von 22.11.2009

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Extra wärmende Kamindecke aus reiner Öko-Schafwolle, nicht nachbehandelt, für 249 Euro
Wärmende Kamindecke aus reiner Öko-Schafwolle, nicht nachbehandelt, für 249 Euro
taz-Leser Severin Michel aus München ärgert sich über den Katalog mit den neuen Angeboten aus dem taz-Shop. Dort gibt es etwa eine Kamindecke aus reiner Öko-Schafwolle für 249 Euro, eine Parmesanreibe aus rostfreiem Edelstahl für 30 Euro, einen Bademantel aus reiner Baumwolle in geprüfter Ökotex-Qualität für 68 Euro, einen Gürtel aus gebrauchtem Feuerwehrschlauch mit Koppelschnalle für 39 Euro oder ein Tourenrad mit 8-Gang-Schaltung für 1.599 Euro (zuzüglich 15 Euro Versandkosten). Severin Michel schreibt:

Liebe TazlerInnen,

Westhofener Riesling, 6 Flaschen für 89,40 Euro.
Riesling, 6 Flaschen für 89,40 Euro.
es passt ins Bild, dass der Katalog des taz-Shops fast ausschließlich Schickeria-Produkte anbietet, die zwar p.c. sein mögen, aber doch nur die neureiche bürgerliche High-Society als Zielgruppe ansprechen. Wenn ich mich zurückerinnere als ich mit 18 Jahren die Taz abonniert habe, da hätte ich mich nicht nur nicht angesprochen gefühlt, sondern sogar abgestoßen. Womit wollt ihr Jugendliche ansprechen? Wodurch neue Leser gewinnen? Durch eine Pimmel-Fassade? Das kann die Titanic besser! Ihr seid ebenso ne Besserverdienenden-Zeitung geworden wie die Grünen ne Besserverdienenden-Partei. Schade nur, dass das eure Redakteure und freie Mitarbeiter nicht zu spüren bekommen. Deshalb mein Wunsch an euch: Mehr Jugend ansprechen, weniger Schickischicki-Reise & Shop-Teile.

Liebe Grüße
euer seit 11 Jahren treuer (aber immer frustrierterer) Abonnent
Severin Michel (München)

Tomatenmesser aus 18/10 Edelstahl mit ergonomischem Griff (Design: F.A. Porsche) für 49 Euro
Edelstahl-Tomatenmesser mit ergonomischem Griff (Design: F.A. Porsche) für 49 Euro
Ich persönlich sehe das grundsätzlich anders als Severin Michel. Für mich ist der Shop ein Teil des Solidarmodells der taz: Als kleine und chronisch unterfinanzierte Zeitung setzen wir darauf, dass gutverdienende Leser sich stärker beteiligen. Das sieht man etwa bei den Abo-Preisen: Es gibt einen ermäßigten Preis, einen Normalpreis und den höheren “Politischen Preis”, den immerhin 22 Prozent der Leser freiwillig zahlen.

Japanische Hatsuru-Schere zum Schneiden von Kräutern, 45 Euro
Japanische Hatsuru-Schere zum Schneiden von Kräutern, 45 Euro
Oder die Genossenschaft: Die taz hat in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten jedes Jahr einen Verlust gemacht. Diesen Verlust trägt die Genossenschaft. Die Genossenschaftsversammlung wählt außerdem einen Aufsichtsrat, der den Vorstand der taz überwacht und die taz-Verlagsgeschäftsführer mitwählt (siehe auch Organigramm der taz [PDF], Satzung der Genossenschaft [PDF]). Mitglied in der Genossenschaft kann allerdings nur werden, wer mindestens 500 Euro einzahlt. Wer sich das nicht leisten kann, darf nicht mitbestimmen. Das ist natürlich völlig undemokratisch. Aber so sind über die Jahre 8,2 Millionen Euro zur Finanzierung der taz zusammengekommen.

