin, um Dorf zu spielen? Lokales aus Berlin les ick wirklich jerne!

  • Mich persönlich interessiert nicht, ob im Weißensee eine Milchkanne umfällt. Schön wäre zu hören, wenn in Wedding ein Park saniert wird, wenn in der Gleimstraße ein Haus nicht in Eigentumswohnungen zerlegt wird, sondern sich eine Genossenschaft gebildet hat.
    Also: positive Nachrichten, die über den Bezik hinausstrahlen sollten.
    Es wird genug Themen aus den Bezirken geben, die für alle Berliner wichtig sind.

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