vonHelmut Höge 25.10.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Die taz hat es auf inzwischen drei Aufzüge gebracht, dadurch dass das Archiv und der taz-shop in das Bürohaus gegenüber ausquartiert wurden, wo es zum Archiv einen altmodisch-rumpelnden Fahrstuhl mit Spiegeln gibt und ins Lager des taz-shops einen riesigen Lastenaufzug zum Hof hin. Der Fahrstuhl im taz-Haus ist von der Firma Oting, die ihn auch wartet.

Bei der letzten Generalüberholung brachte sie ein Schild mit neuen Nutzerdaten an: Er ist jetzt nur noch für zwölf statt dreizehn Personen ausgelegt, ihre Gesamtkilozahl blieb jedoch die gleiche: 1000 kg. Wahrscheinlich ging der Otis-Wartungsdienst einfach davon aus, dass die taz-Mitarbeiter mit den Jahren immer fetter geworden sind. Ergo dürfen immer weniger Leute auf einmal den taz-Aufzug benutzen, wenn man ihn nicht überlasten will.

Vor einiger Zeit hing ein Zettel mit der Aufschrift “Fahrstuhlkritik” im Aufzug, er wurde aber zwei mal abgerissen. Wahrscheinlich war jemandem das Wort “Kritik” übel aufgestoßen. Im vierten Stock hängt über einem Redakteursschreibtisch der Spruch “Wenn ich eins nicht ab kann, dann ist das Kritik!”

Ich selber hatte am “Fahrstuhl” einmal kritisiert, dass er noch vor den ersten Hochhäusern erfunden wurde. Er schien mir damit die Marxsche Lehre zu widerlegen, wonach Erfindungen immer dann gemacht werden, wenn die Produktivkräfte danach verlangen – d.h. wenn sie gewissermaßen reif dafür sind. So gesehen ist der Fahrstuhl quasi Antimarxist.

Im Berliner Buchladen “pro qm”  fand neulich eine Veranstaltung mit Andreas Bernard statt, der gerade eine kulturwissenschaftliche “Geschichte des Fahrstuhls” veröffentlicht hatte (im Fischerverlag). Ich weiß nicht, ob er sich darin auch über diese These ausgelassen hat. Zuvor war bereits das  üppig bebilderte Fahrstuhlbuch “Vertikal” erschienen – von Vittorio Manano Lampugnani, sowie “Die Geschichte der vertikalen Eroberung” – von Jeannot Simmen. Ferner ein Buch über Aufzugsängste: “Verstehen und bewältigen” von Isaac Marks. Vergeblich bat die taz-Hausmeisterei das Archiv, endlich die Zeitschriften “Elevator World” und “Liftreport” zu abonnieren. Auch Theodor Englers Standardwerk “Der Aufzugbau” (1972) und George Strakoschs Werk “Vertical transportation” (1983) gibt es noch immer nicht in der taz mit ihren wie gesagt drei Elevatoren.

Nur einmal war die Berlinredaktion am Thema interessiert – als 1998 das Buch “Fahrstühle in Berlin” erschien. Während es die Medienredaktion ignorierte, dass heute der SWR einen Film zeigt – über “Die Geschichte der Aufzüge im Land” – “im Ländle” müßte es genaugenommen heißen, denn in der Vorankündigung heißt es: “Der Film erzählt die Geschichte vom unaufhaltsamen Aufstieg der Fahrstühle. Er erzählt aber auch die Geschichte der Menschen, die mit Aufzügen zu tun hatten: als Konstrukteure, Monteure, Liftboys, Unfall-Opfer oder Retter. Die Geschichte dieser beispiellosen vertikalen Eroberung ist eng mit Baden-Württemberg verbunden: Für die Pfalzgau-Ausstellung im Jahre 1880 Werner von Siemens den ersten elektrischen Lift der Welt gebaut. Es gibt im Land herausragende und in alle Welt exportierende Aufzugsfirmen wie zum Beispiel Schindler aus Radolfzell, Lochbühler aus Mannheim, Thyssen (heute in Neuhausen auf den Fildern) oder Haushahn aus Stuttgart.”

Also die Russen haben den Kosmos erobert und die Amis den “Outer-Space”, aber die Schwaben “die Vertikale”. Das ist natürlich grober Unfug: Der Fahrstuhl wurde in Amerika erfunden, bzw. die Idee, dass man damit auch etwas nach oben befördern kann – Fahrstühle nach unten (in Bergwerke z.B.) gab es schon über 1000 Jahre früher (u.a. in burmesischen Ölbrunnen). Gemeinhin gilt Elisha Graves Otis als Erfinder des Fahrstuhls, der anfänglich – 1852 – noch mit Dampf betrieben wurde.

