vonHelmut Höge 15.12.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Gegen die Zerstörung des sorbischen Dorfes Horno in der Lausitz durch die Braunkohlebagger von Vattenfall hatte sich schon vor der Wende Widerstand geregt. Er schwoll an, als die brandenburgischen Politik, allen voran Stolpe, den Hornoern versprachen: “Wenn ihr nicht weg wollt, dann müßt ihr auch nicht.” Dem war jedoch nicht so, im Gegenteil: Mit Stolpes Zuarbeit wurde sogar im Landtag eine Lex-Horno verabschiedet, das den Weg für seine Abbaggerung frei machte. Dabei wurde mit Arbeitsplätzen und Energiesicherheit argumentiert. Die Widerstandsbewegung schwoll desungeachtet an. Die Denkmalspfleger stellten Horno unter Denkmalschutz. Von Indien bis Südamerika kamen Solidaritätsadressen. Nachdem die Dörfler fast alle gerichtlichen Schritte unternommen hatten gaben sie auf – und ließen sich – bis auf das alte Gärtnerehepaar Domain – umsiedeln: nach Neuhorno bei Forst, auch die zivilen und die  Soldaten-Toten der beiden Hornoer Friedhöfe kamen dort hin. Die Kirche wurde gesprengt. Die Domains aber gaben – zusammen mit ihrem Mieter: den englischen Schriftsteller Michael Gromm – den Kampf nicht auf. Der Leipziger Anwalt von Vattenfall drohte: “Wir können auch andere Saiten aufziehen!”
Die Historikerin Anjana Shrivastava meinte, das ist ja der reinste “Faust”, der da inszeniert wird:

Zu der Zeit wurde in Weimar “Faust 2” aufgeführt. Der zuständige Wessi-Regisseur ließ darin die letzten Opfer des Teufelspakts, Philemon und Baucis, als “zwei lamentierende Ost-Rentner” auftreten.  In der Goetheschen Originalfassung ist es ein altes Ehepaar, das einen jungen Wanderer bei sich aufgenommen hat: Unglücklicherweise steht ihr Haus samt Lindenhain einem Faustischen Großeingriff in die Landschaft im Wege, d.h. nicht direkt im Weg, aber das kleine Anwesen stört Fausts Aussicht auf seinen  “gradgeführten Kanal” und dessen künstliche Uferlandschaft. Er will sie deswegen umsetzen lassen: “Da seh ich auch die neue Wohnung,/ Die jenes alte Paar umschließt,/ Das, im Gefühl großmütiger Schonung,/ Der späten Tage froh genießt”.

Die beiden Alten und ihr neuer Mieter wollen jedoch nicht weichen. Faust ruft ärgerlich nach Mephisto, der sogleich seine dreiköpfige Schlägerbande mitbringt. Bereits nach kurzer Zeit können sie stolz dem Umsetzungsauftraggeber Vollzug melden, wenn auch etwas zerknirscht: “Verzeiht! es ging nicht gütlich ab./ Wir klopften an, wir pochten an,/ Und immer ward nicht aufgetan…”

Um es kurz zu machen: Sie zündeten dem Rentnerehepaar einfach die Hütte an.  Dieses fiel – ohnmächtig – den Flammen zum Opfer, während der junge Wanderer sich mit allem, was er hatte, zur Wehr setzte, weswegen sie ihn extra niederstechen mußten. Faust verflucht das Mordkommando und schreit: “Tausch wollt ich, wollte keinen Raub.”

Der Chor, die Bild-Zeitung,  antwortet: “Das alte Wort, das Wort erschallt:/ Gehorche willig der Gewalt!/ Und bist du kühn, und hältst du Stich,/ So wage Haus und Hof und – Dich.” Um Mitternacht hebt darob  eine große faustische Selbstkritik an, die mit seinem Tod in den Armen der Lemuren und einem letzten utopischen Ausblick auf ein lebendiges Gemeinwesen endet: “Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,/ Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.”  Aus diesem Zweizeiler über das “Ende der Geschichte” machte die DDR später eine in Stein gemeißelte Losung für ihr sozialistisches  Wiederaufbauprogramm in der Berliner Stalinallee. Aber das führt zu weit…Dann müßte man auch noch erwähnen, was der Betriebsrat der Kalikumpel in Bischofferode quasi am  Schluß ihres Widerstands gegen die Schließung der Grube meinte: “Es sieht nicht gut aus. Das ist hier ein so genanntes Drama!”
So war es schließlich auch in Horno: die Domains mußten schließlich doch klein beigeben – und sich umsiedeln lassen. Die Bild-Zeitung fragte in einem Interview frech: “Was machen Sie nun mit dem vielen Geld, Her Domain?”