Milchaufschäumer aus Edelstahl mit mattgebürsteter Oberfläche für 29 Euro
Milchaufschäumer aus Edelstahl mit mattgebürsteter Oberfläche und taz-Logo für 29 Euro
Das gleiche Ziel hat der taz-Shop. Wenn es Leute gibt, die bereit und finanziell in der Lage sind, 49 Euro für ein Tomatenmesser zu bezahlen oder 34 Euro für das Stiftemäppchen “Kafka” aus dem Leder süddeutscher Rinder (inklusive echtem Grafitstift), dann freut mich das. Auch wenn diese Produkte in der Tat nur wenig geeignet sind, um damit Jugendliche anzusprechen oder sonst viele neue Leser zu gewinnen. Aber dazu haben wir auch etwas viel Besseres im Angebot: die tageszeitung. Ein Probeabo über 5 Wochen kostet übrigens nur 10 Euro (und endet automatisch). Das Abo gibt es bereits ab 23,90 Euro im Monat (das ist der ermäßigte Preis – wer ihn zahlen will, muss uns übrigens weder irgendwelche Nachweise liefern noch sich sonst irgendwie rechtfertigen). Diese Angebote rechnen sich natürlich nur, weil sie von besserverdienenden taz-Lesern mitfinanziert werden – indem diese den höheren Abo-Preis zahlen, sich an der Genossenschaft beteiligen oder die tollen Produkte aus unserem Shop kaufen.

Sebastian Heiser ist Redakteur im Berlin-Ressort der taz

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https://blogs.taz.de/hausblog/warum-ist-der-taz-shop-voller-schickeria-produkte/

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kommentare

  • Jaja, schon klar, wer viel Geld verdient ist automatisch ein verdammtes Kapitalistenschwein und kann sich gar nicht legitim für soziale Gerechtigkeit einsetzen…

  • immerhin habe ich etwas mehr über die Menschen erfahren, die die taz kaufen. An arroganter Verlogenheit kaum zu überbieten. Ein Grund mehr, dieses Blatt nicht mehr zu kaufen.

  • Das ist eine absolute Wohlstandsdiskussion. Wenn das Angebot des taz-Shops relevanter ist, als das, worüber die taz berichtet, dann ist das für mich ein Ausdruck von unglaublicher Dekadenz und Ignoranz.

  • Ist es symptomatisch für die heutige Studentenschaft, dass sie die Qualität einer Zeitung nach deren LESERN beurteilt, die sie wiederum danach beurteilt, welche Produkte im taz-Shop für sie angeboten werden? Also so ganz ohne Gebrauch der eigenen Urteilsfähigkeit? Bitter.

    Ich finde es übrigens durchaus sinnvoll, dass man im taz-Shop überwiegend nachhaltige Produkte kaufen kann. Also solche, die zwar einen gewissen Preis haben, aber eben durchaus auch eine korrespondierende Qualität – und ein qualitativ hochwertiges Messer für 10 EUR gibt es auf der ganzen Welt nicht.

    Aber vermutlich findet der ein oder andere Hitzkopf die taz auch deshalb doof, weil sie es überhaupt anbietet, dass reiche Schnösel ein politisches Abo abschließen können.

  • Moin!

    Oh Mist…jetzt steh’ ich auf’m Schlauch!

    Mir ist nämlich gerade aufgefallen, dass mir der redaktionelle taz-Inhalt seit geraumer Zeit immer weniger gefällt (Mein persönlicher Grusel-Favorit: “Ist Autos anzünden politisch?”…alleine für die Fragestellung müsste der verantwortliche Redakteur – oder die Redakteuse – schon zur Strafe vier Wochen lang die BLÖD auswendig lernen und dann am Stück seiner oder ihrer Redaktion vortragen).

    Die Produkte finde ich allerdings (zumindest teilweise) ziemlich cool…bin ich jetzt konterkonterreaktionär? Muss ich mir da jetzt Gedanken machen?

    Ich glaube nicht…immerhin ist mir doch noch rechtzeitig aufgefallen, dass es ja auch eher die Porsches sind, die angezündet werden…und wenn man dann mit einem entsprechenden Tomatenmesser am Klassenfeind gleichzeitig seine Marge machen kann, schlägt man doch auch gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche.

    Ihr seid aber auch Strategen…!

