vonhausblog 02.05.2018

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Die frühen 90er Jahre waren für die taz eine turbulente Zeit und gleichzeitig Geburtstunde der taz-Genossenschaft. Mittendrin als Teil des neuen Aufsichtsrates: der Wissenschaftler, Denker und Autor Elmar Altvater, der am 1. Mai 2018 im Alter von 79 Jahren gestorben ist. An seine Zeit bei der taz erinnert er sich im folgenden Text aus dem Jahr 2016.

Ein Nachruf auf Altvater von Rudolf Walther finden Sie auf auf taz.de.

 

Die taz der kommenden Generation

Von ELMAR ALTVATER

Ich war zu Beginn des Genossenschaftsprojekts Mitglied des Aufsichtsrats, in einer ziemlich konfusen Zeit, in der die Chefredaktion der TAZ mehrfach ausgetauscht wurde und das Genossenschaftsprojekt zu sich selbst finden musste. Ich habe nur wenige erfreuliche Erinnerungen an diese Zeit, die schönsten sind noch die an den anstrengenden Aufstieg über die breite Treppe unters Dach, wo wir regelmäßig tagten.

Das war eine Umbruchzeit, kurz nach der deutschen Einigung. Zwar hieß die Rudi Dutschke-Straße noch nicht so, aber der Checkpoint Charly gleich um die Ecke vom TAZ-Gebäude war schon Museum, das in dieser Zeit kommerziell für Touristen hergerichtet wurde. Der Markt wurde Normalität, kommunistische Ideen waren out. Auch unter dem Personal der TAZ, obwohl doch einige aus der Gründergeneration glühende Vertreter des chinesischen Weges zum Sozialismus waren. Ihnen kam die Demontage der Sowjetunion nach 1991 zupass, Jelzins Bomben auf das Parlament in Moskau waren auf Linie der damaligen TAZ.

Damals sind die Konvulsionen zu wenig verstanden worden, die das Systemende des „real existierenden Sozialismus“ im „kurzen 20. Jahrhundert“ (Hobsbawms Buch über das „Zeitalter der Extreme“ kam erst 1996 heraus) ausgelöst hat: Das Ende des Sozialismus war der Beginn einer Zeit ohne Utopien, in der sich neoliberales Denken bis weit in die Linke hinein breit machen konnte. Breitbräsigkeit aber ist etwas für den Hintern, nichts für den Kopf.

Das wurde von vielen in der TAZ der 1990er Jahre, aber nicht nur dort, missachtet. Der kritische Stachel, die Nägel an der Panthertatze wurden stumpf in einem Prozess des aufhübschenden „mainstreaming“. Vielleicht ist das normal, zumal auch TAZ-Journalisten in der Medienwelt Karriere machen wollen. Was nicht wenigen von ihnen auch gelungen ist.

Das war einer der verschlungenen Wege, auf denen das Projekt TAZ Wirksamkeit in der deutschen Medienlandschaft entfalten konnte. Das war und ist auch gut so. Aber es reicht im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts nicht aus. Wie kann ein Zeitungsprojekt zur Bildung eines handlungsfähigen Subjekts beitragen, das die Krisen der Gegenwart strategisch zu bewältigen vermag? Krise der Natur, des Klimas, von Geld und Finanzen, der Arbeit, der Migrationen? Informationen, Motivation, Interpretationsangebote und vor allem: den politisch-ökonomischen und gesellschaftlich-kulturellen Zusammenhang aufzuzeigen sind die ureigenen Aufgabenfelder einer linken, kritischen Zeitung.

Es ist nicht einfach, das Abkippen in Dogmatismus einerseits und Larifari andererseits zu vermeiden und eine kritische, lebendige Linie zu verfolgen. Was nicht einfach ist, kann auch misslingen. Die Geschichte der TAZ während des vergangenen Vierteljahrhunderts ist dafür Beleg. Umso wichtiger sind die Fackeln, um die erfolgreichen Projekte der TAZ ins linke Licht zu rücken. Die TAZ hat ja mindestens weitere 25 Jahre vor sich, und in dieser Zeitspanne kann vieles besser werden. Die nächste Generation wird’s schon richten.

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