vonHelmut Höge 02.10.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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“Ist Arbeitslosigkeit ein Schicksal, das sich vererbt?” fragt die BZ heute ganz groß auf ihrer Titelseite – und bringt dazu erst einmal eine Reportage, die so beginnt:

“Rund 330 000 Familien leben in Berlin vom Arbeitslosengeld II. Zu ihnen gehört auch Famlie K. aus Lichtenberg.
Sie bezieht Stütze vom Staat in drei Generationen. Die BZ erzählt ihre Geschichte und fragt stellvertretend: Ist Arbeitslosigkeit ein Schicksal, das von den Eltern auf die Kinder übertragen wird?”

Die Mutter und ihr Mann hatten vor der Wende ein Kino in Hellersdorf, das “Venus”. Es ging nach der Währungsunion pleite. Dort hatte auch ihr Sohn Mario als Filmvorführer gearbeitet, er ist seitdem ebenfalls arbeitslos. Zur Zeit “arbeitet er ehrenamtlich als Hausmeister. Mario: ‘Ich hoffe, dass es mal ein richtiger Job wird’.”

Ist die Arbeitslosigkeit eine Erbkrankheit? Und wenn ja, vom Individuum oder von der Gesellschaft – dem  Kapitalismus? (Wer Arbeitslose hat braucht keine Stasi – meinte Heiner Müller) Es gibt jedoch noch ein weiteres Problem dabei – und das legt der BZ-Aufmacher ebenfalls nahe: Ist die Hausmeisterei, zumal die ehrenamtliche, nur eine verdeckt vererbte Arbeitslosigkeit? (Jeder Hausmeister in der DDR war doch Stasi – meinte ebenfalls Heiner Müller)
Der Spiegel von heute kann zur Beantwortung dieser Fragen auch was beitragen: In seinem Artikel über den Aufstand der Armen aus den Favelas von Sao Paulo im Mai, Juni und Juli 2006, bei dem hunderte ihr Leben verloren – und den man dort “Winter des Todes” nennt. Die Ursache bzw. den “Anlaß” für den Aufstand sieht der Spiegel jedoch nicht in der drückenden Armut der Favelabewohner und auch nicht im unverschämten Luxus der Reichen in der Stadt, sondern:

“Der Aufstand der Unterwelt brauchte einen Anlass, und den gab ein ehemaliger Hausmeister. Der Mann war im Parlament zuständig für die Lautsprecheranlage und schnitt im Frühjahr dieses Jahres eine Diskussion mit. Zwei ranghohe Polizisten erläuterten, wie man mit dem Verbrechersyndikat PCC verfahren würde. Nämlich die inhaftierten Gangsterbosse in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegen, nach Presidente Venceslau, knapp 600 Kilometer entfernt von São Paulo, an der Grenze zum Bundesstaat Mato Grosso do Sul. Der Hausmeister brannte zwei CDs und verscherbelte sie für 200 Reais, 70 Euro. Die mit Mobiltelefonen ausgestatteten PCC-Bosse konnten sich in ihren Zellen die Vorschläge in aller Ruhe anhören, in einer Telefonkonferenz. Den ganzen Plan. Er gefiel ihnen nicht. Sie gaben das Zeichen zum Angriff.”

All das ist reichlich verworren. Zum Glück ist heute auch die neue Ausgabe der renommierten US-Zeitschrift “Nature” erschienen. Und dort jubeln zwei Wissenschaftler der Universität Harvard, wo die großen PCCler alle ihre Töchter und Söhne studieren lassen: “Endlich haben wir das Social Welfare Gen isoliert!” Es heißt irgendwas mit D266F1 – und sorgt dafür, das bei seiner Aktivierung der oder die Betreffende keinen Bock mehr hat – auf nischt! Stattdessen wird nur noch Fernsehen oder Porno gekuckt (was das selbe ist) und nach Sendeschluß gevögelt wie blöd, natürlich ohne dabei zu verhüten. Die Folge:  Jede Menge Kinder, die auch alle das Gen D266F1 oder so haben, das sie bei der kleinsten Kleinigkeit – z. B. wenn die Colaflasche alle ist – aktivieren. Es aktiviert sich, muß es natürlich heißen. Wahrscheinlich, so vermuten die US-Forscher, reagiert das Gen auf eine Mischung aus Coke und Mentos (siehe dazu die diversen Experimente in Google).

So weit ist alles klar, nur was spielt der Hausmeister dabei für eine Rolle? Folgt man BZ und Spiegel ist er das Missing Link zwischen den Millionen Armen und Couch-Potatoes auf Stütze, Drogen, Pornos etc. und den zu allem entschlossenen Gangstern, dem Untergrund. Dafür spricht auch meine Erfahrung in Manila, wo die Reichen in Gated Communities leben – bedient und bewacht von Armen. In der Gated Community, wo der Leiter des dortigen Goetheinstituts lebte, schrieb sich der Hausmeister z.B. alle seine Gäste auf – ihre Automarke, ihre Autonummer, Name, Adresse etc.. Die Liste verkaufte er anschließend an eine Verbrecherbande. Bei einem Künstlerehepaar in einer anderen Gated Community stand der Hausmeister Schmiere, als eine Bande deren Wohnung ausräumte – bis hin zu den kupfernen Dachrinnen.

Genug! Wir müssen es einsehen: auf die ganze Freiheit ist geschissen. Es kömmt auf die Gleichheit an!  Wer an der Gleichheit herumdoktert – und z.B. für inner- oder außerbetriebliche Gehaltsspreizung plädiert, der trägt seinen Wanst ständig in Schußhöhe!

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/10/02/das-hartz-iv-gen/

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kommentare

  • In Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones gibt es ein “missing link” zwischen Soldiers (Soldaten) und Rebels (Partisanen) – das ist ihre zunehmende Ununterscheidbarkeit. Die Leute sprechen deswegen dort von “Sobels”.

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