vonmanuelschubert 09.03.2016

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Gleich zwei Texte der taz haben es auf die Shortlist zum Henri Nannen Preis 2016 geschafft.

Nach einer Pause 2015 wird der Henri Nannen Preis 2016 wieder verliehen. Diesmal in den Kategorien Reportage/Egon Erwin Kisch-Preis, Investigation, Dokumentation, Web-Reportage, Foto-Reportage und inszenierte Fotografie. 982 Arbeiten gingen für den Jahrgang 2016 ein. Ein Rekord, wie der den Preis verleihende Verlag Gruner & Jahr mitteilte.

In einem mehrstufigen Verfahren wurden die 123 besten Beiträge für die Longlists ausgewählt. Aus diesen Longlists wählten nun Vorjurys 32 Arbeiten für die Shortlists zum Henri Nannen Preis 2016 aus. Eine Hauptjury nominiert Anfang April für jede Kategorie drei Texte zur Preisverleihung am 28. April 2016. Die taz hat es mit den Reportagen „Er wird, er wird nicht, er wird …“ (Kategorie Dokumentation) und „Kühne & Sohn“ (Kategorie Investigation) in die Shortlists geschafft.

Das Bremer Logistikunternehmen Kühne + Nagel war während der NS-Zeit an der Auflösung und Verwertung von Wohnungen jüdischer BürgerInnen beteiligt, die deportiert wurden. Der Konzern, der im Dritten Reich mehrfach die Auszeichnung „NS-Musterbetrieb“ erhielt, hat sich jedoch bis zum heutigen Tag kaum mit diesem Teil seiner Unternehmensgeschichte auseinandergesetzt. Wohl auch, weil davon die Familiengeschichte der konservativen Gründer-Familie Kühne erheblich berührt ist. taz Bremen-Redakteur Henning Bleyl recherchierte seit längerer Zeit zu diesem Themenkomplex und veröffentlichte dazu Ende Juli 2015 eine umfangreiche Reportage in der taz – „Kühne & Sohn“:

Der taz gegenüber erklärte das Unternehmen, „der Rolle von Kühne+Nagel in dieser Zeitperiode“ mangele es ‘an Relevanz’. Das war im Januar, als der Konzern mit großem Aufwand sein aktuelles Jubiläumsjahr auf dem Bremer Marktplatz eröffnete. (…) Seither ist das Jubiläumsjahr allerdings anders gelaufen als von der Konzern-Zentrale geplant. Während der pompöse Bremer Auftakt noch auf positive Medienresonanz stieß, fanden die von der taz und dann auch dem Bayerischen Rundfunk recherchierten historischen Fakten nach und nach Widerhall.

Mittlerweile haben fast alle große Medien bis hin zu den Tagesthemen über die großen Deportationsgewinne der Spedition berichtet, die sich eindrucksvoll in den persönlichen Einnahme-Bilanzen von Alfred Kühne spiegeln, dem Vater des heutigen Mehrheitseigners. Frank Bajohr, Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Münchner Institut für Zeitgeschichte, attestiert der damaligen Tätigkeit von K+N eine ‘relative Nähe zum Massenmord’. Die Spedition habe ‘eine Form von Leichenfledderei’ betrieben. (…)

Als Kellen-Fellow hat Johannes Gernert, der inzwischen als Redakteur bei der Wochenzeitung Die Zeit tätig ist, einen Monat in den USA recherchiert, wie Polizei und Justiz Algorithmen zur Verbrechensvorhersage einsetzen. Anhand von Risikofaktoren werden dabei Wahrscheinlichkeiten für Straffälligkeiten kalkuliert. Doch die Mechanismen ähneln sich, egal ob es darum geht, vorherzusehen, ob jemand seinen Kredit wird zurückzahlen können oder ob ein Freigänger wieder rückfällig wird. Seine Recherchen arbeitete Gernert zu einer umfangreichen Reportage für die taz.am Wochenende aus, die am 24. Oktober 2015 erschien – „Er wird, er wird nicht, er wird …“:

Richard Berk ist ein alter weißer Mann, der dafür sorgt, dass junge, schwarze Männer länger im Gefängnis sitzen. Er tut das mit einem Computerprogramm, von dem er ganz offen zugibt, dass niemand genau nachvollziehen kann, wie es funktioniert. Berk sagt, dass er für ungeborene Babys jetzt schon mit ziemlicher Sicherheit prognostizieren könnte, ob aus ihnen einmal Verbrecher werden. Traue sich nur noch keiner. Werde aber bald kommen. Fünf Jahre vielleicht, sagt Berk. An der Wand über seinem Schreibtisch hängt eine rosa Uhr, auf der „Data Analysis Inc.“ steht. Zur Blue Jeans trägt Berk ein kurzärmeliges Hemd, fliederfarben. Seine Stimme ist tief und unbeirrbar. Gegenargumente hört er kurz an. Dann legt er wieder dar, wie es wirklich ist. Nur manchmal muss er zwischendurch kurz husten. (…)

Richard Berk ist spät im Leben Vater geworden. Sein Sohn ist siebzehn. Sie diskutieren oft darüber, welche Rolle Maschinen künftig spielen. Die Antwort, sagt Berk, laute: „Maschinen werden immer mehr Entscheidungen treffen, weil sie es einfach besser können.“ Google sammelt Daten, um daraus zu lesen, welchen Buchstaben wir als nächsten in den Suchschlitz tippen. Facebook findet mit seinen Daten heraus, welche unserer Freunde uns am meisten interessieren. Banken ermitteln, wie lange unser Geld noch reicht. Versicherungen versuchen festzustellen, wie wahrscheinlich es ist, dass wir mit 55 an Schilddrüsenkrebs erkranken. Computer zeichnen Lebenswege. Sie haben die Macht, uns zu lenken. (…)

Der Henri Nannen Preis wird am 28. April 2016 verliehen, die taz drückt die Daumen.

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