    Don

  • Herr Heiser, Ihre Argumentation funktioniert nur, wenn sich der Verkauf der teuren Artikel auch deutlich für die taz lohnt. Nun liegt die Kommission bei einem Messer von Porsche für 49€ sicherlich höher als bei einem No-name Modell für 10€ – aber in erster Linie verdient der Hersteller des Messers. Wenn es Ihnen um einen Zuschuss zum Tagesgeschäft der Zeitung geht, müssten Sie das 10€-Messer mit dem Logo der taz bedrucken und für 20€ verkaufen, was sicherlich mehr Geld in die Kasse spülen würde. Ansonsten bleibt nämlich nur Ihre Freude über Leute, “die bereit und finanziell in der Lage sind, 49 Euro für ein Tomatenmesser zu bezahlen”.

  • Man fühlt sich unwillkürlich geneigt, Uli Hoeness zu zitieren:

    “Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid? Es kann doch nicht sein, dass wir kritisiert werden …. Was glaubt ihr denn eigentlich, was wir hier machen? Damit wir euch für sieben Euro in die Südkurve gehen lassen können? Wer glaubt Ihr eigentlich, wer Euch alle finanziert? Die Leute in den Logen, denen wir die Gelder aus der Tasche ziehen.”

  • Ich finde sowohl Abopreise als auch Shop-Angebote völlig in Ordnung. Hier gilt doch wohl, was überall anders auch gilt: wen’s nicht interessiert bzw. wer’s nicht haben will, kann ja einfach weiterklicken. Nicht wahr?

    @Hans: IGITT! Familien mit (oh Gott, womöglich mehrsprachigen) Kindern! Und auch noch welche, die (oh Gott, womöglich sogar gutes) Geld verdienen. Ekelhaft, sowas. /ironie off.

    PS. Ja, ich habe deine Überzeichnung durchaus verstanden, finde diese Art von vermeintlich linksintellektuellem (und soooo weltoffenem, toleranten) Herunterspucken auf Leute mit gewünscht anderem Lebensstil einfach nur peinlich. Du fährst Bus, ich fahr Bahn – komm, lass uns Autos anzünden! Pfffft.

  • “Parmesanreibe aus rostfreiem Edelstahl für 30 Euro”, ich bin mit dem Shop sehr happy. Den Preis finde ich auch OK. Wie “Hans” auch schrieb, freuet sich ja jeder als Student über solche Testangebote von 10€, wer denn nicht?

    Gruß
    Anja

  • Ich kann das gejammer garnicht verstehen.
    Wenn die TAZ jetzt auf diese sogenannten “Schickeria-Produkte” versichtet,welche zT einfach dafür sorgen, das es sie überhaupt noch gibt.Stichwort Finanzierung.Dann wäre das Geschrei auch laut.Wenn der Verlag sie einstellen würde und die Rechnung mit vielen billigen würde man auch Geld verdienen.Hinkt in soweit,das es ja auch Käufer dafür geben muss und wenn ich jetzt die Argumente der Gegner nutze.Dann muss ich sagen, die leute welche diese Produkte kaufen sollen haben doch eh kein Geld.Also seit mal froh, das sich die Taz wenigstens was überlegt ihr Tagträumer.

  • “Hurra, hurra! Wir haben ein tolles Projekt am Laufen und scheiß drauf, dass das Geld nicht reicht, weil die Erlöse aus dem Kuchenverkauf beim Flohmarkt im Kindergarten gleichmässig mit den anderen Projekten für Afrika und Südosteuropa gedrittelt werden.” Aber mal ganz ehrlich: Wie glaubwürdig wäre denn eine taz, wenn wir sie nicht aus Spenden, Einlagen linker Genossen und den Erlösen aus Flohmarktverkäufen finanzieren würden? Warum sollte man auch auf die Idee kommen die Marke TAZ so aufzustellen, dass ein Teil ihrer Zielgruppe, nämlich die in die Jahre gekommenen Fundis, sowie die Realos, also kurzum die gutbetuchten Bessermenschen und Besserverdienenden, über einen Lifestyle-shop bedient wird? Also macht euch mal nicht in die Hose. Ein Projekt wie die TAZ wirtschaftlich in den Ruin zu treiben, nur weil Glaubwürdigkeit im Nonkonformismus finanziellen Misserfolg bedingt, ist der falsche Ansatz. Wenn euch daran liegt, dass sowas nicht passiert, tut was: Fangt an den politischen Preis zu zahlen!

