von 06.08.2009

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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taz-sagt-abWarum hat die taz bei der Fußball-WM 2006 die Durchleuchtung ihrer Reporter mitgemacht? Das ist eine der vielen Fragen, die uns in den Online-Kommentaren zu unserer heutigen Titelgeschichte “taz sagt WM-Teilnahme ab” gestellt werden. Schließlich mussten alle Journalisten, die sich akkreditieren wollten, auch damals zustimmen, dass ihre Daten von Sicherheitsbehörden überprüft werden und dass das Ergebnis dem Veranstalter mitgeteilt wird.

Diese Frage haben wir auch heute auf der Morgenkonferenz diskutiert: Wie gehen wir in Zukunft damit um, wenn so ein Prozedere zum Standard wird? Werden wir wirklich nie mehr von solchen Sport-Großereignissen berichten? Auf diese Frage haben wir noch keine endgültige Antwort gefunden. Aber wir haben uns entschlossen, damit offen umzugehen – und also auch unsere eigene Unsicherheit und Inkonsequenz offenzulegen. In der morgigen Ausgabe beleuchten wir also nicht nur, wie andere Medien mit der Frage umgehen, sondern beantworten auch eine Reihe der vielen Fragen, die unsere Leser uns als Online-Kommentar oder per Mail geschickt haben. Die Antwort auf die Frage, warum wir bei der Fußball-WM 2006 mitgemacht haben, lautet: Ja, das war ein Fehler, das war nicht konsequent. Uns war damals nicht bewusst, wie umfangreich die Daten geprüft werden und was wirklich damit passiert. Das Verfahren wurde damals zum ersten Mal im großen Stil eingeführt. Es hieß, es handele sich wegen der Größe und der Einmaligkeit der Fußball-WM auch um ein einmaliges Verfahren. Rückblickend betrachtet hätten wir das kritischer betrachten müssen und auch damals der Weitergabe der Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung von Polizei und Geheimdiensten an die Veranstalter widersprechen sollen.

Der freie Sportreporter Jens Weinreich schreibt in seinem Blog, er habe die Überprüfung “empörend” gefunden, habe sich dann aber “für die partiell feige unterwürfige Variante entschieden” und doch unterschrieben. Er stellt auch die Akkreditierungsunterlagen online (PDF, 1 MB).

Medienberichte und Reaktionen

fr-online.de: taz boykottiert die Leichtathletik-WM

dnews.de/Altpapier: Die taz ist wieder da

Deutscher Journalistenverband: DJV kritisiert Akkreditierung zur Leichtathletik-WM

heise.de: taz sagt Leichtathletik-WM ab

orf.at: Protest gegen Journalistenüberprüfung

sueddeutsche.de: Ohne taz

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https://blogs.taz.de/hausblog/inkonsequenter-wm-boykott-der-taz/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Liebes TAZ-Team,

    ich finde es großartig, dass Ihr die Leichtathletik-WM boykottiert.
    Auch, wenn dies bei einigen auf Unverständnis oder Missfallen stößt, so ist dies ein wichtiges, unverzichtbares und längst fälliges Signal gegen die verharmlosende Einstellung zur staatlichen bzw. privaten „Sicherheitsüberprüfung und der Datenbeschaffung“.
    Ich finde es vielmehr erschreckend, wie relativ wenig Unterstützung die TAZ hierfür erhalten hat.

    Ob es konsequent ist oder nicht, ist nicht (mehr) die richtige Frage, denn spätestens jetzt, muss wenigstens mit solchen Maßnahmen Aufmerksamkeit und vor allem ein Bewusstsein dafür geweckt werden, wie „weit“ wir schon gekommen sind, in unserem Überwachungswahn, der sich den Deckmantel der Sicherheit umhängt und die Bürger immer mehr einlullt.
    Dies verstehe ich als eine der wichtige Aufgaben unserer Presse, diese Aufgabe, zumindest wieder die Aufmerksamkeit zu wecken, hat die TAZ mit ihrem Boykott vorbildlich – als einzige Zeitung- wahrgenommen! Schade, dass andere Zeitungen und Journalisten/innen dieses wichtige, demokratische Gespür längst verloren zu haben scheinen!?

    Ich hoffe daher, dass die TAZ mit Ihrer Aktion wenigstens einigen Menschen die Augen bzw. einen kleinen Augenschlitz dafür (wieder) geöffnet hat, mit welch geradezu dümmlicher Gleichgültigkeit wir Datenbeschaffung und –verwaltung inzwischen hinnehmen.

    Sollte man doch meinen, dass ständige Datenskandale und -überwachungen dazuführen, den Bürger aufzurütteln und dagegen zu mobilisieren, statt dessen, „dient“ die Aufdeckung immer weiterer Datenmissbräuche und Überwachungswahn anscheinend dazu, den Bürger gegen diese „Selbstverständlichkeiten“ in seiner so anscheinenden Ohnmacht abzustumpfen – eine Paranoia, wer dahinter eine Methode vermutet?

    In diesem Sinne möchte ich Theodor Adorno zitieren:
    „Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen“. (Theodor Adorno)

    Was kann und will eine Zeitung bzw. LeserIn oder auch der/die SportlerIn und BürgerIn leisten, um diese Aufgabe gemeinsamt zu erfüllen?
    Was denkt Ihr z.B. über eine „republikübergreifende“ und zeitungsunabhängige Unterschriftenaktion ?

    Viele Grüße
    Bettina Engel-Wehner

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