von 19.09.2009

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IMG_8436“Ich kann da wenig Hoffnung machen, dass die Solidarität in der Gesellschaft steigt”, meint Julia Friedrichs. Die Journalistin hat anderthalb Jahre lang die Leute besucht, die sich selbst als gesellschaftliche Elite sehen und ein Buch darüber geschrieben. An diesem Samstagmittag erzählt sie auf der Podiumsdiskussion vor Beginn der Mitgliederversammlung der taz-Genossenschaft von ihrem Besuch in Privatkindergärten, Privatschulen wie Schloss Salem oder Eliteuniversitäten. “Wenn man die Leute dort fragt, wie es weiter gehen soll, dann sagen die meisten: Es wird Gewinner und Verlierer geben in diesem Land und wir wollen zu den Gewinnern gehören.” Die Elite wachse in dem Gefühl auf, den Staat nicht zu brauchen – schließlich zahle man für seine Bildung selbst und erarbeite sich seinen Wohlstand selbst.

Die Elite findet auch, sie leiste mehr als die anderen, hat Friedrichs festgestellt. “Dabei kennen viele niemanden, der arm ist. Man kennt Hartz-IV-Empfänger aus dem Fernsehen, da haben die dicke Bäuche und sind faul.”

Außerdem hat Friedrichs zusammen mit zwei Kollegen auch die Unterschicht besucht (und auch darüber ein Buch geschrieben). “Mich hat schon sehr überrascht, wie stark die Gesellschaft auseinanderklafft”, sagt Friedrichs. “Es gibt Schulen für Arme, in denen den Kindern gesagt wird, dass sie später bei Hartz IV landen.” Da gebe es Familien, die seit mehreren Generationen von staatlicher Unterstützung leben. Wenn man den Hartz-IV-Regelsatz für diese Familien erhöhe, dann sei das sicher nicht schlecht – “aber das würde deren Probleme nicht lösen, denn was sie bräuchten, wäre eine Perspektive”.

Es gebe immer weniger Begegnungen auf Augenhöhe, hat Friedrichs beobachtet. Und diese Ausgrenzung der Unterschichte gehe keineswegs nur von der Elite aus: “In meinem Viertel, in Kreuzberg, wird das von Linken betrieben. Die sagen, dass ihr Kind nicht auf eine Schule mit zu vielen Ausländern gehen soll.” Es gebe Eltern, die ihr Auto verkaufen und auf Urlaub verzichten, um sich die Frühförderungsenrichtung für ihr Kind zu leisten, damit das bloß in die richtigen Kreise, in die richtige Umgebung komme. Der Nicht-Aufstieg der Hartz-IV-Kinder sei dagegen vorprogramiert – auch deshalb, weil sie von der Mittelschicht gemieden werden. Friedrichs: „Es wäre schön, wenn die Leute das für sich als Aufgabe übernehmen würden. Wenn sie sagen würden: Diese Kinder sind auch unsere Kinder. Doch ich sehe, dass sie zunehmend ausgegrenzt werden und rausfliegen.“

Für Dieter Lehmkuhl, der ein Vermögen besitzt und fordert, dass dieses vom Staat höher besteuert werden sollte, geht „ein wesentlicher Lösungsweg über die Bildung“. Er sei ja in einer Zeit groß geworden, in der man mit einem Studienabschluss immer einen Job bekommen habe. Die Kinder müssten gleiche Bildungschancen haben, unabhängig vom Elternhaus. Lehmkuhl: „Sonst bleiben wir in diesen Strukturen hängen.“

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