vontazlab 09.04.2011

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Von Jaisha Laduch

„Vorzeige-Troll“ Neven DuMont wird nicht an der Diskussionsrunde über Trolle und Shitstorms teilnehmen können. Er hat sich beim Fußball einige Rippen gebrochen und liegt deswegen im Krankenhaus.

„Wer sich zu DuMonts Facebook-Freunden zählen darf, der kann das alles auch über seine Status-Updates nachvollziehen. – Also ich glaube ihm das.“

Das Publikum lacht.

Mit diesen Worten eröffnet Moderator Michael Angele, Kultur-Ressortleiter der Wochenzeitung „der Freitag“, die Podiumsdiskussion „Shitstorm-Surfer, Trolle und andere Nervensägen“. Die übergeordnete Frage, die über dem Pannel schwebt lautet: „Brauchen wir eine neue Ethik für das Netz?“.

Gleich zu Beginn kommt die Frage auf, was überhaupt ein Troll ist? Und schnell findet sich im Publikum eine Antwort – „…ein Troll ist eine Figur, die im Netz herumstreunt um Missgunst und Neid zu säen.“

Angele beginnt die einzelnen Diskussionteilnehmer vorzustellen: „Zu meiner Linken, Julia Seeliger von der taz und von den Grünen… – …Sie sind doch noch bei den Grünen?“. Fast schnippisch reagiert Julia Seeliger, „Ja, ja ich bin noch bei den Grünen.“. „Und bei Twitter findet man Sie auch oder? Unter… ähm Nervensäge oder so ähnlich?“. (Anmerkung: Auf Twitter findet man Julia Seeliger unter dem Pseudonym @zeitrafferin.)

Kein guter Start in die Diskussion. Der Moderator versteht es, sich bei Teilen des Publikums unbeliebt zu machen. Zu viel Meinung, zu wenig Moderation.

Schade ist, dass der einzige Brennpunkt, die einzige echte Kontroverse des Pannels, in der Auseinandersetzung über die Moderationsleistung von Michael Angele und dem Publikum zu bestehen scheint.

Der als „Ersatz-Troll“ für „Niggemeier-Troll“ Neven DuMont, geladene freitag-Blogger Marco Herack, hält sich während der Diskussion vornehm zurück. Von offensiver Trolligkeit, zumindest auf diesem Podium keine Spur.

Auch sonst scheinen die geladenen Gäste eher auf Kuschelkurs gestimmt. Das nach brennender Emotionalität dürstende Publikum bleibt auf dem Trockenen. Der Einzige, der hin- und wieder in die Rolle eines Trolls zu schlüpfen scheint, ist der Moderator selbst.

Seeliger benennt sogenannte „Troll-Topics“ – Themen, von denen Trolle quasi magisch angezogen werden: Islam-Debatten, Diskussion um Migrationspolitik Israel oder auch Gender-Diskussionen.

Im Blog der Mädchen-Mannschaft wird eine eher restriktive Kommentarpolitik verfolgt, „und das ist auch gut so“, stellt die SPD Social-Media-Managerin, Theresa Bücker fest. Nur so können konstruktive Diskussionen entstehen, in einem Umfeld das sich intensiv mit der Genderthematik auseinandersetzt und regelmäßig von „Maskulinisten“ und frauenfeindlichen Trollen heimgesucht wird.

Der Moderator stellt die Frage, ob es denn möglich sei, Trolle zu erziehen?

Theresa Bücker, deren Gedanken sich auch auf Twitter unter @fraeulein_tessa verfolgen lassen, lacht charmant auf und dabei kräuselt sich ihre Nase ein bisschen. „Ja, das geht – ich hab Erfolgserlebnisse mit Trollen, ja.“. Dabei bezieht sie sich auf ihre Zeit als aktive Freitag-Community Managerin.