Zuletzt bekam das Ehepaar und ihr Mieter vor allem von einem Argentinier der FU und von einer Gruppe junger Leute aus dem bereits geräumten Dorf Lacoma  Unterstützung. Diese Gruppe, die z.T. an der TH Cottbus studierte, kämpfte an ihrem zerstörten Ort immer noch für den Erhalt wenigstens der Lacomaer Seen nebendran, in dem einige seltene Amphibien lebten. Sie bekamen dabei wiederum Unterstützung der Grünen Liga und vom Bund für Naturschutz. Siehe dazu www.nabu.de “lacomaer teiche”. In diesem Biotop hatten die Naturschützer Rotbauchunken, Loblauch- und Wechselkröten sowie Laub-,Moor- und Grünfrösche entdeckt.

In ihrem Auftrag klagten sie dann auch quasi – gegen den schwedischen Vattenfallkonzern, um die Zerstörung des Lebensraumes – FFH: Flora-Fauna-Habitat genannt – dieser vom Aussterben bedrohten Tierarten zu stoppen.

Vorhin nun kamen via Michael Gromm, mehrere mails von der dortigen Kampfgruppe – “mit schönen Grüßen aus Lacoma”: Anscheinend hat ihr anhaltender Widerstand einen Teilsieg erbracht. dies deutet darauf hin, dass  amphibische Lebensräume  inzwischen  eine stärkere Lobby haben als menschliche.  Dies liegt ganz in der Logik des Kapitals: Was selten wird, ist begehrt und steigt im Preis (Heringe, Thunfische oder Tigerpenisse z.B.), während sich die Menschen umgekehrt derart vermehrt haben, dass es schon auf drei Milliarden mehr oder weniger nicht ankommt, im Gegenteil: ihr Verschwinden würde sogar dem ganzen Klima enorm zugute kommen.
In den Mails heißt es u.a.:

Liebe Freunde und Mitstreiter,

> hier die aktuellen Informationen aus erster Hand

> 1. EU-Kommission verbietet Abbaggerung von Lacoma (heutige Pressemitteilung)
2. Beschluß droht trotzdem in nächster Woche
> 
> 3. Kompensationsmaßnahmen dürfen vorzeitig begonnen werden
> 
> 4. Die Sache mit dem NABU Spremberg
> 
> 
> 
> Wir wünschen einen schönen dritten Advent, denn vor dem Weihnachtsfest werden wir uns wohl leider nochmal melden müssen...
> 
> viele Grüße,
> 
> René Schuster
> 
> 
> 
> 
> 1. EU-Kommission verbietet Abbaggerung von Lacoma!
> 
> (heutige gemeinsame Pressemitteilung der Brandenburger Landesverbände des BUND, der GRÜNEN LIGA, des NABU und der Naturfreunde)
> 
> Bundesministerium hat Schreiben aus Brüssel falsch zitiert
> Vattenfall-Pläne sichern weniger Arbeitsplätze als angenommen
> 
> Die anerkannten Naturschutzverbände des Landes Brandenburg haben heute in
> Ihrer Stellungnahme ans Bergamt klargestellt, dass die Voraussetzungen für
> die geplante Zerstörung der Lacomaer Teiche nicht vorliegen. Zudem sichern
> die Vattenfall-Pläne deutlich weniger Arbeitsplätze als behauptet.
> 
> "Wir begrüßen sehr, dass die EU-Kommission in ihrem Schreiben an Deutschland
> klargestellt hat, dass eine Genehmigung derzeit mit europäischem Recht nicht
> vereinbar wäre." sagt Tom Kirschey vom Naturschutzbund Brandenburg "Das
> Umweltministerium hat das Schreiben öffentlich falsch wiedergegeben."
> 
> Vor zwei Wochen hatten Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums erklärt,
> aufgrund des Schreibens aus Brüssel könne die Zerstörung des Gebietes nun
> genehmigt werden. Tatsächlich weist die Kommission aber Deutschland
> ausdrücklich auf die Europäische Rechtssprechung hin, nach der
> "Mitgliedsstaaten derzeit keine Eingriffe zulassen können, welche die
> ökologischen Merkmale eines vGGB (d.h. gemeldeten Gebietes) ernsthaft
> beeinträchtigen können." (S.7) Weiter führt die Kommission aus: "Diese
> Stellungnahme wäre wahrscheinlich im Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 der
> FFH-Richtlinie von der Kommission abgegeben worden, wenn diese Bestimmung
> anwendbar wäre.³(S.13) Erst wenn die europaweite Schutzgebietsliste
> fertiggestellt ist, ist eine Ausnahmeregelung zu Lacoma möglich. "Dass diese
> Liste noch nicht da ist, hat das Land Brandenburg selbst verschuldet." so
> Kirschey. "Die Naturschutzverbände wiesen seit 1998 auf die Meldepflicht
> hin, die Landesregierung kam ihr erst Anfang 2004 nach."
> 
> Die heutige Stellungnahme der Naturschutzverbände stellt gleichzeitig klar,
> dass auch das Allgemeinwohl vom Land Brandenburg bisher falsch interpretiert
> wird. "Das Vorhaben sichert nicht ansatzweise die behauptete Zahl von
> Arbeitsplätzen. Wenn die Lacomaer Teiche bleiben, muß kein Kraftwerksblock
> stillgelegt und kein Kraftwerker entlassen werden." sagt René Schuster von
> der GRÜNEN LIGA. "Das Kraftwerk Jänschwalde kann auch mit 20-21 Mio. t Kohle
> pro Jahr wirtschaftlich arbeiten. Die maximale Auslastung von 26 Mio. t
> fordert Vattenfall nur, um den Profit zu maximieren.
> 
> Die EU-Kommission selbst äußert sich zu mehreren Inhalten des
> Vattenfall-Konzeptes zurückhaltend bis kritisch. Ausführliche Passagen zum
> Allgemeinwohl sind im Schreiben klar als Äußerung des Mitgliedsstaates
> Deutschland gekennzeichnet. Insbesondere stellt die Kommission ihre Äußerung
> unter den Vorbehalt, dass ihr durch die deutschen Behörden korrekte
> Informationen zugeleitet wurden. Für die Arbeitsmarkteffekte trifft dies
> nach Auffassung der Naturschutzverbände aber gerade nicht zu.
> 
> Das Urteil des Cottbuser Verwaltungsgerichts zum vorzeitigen Beginn von
> Ausgleichsmaßnahmen hat nur indirekten Bezug zum Schreiben der Kommission.
> Zu seinem Beschluß kam das Gericht daher offenbar ohne konkrete Auswertung
> des Schreibens.
> 
> Das originale Schreiben der Kommission sowie die heutige Stellungnahme der
> Naturschutzverbände sind ab heute im Internet unter www.landesbuero.de
> veröffentlicht.
> 
> Internet: www.bund.net; www.grueneliga.de; www.naturfreunde.de; www.nabu.de
> 
> 
> 
> 
> 2. Beschluß droht trotzdem in nächster Woche
> 
> Trotz der klaren Rechtslage, die auch juristisch gebildeten Landesangestellten aufgefallen sein dürfte, wird öffentlich am Plan festgehalten, noch in diesem Jahr einen Planfeststellungsbeschluß zu erlassen. Der Planfeststellungsbeschluß soll vermutlich nächste Woche auf der Homepage des Bergamtes veröffentlicht werden. Dieses zeitliche Ziel hängt offenbar damit zusammen, dass der bergrechtliche Hauptbetriebsplan zum Jahresende ausläuft und für die Genehmigung der nächsten Zwei-Jahres-Scheibe der Planfeststellungsbeschluß erforderlich ist. Wir werden also vermutlich die Weihnachtszeit damit verbringen dürfen, eine aufschiebende Wirkung unserer Klage zu erstreiten. Wer beim Plätzchenkauen einen Daumen frei hat, möge ihn uns drücken. Auch Präsenz vor Ort können wir gut gebrauchen, falls tatsächlich mit dem Fällen der Bäume am Hammergraben noch vor Weihnachten begonnen werden soll. Eine rechtzeitige Zwischenverfügung vor Gericht zu bekommen oder nicht, kann manchmal eine Frage von Stunden oder Minuten sein!
> 
> 
> 
> 
> 3. Kompensationsmaßnahmen dürfen vorzeitig begonnen werden
> 
> Derweil wurde unsere Klage gegen den vorzeitigen Beginn in der Spreeaue am Montag abgewiesen. Unser Hauptargument war dabei, dass wir zum Antrag auf vorzeitigen Beginn genauso hätten noch einmal angehört werden müssen, wie heute zum Schreiben der Kommission. Das Urteil an sich ist nur juristischen Insidern zur Lektüre zu empfehlen, auf Anfrage schicke ich es gerne zu.
> 
> Die Frage des vorzeitigen Beginns wird sich bei baldigem Ergehen eines Gesamt-Beschlusses auch mehr oder weniger erledigen. Tatsächlich wurden in den ersten zwei Wochen seit der Genehmigung auch weniger Tatsachen geschaffen, als wir befürchtet hatten. Möglicherweise hat unsere Klage trotz offiziellem Mißerfolg dazu geführt, dass man sehr vorsichtig blieb und (noch) keine Pressebilder von reihenweise gefällten Bäumen bieten wollte. Die Kosten dieses Kageverfahrens bleiben voraussichtlich gering.
> 
> 
> 
> 
> 4. die Sache mit dem NABU Spremberg
> 
> Der eine oder andere wird sich über den Satz in der Lausitzer Rundschau vom Dienstag gewundert haben: "Der Regionalverband Spremberg des NABU forderte inzwischen die Gegner des Vorhabens auf, das Spreeauenprojekt zu akzepteren und zu unterstützen."
> 
> Erste Merkwürdigkeit: die Rundschau nennt keinen Namen, wer sich da geäußert hat.
> 
> Zweite Merkwürdigkeit: Warum fragte die Rundschau nicht beim NABU Cottbus (der wäre für Lacoma wie auch für die Spreeaue bei Maiberg zuständig) oder beim Landesverband an? Mit beiden hatte die Grüne Liga ihre Klage gegen den vorzeitigen Beginn abgestimmt. Und beide haben genauso wie wir die angebliche Aufforderung nie erhalten und erfuhren davon aus der Zeitung.
> 
> Dritte Merkwürdigkeit: Mitglieder des Nabu Spremberg haben sich bisher nie dafür interesssiert, welche Stellungnahmen die Verbände zum Planfeststellungsverfahren abgaben. Beim Landesbüro wurden sie nie abgefragt. Auf welcher Sachkenntnis die Äußerung da wohl beruhte?
> 
> Man sehe diesen Vorgang mal im Zusammenhang mit der o.g. Falschmeldung vom 27.11. zum Schreiben der Kommission und der Tatsache, dass der Vattenfall-Pressesprecher M. Füller noch vor einem Jahr in der Wirtschaftsredaktion der Lausitzer Rundschau arbeitete. Hier ist offensichtlich eine großangelegte Diffamierungsstrategie im Gange, mit dem Ziel die Naturschutzverbände zu spalten. Wer der Rundschau dafür auch noch Geld gibt, ist selbst schuld.
> 
>   PS: Heute abend gibt sich Umweltminister Woidke auf einem parlamentarischen Abend der Lausitzer Rundschau die Ehre (Potsdam, Krongut Bornstedt, 19:00 Uhr) - soll dort die nächste längst vereinbarte Rundschau-Überschrift zur Kohlepolitik produziert werden?
> 
 ************************************************************
> Klagefond der GRÜNEN LIGA Brandenburg:
> 
> Konto 1000 55 000, VR Bank Lausitz, BLZ 18062678
> 
> Nur 5 Euro übrig? Auch kleine Beträge helfen!