  • Die etwas begüterteren taz-Leser sollten gleich bei Manufaktum kaufen. Das wäre ehrlich, denn da kommt die gute (!) Idee mit den besseren Dingen ja her. Schließlich ist die taz kein Kaufhaus.
    Die weniger Begüterten werden weiterhin (stolz?) bei Kik und Aldi ihren Müll einkaufen.

  • @Karl:
    Bei allem Respekt, die Argumentation ist doch dürftig. Entweder, die Artikel taugen aus deiner Sicht etwas, oder sie taugen eben nichts. Dabei ist es doch vollkommen irrelevant, wer diese hauptsächlich liest. Es wäre ziemlich blöd gute Artikel nicht zu lesen, nur weil diese vielleicht auch von vielen bösen, bösen Szeneökos mit Elitekindern gelesen werden.

  • Ist es nicht genau das, worum es der neuen Linken geht – die Kapitalisten stärker zum Aderlass zu führen? Und wenn das dann im Shop der TAZ passiert, schreien Sie alle laut Kapitalismus.

    Mir fällt dafür nur ein ganz anderes Wort ein: Süß!

  • Geld brauchen alle! Selbst die Taz. Gleichzeitig den Kapitalismus verurteilen und High End Produkte verkaufen die auf die bösen Kapitalisten zielen is dann schön merkwürdig! Aber Gled stinkt ja bekanntlich nicht!

  • @Hans: Es ist ja nicht so, dass man keine billigen Produkte verkaufen kann, nur weil man auch teure verkauft. Für den kleinen Geldbeutel bietet die taz etwa 60 Anti-AKW-Aufkleber für 3 Euro oder zehn Postkarten für 5,00 Euro oder einen Schlüsselanhänger für 5,50 Euro. Aber wenn jemand die taz unterstützen möchte, indem er seine Kamindecke aus Öko-Schafwolle lieber bei uns kauft als anderswo und dafür gerne auch ein paar Euro mehr bezahlt – sehr gerne. Nur dadurch, dass die taz auch gutverdienende Leser hat und die ihr Geld der taz geben, können wir günstige Probeabos und subventionierte Abo-Preise für Geringverdiener anbieten. Und damit das, um was es uns eigentlich geht: Eine gute Zeitung für möglichst viele Menschen zugänglich machen.

  • Natürlich freue ich mich als Student über solche Testangebote von 10€ – sowas spricht mich an, vor allem weils wirklich nicht teuer ist, ich mehr als zwei Wochen Zeit habe und es automatisch endet. Also das ist der gelungene Part.

    Als ich aber letztens dieses seltsame taz-Shop-Zeugs als Beilage gesehen habe, ist mir echt die Kinnlade runtergklappt. Sicherlich: manche aus der Leserschaft mag es ansprechen. Aber irgendwie erscheint es mir verlogen, wenn am Ende des ganzen dann die T-Shirts “LOHASS – Ich bin keine Zielgruppe” zu finden sind. Das Prospekt hat ja gerade das Gegenteil bewiesen.

    Und gerade für mich als jemand, der euer Abo testet, sind solche Sachen die Feinheiten, die zur Entscheidung: “dauerhaftes Abo oder nicht” führen. Und für mich als Studenten, der sich naturgemäß nicht mit einer Kamindecke für 250€ anfreunden kann, stellt sich das Gefühl ein: die taz-Leser, die haben die Kohle für sowas, will ich wirklich die Texte lesen, die für die geschrieben werden? Sind das nicht die gleichen Idioten, die mitten in den Kiez ziehen, weils so Szene ist, und dann meiner Lieblings-Siff-Kneipe sagen, sie sollen leiser machen, weil die Bälger, die in die Kamindecke eingerollt sind und noch ihre dreisprache “Du bist Elite. Du bist Elite. Du bist Elite.”-Vers zum einschlafen hören, gestört werden.

    Ich glaube, es wäre nichtmal das Problem, wenn man ein paar von den Produkten drin hat. Aber das kann doch nicht der Fokus sein. Und übrigens: 700 Käufer von taz-Sneakers für 20€, bei denen 4€ Gewinn entsteht sind doch besser als 10 Käufer einer taz Decke, bei der 50€ Gewinn entstehen.

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