Das Thema „Shitstorm“ wird nur am Rande aufgegriffen. Sascha Lobo habe den Begriff geprägt und nach eigenen Angaben auch mehr als 30 dieser Shitstorm-Attacken überlebt. Spannend wird es, als Julia Seeliger das Thema aufgreift und die Idee des „goldenen Shitstorms“ in den Raum wirft. Ein Shitstorm, der durch seine geballte Kraft Positives bewirken kann. Dennoch ist man sich auf dem Podium schnell einig, dass reale Proteste eine andere Größe haben und nicht mit der Zeitweiligkeit, der die Netz-Proteste unterliegen, vergleichbar sind. Aber das Netz scheint sich wunderbar dafür zu eignen, um gemeinsam online, Offline-Aktionen zu organisieren und ins Leben zu rufen.

Das ist auch ein Kernelement des ganzen Diskurses: Trolle, Shitstorms, agressive Kommentare, Cyber-Mobbing… das alles hat es auch schon vor Zeiten der intensiven digitalen Vernetzung gegeben. Das Netz hat lediglich das Potential diese Effekte zu kanalisieren, zu verstärken und somit schneller an die Oberfläche zu holen.

Der im Publikum sitzende Politblogger Michael Seemann (auf Twitter unter @mspro zu finden) berichte, wie er auf einem der vorherigen Pannels neben einer älteren Frau stand, welche die Äußerungen der Referenten in regelmäßigen Abständen mit einem abfällig-gezischten „Schwachsinn, Schwachsinn…“ kommentierte.

Man sollte dem trügerischen Gedanken, das Netz sei ein neuer Raum, der einer neuen Ethik-Ordnung bedürfe und in dem keine echten und nachhaltigen sozialen Verbindungen möglich sein, nicht aufsitzen. Das Netz ist ein Ort wie jeder andere öffentliche Platz auch, sei es ein eine Diskussionsveranstaltung auf einem Medienkongress, eine Bahnhofshalle oder ein Schulhof.

Mit vielleicht dem einzigen, aber entscheidenen Unterschied, dass die vermeintliche Anonymität es leichter macht, im Netz ethische Grenzen zu überschreiten und eine Schnelligkeit und Massivität mit der Themen an die Diskussionoberfläche schwappen können, andere, an die Gegebenheiten und Strukturen des Netzes angepasste, Reaktionen erforden. Die „trolligen“ Verhaltensweisen sind bereits aus dem „echten Leben“ bekannt, nur im Netz werden sie nur auf eine andere Art und Weise sichtbar.

„Und wenn ich nachts durch Neukölln oder Wedding laufe und da von Jungs mit Migrationshintergrund getrollt werde, dann sage ich ‚Schön mit dir zu quatschen’ und gehe nach Hause.“. Immer wieder stützt Julia Seeliger ihre These, man solle Trollen mit einer gesunden Portion Abgeklärtheit begegnen, durch Beispiele aus dem echten Leben gegriffen. Dem Offline-Dasein, denn auch da finden sich Trolle.

Die zwischenzeitige Forderung des Moderators nach dem Wegfall völliger Anonymität im Netz, wird vom Publikum nicht unterstützt. „Ja, du kannst dich auch mit deinem Klarnamen wie ein Idiot benehmen.“, denn „man braucht keinen Phantasienamen um ein ausgezeichneter Troll zu sein“.

Theresa Bücker ist sich dennoch sicher, wir brauchen keine übergeordnete Netz-Ethik. Trolle leben davon, Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Grundregel „Don’t feed the Trolls“ scheint eine geeignete Maßnahme, den trolligen Netzbewohnern mit einem notwendigen Maß an Abgeklärtheit gegenüber zu treten.

Manche Communities gleichen in ihrer Betreuungsintensität, der eines Heims für betreutes Wohnen. Doch erst eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Community, zeichnet einen guten Community-Manager aus, so Bücker.

Die „Regel“ vor dem Posten eines Kommentars oder eines Artikels noch einmal innezuhalten, lässt sich übrigens nicht nur auf Trolle anwenden, sondern auch auf das echte Leben.

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