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kommentare

  • Der Widerstand gegen die Wegbaggerung der Lacomaer Teiche in der Lausitz geht weiter.
    Hier ein Rundschreiben von Daniel Häfner:

    Am Sonntag, dem 3. Juni 2007 findet wieder um 14 Uhr eine öffentliche
    Wanderung durch die Lacomaer Teiche statt. Treffpunkt ist das
    Strochennest im Dorf. Die Wanderung wird von dem Holzgestalter Ralf Röhr geführt, der unter anderem ein Holzhaus und eine Gedenkstätte abgebaggerter sorbischer Dörfer vor kurzem erneuerte.

    Auf dieser Wanderung werden noch einmal die Orte besucht, wegen
    denen die Naturschutzverbände in Brandenburg gegen den Planfeststellungsbeschluss
    zur Abbaggerung der Teiche von Lacoma klagen.

    Verlosung „neokubistische
    Rotbauchunke“

    Initiiert von Rolf Brüning wird zugunsten der Lacomaer
    Teiche am 3.Juni in Berlin auf dem Umweltfestival der GRÜNEN LIGA das Bild „Selbstbildnis als neokubistische Rotbauchunke“
    des Künstlers Matthias Köppel verlost. Der Erlös wird zugunsten der aktuellen Gerichtsverfahren für
    die Lacomaer Teiche verwendet.