Die Firma Otis – in Berlin-Reinickendorf – übernahm nach der Wende zwei DDR-Aufzugsbetriebe in Berlin-Mitte und -Pankow. Der letztere wurde jedoch bald abgewickelt. 2003 streikten die Otis-Mitarbeiter für gleichen Lohn in Ost und West. Im selben Jahr beschenkte sich die Firma Otis laut taz selbst: “Der U-Bahnhof Seidelstraße zwischen JVA Tegel und A 111 kriegt einen neuen Namen. Otisstraße wird die Haltestelle der U 6 ab nächstem Wochenende heißen und zudem an der Otisstraße liegen.  Selbstverständlich mit allem, was dazugehört. Neue Schilder, neue Pläne. Das hat sich der Aufzugbauer so gewünscht. Und weil er seit elf Jahren darum gebeten hat und nun auch brav für alle Kosten aufkommt, war politische Unterstützung schnell gefunden. Eine große Koalition bildeten hierfür Exbürgermeister Walter Momper (SPD) und Reinickendorfs amtierende Bürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU), und sie werden am Wochenende feierlich zur Enthüllung schreiten. Kost’ ja nix. So sind alle glücklich und zufrieden, Politik und Wirtschaft.”

Die taz berichtete bisher 259 mal über “Otis”, zumeist waren damit jedoch keine Fahrstuhlbauer gemeint, sondern irgendwelche US-Sänger, wenn sie mal wieder eine neue Platte “released” hatten oder plötzlich gestorben waren. Daneben wurde jedoch mehrmals über den “Paternoster” geschrieben: Einmal über Günter Grass’ Buch “Ein weites Feld”, in dem es um die Treuhand geht – bzw. um den Aushilfshausmeister im Reichsluftfahrtministerium, das dann zur Treuhandzentrale umfunktioniert wurde. Der Aushilfshausmeister –  “Fonty” von Grass genannt – hatte immer wieder mit dem dortigen Paternoster zu tun. Ihm kamen darin glaube ich immer die besten Gedanken – nicht zuletzt die Abwicklung des Berliner Glühlampenwerks Narva betreffend. In einem anderen Paternoster – beim Wirtschaftssenat am Fehrbelliner Platz, ebenfalls ein Nazibau, inszenierte eine amerikanische Regisseurin einmal “Alice im Wunderland”.

Vor einigen Jahren sollte alle Berliner Paternoster aus Sicherheits- bzw. Versicherungsgründen abgestellt und wohlmöglich zugemauert werden, was besonders um den im SFB-Gebäude schade gewesen wäre, aber anscheinend hat sich der Verordnungsgeber da nicht durchsetzen können. Mindestens der Paternoster in der Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt ist jedenfalls noch in Betrieb.

Die Fahrstühle bei Narva, jetzt “Oberbaum-City, werden anscheinend von den dortigen Hausmeistern selbst gewartet, jedenfalls bekam ich einmal mit, wie Michael Müller, ehemals Narva-Betriebsratsvorsitzender und nun Hausmeister in Gebäude 4, einen Anruf entgegennahm, in dem es um einen der dortigen Aufzüge ging: “Der Fahrstuhl geht nicht, was soll ich machen, Kollege?” wurde Müller gefragt, er antwortete: “Wir haben hier alles neue Technik, aber kuck mal nach der Sicherung, oben auf dem Fahrstuhl!” So weit gehen wir in der taz nicht.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/10/25/fahrstuhlkritik/

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kommentare

  • Atmosphärisches:

    Am Anfang waren viele Personenaufzüge möbliert – d.h. mit Schnörkeln, Spiegeln und Sitzgelegenheiten ausgestattet. Davon sind höchstens noch hier und da die Spiegel übrig geblieben, damit man sich auf dem Weg nach oben – zum Chef wohlmöglich – schnell hübsch machen kann.Steht man mit Fremden im Fahrstuhl breitet sich oft ein peinliches Schweigen im Lift aus. Und jeder starrt auf die Tafel, die das Stockwerk anzeigt oder kuckt zu Boden.Immer mehr junge Filmemacher nutzen moderne Fahrstühle als Drehorte,wobei sie entweder verbrecherische und/oder pornographische Szenen dort arrangieren. Neulich wollte ich einen der sechs Fahrstühle im Haus der Berliner Zeitung am Alexanderplatz betreten,als darin gerade eine Frau einem Mann eine Ohrfeige verpaßte. “Oh!” sagte ich bloß und trat zurück, um ihnen noch einige weitere Etagen alleine für ihren Streit zu gönnen.

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