    Der prominente Berliner Maler und Dichter Matthias Koeppel (www.matthiaskoeppel.de),
    hat sich im Jahr 2004 als Unke gespiegelt und eine Radierung geschaffen:
    „Selbstbildnis als neokubistische Rotbauchunke“. Verlost wird
    einer von fünfzig handcolorierten und signierten Drucken. Die Aktion wird ideell und finanziell von Peter Hettlich, MdB Bü´90/DIE
    GRÜNEN, unterstützt und wurde von Rolf Brüning initiiert.

    Kontakt: Daniel Häfner 0179-6719016

  • Zum Ende von Horno:

    Am 2.11.2005 fand vor dem Oberverwaltungsgericht in Berlin die letzte Runde im Kampf um die Erhaltung des sorbischen Dorfes Horno statt. Es soll dem Braunkohleabbau des schwedischen Konzerns Vattenfall weichen. Die meisten Hornoer sind bereits umgesiedelt und ihre Häuser zerstört worden. Einzig das Gärtnerehepaar Domain und ihr Mieter Gromm weigerten sich, da mitzuziehen. Sie wollten notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht gehen, aber am 2.11. stimmte Werner Domain dann doch einem Vergleich zu. Er bekommt nun 330.000 Euro für seinen Hof, den er bis zum 24.11. räumen mußte. Mit seiner Frau Ursula zog er in ein kleines Häuschen nach Mulknitz bei Forst.

    Sein Mieter Michael Gromm stellte unterdes einen umfangreichen Bericht zusammen über den 13jährigen Widerstand der Hornoer. Sein Fazit darin lautet: “Es gibt keinen effektiven Rechtsschutz für die Betroffenen, weil der zu spät greift. Und die Richter räumen dem Bundesberggesetz eine größere Bedeutung ein als dem Grundgesetz. Die Enteignungsgründe im Bundesberggesetz erfüllen nicht annähernd die Erfordernisse des Artikels 14 im Grundgesetz (Recht auf Eigentum) für eine Enteignung, insbesondere dann nicht, wenn diese zu Gunsten eines privaten Bergbauunternehmens erfolgen soll. Das ganze Procedere ist einfach nur ein abgekartetes Spiel.”

    Zwar verabschiedete das brandenburgische Parlament nach der Wende extra ein “Sorbengesetz”, das dieser slawischen Minderheit, die wegen der Braunkohle bereits mehr als 70 Dörfer verloren hat, einen “Siedlungsschutz” garantierte, kurz darauf wurde jedoch auch noch ein “Hornogesetz” verabschiedet, dass es dem Lausitzer Braunkohlekonzern ermöglichte, das Dorf trotzdem zu vernichten. Zwar gab es von überall her Solidaritätsbekundungen für die Hornoer, die schon zu DDR-Zeiten angefangen hatten, sich gegen die Abbaggerung ihres Dorfes zu wehren, aber zuletzt gaben sie doch klein bei. Bei der Interessenvertretung der Sorben, im Vorstand der Domowina, war man der Meinung gewesen: “Wir können doch nicht gegen den Staat kämpfen.” Der letzte Hornoer Bürgermeister Bernd Siegert, der den Widerstand organisiert hatte und dann schließlich doch der Umsiedlung zugestimmt hatte, meinte nach dem Vergleich vor dem Oberverwaltungsgericht: “Vattenfall hat alles bekommen, was sie wollten.”

    Außer Michael Gromm und etwa 20 jungen Leute aus Lacoma, einem ebenfalls der Abbaggerung anheimgefallenen Ort in der Nähe von Horno, fand das Ehepaar Domain zuletzt kaum noch aktive Unterstützer. Während Horno nun verwüstet ist, gibt es in Lakoma noch einige Teiche, die bis jetzt durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützt sind. Aber darauf kann man sich kaum verlassen, denn auch Horno war ein denkmalgeschützter Ort.

    Im Gegensatz zu den Umweltaktivisten hatte jedoch das Landesamt für Denkmalpflege zu keiner Zeit gegen die Abbaggerung protestiert. Wie einige Mitarbeiter selber zugaben, hatten sie Angst, außerdem bekamen sie von Vattenfall für die bis auf die Bronzezeit zurückreichende archäologische Siedlungsspurensicherung während der Dorfzerstörung fast 2 Mio Euro gespendet. Daraus ist nun ebenfalls ein dickes Buch geworden, das kürzlich im Dorfgemeinschaftshaus der umgesiedelten Bewohner in Neu-Horno bei Forst vorgestellt wurde.

    Wenn der Hornoer Berg abgetragen ist, halten die Bagger auf das Nachbardorf Grießen zu. Der Ortskern soll hier zwar erhalten bleiben, aber die Bewohner verlieren 80% ihres Gemeindelandes und werden damit wie eine Insel zwischen dem Tagebau und der Neiße eingeklemmt, “was bedeutet, dass das Dorf ohne Kompensation langsam aussterben wird; sie haben sich nicht getraut zu klagen und sich stattdessen auf die Hornoer verlassen,” meint Michael Gromm, der in diesem Zusammenhang auch noch an die sächsischen Orte Trebendorf, Müllrose und Schleife, wo es ein sorbisches Kulturzentrum gibt, erinnert: Dort sollen jeweils einige Ortsteile dem Oberlausitzer Braunkohletagebau “Nochten” weichen.

    Etwas anders sieht es im sächsischen Heuersdorf aus, unter dem es ebenfalls Braunkohle gibt: Die Hälfte der Bewohner hat sich zwar bereits auszahlen lassen und ihre Häuser verlassen, aber 125 Dörfler leben noch dort – und wollen auch nicht weichen. Hier ist es der amerikanische Braunkohlekonzern Mibrag, der sie zu vertreiben versucht. Darüberhinaus hat er es auch noch auf den mecklenburgischen Kreis Ludwigslust abgesehen, wo sich bereits eine Bürgerinitiative “Braunkohle Nein” gründete.

    Schon fast am Ende ihres Widerstands ist dagegen die “Rheinische “Bürgeraktion” gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II des RWE-Konzerns, die mehrere Initiativen vereint und von den Grünen unterstützt wird, daneben gibt es auch noch den Verein “Wehrt euch”, der die privaten Kläger gegen die anstehenden Umsiedlungen der Orte Borschemich, Pesch, Immerath und Lützerath finanziell unterstützen soll. Und der BUND klagt dort gegen den “Rahmenbetriebsplan” des Bergbauunternehmens RWE-Rheinbraun.

    Laut Michael Gromms Einschätzung ist dies der springende Punkt: “Wenn es nur einen ‘Betriebsplan’ gibt, dann ist alles in Ordnung – und es kann enteignet werden. Denn dann findet nur noch eine Scheinprüfung durch die Bergbehörde statt.”

    Ähnlich sieht auch der Anwalt der Domains, Dirk Teßmer, die Aussichtslosigkeit von Klagen gegen Enteignungen von Bergbauunternehmen: “Da jede Abbautätigkeit den Einsatz von menschlicher Arbeitskraft erfordert, wird die Durchführung des Vorhabens scheinbar immer der Sicherung ,der Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau’ dienen. Was mit ,Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau’ gemeint und wo die Grenze zu ziehen ist – ab welchem Umfang also der Erhalt von Arbeitsplätzen einem ,dringenden, nicht anders zu erfüllenden Bedürfnis des Allgemeinwohls dient’ – wird nicht einschränkend definiert.

    Soll etwa schon die Sicherung von zwei Arbeitsplätzen ausreichend sein, um eine Enteignung zu rechtfertigen? Oder ist der Enteignungsgrund sogar so weitgehend interpretierbar, dass die Erhaltung einer bestimmten Anzahl von Arbeitsplätzen dadurch gesichert wird, dass mit diesem Vorhaben Arbeitsplatzverluste in anderen Bereichen des Bergbaus (z. B. andere Branchen, andere Tagebaue) kompensiert oder abgemildert werden?”

    Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits – ausdrücklich – erhebliche Zweifel daran geäußert, ob eine gesetzliche Regelung, die sich damit begnügt, eine Enteignung zugunsten eines nur allgemein umschriebenen Zieles – die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen in einem strukturschwachen Gebiet – dem verfassungsrechtlichen Erfordernis mit hinreichender Bestimmtheit entsprechen könne.

    Die Zweifel, so Teßmer, “weichen vorliegend der Gewissheit: Es dürfte praktisch kein Fall denkbar sein, in welchem ein an der Grundabtretung interessiertes Bergbauunternehmen nicht vorbringen könnte, dass sein Vorhaben der Sicherung des Erhalts von Arbeitsplätzen im Bergbau diene.”

    Teßmer gewann mit dieser Argumentation zuletzt doch noch einen Prozeß der Garzweiler, die gegen die Zerstörung ihres Wohnortes durch das westdeutsche Braunkohleunternehmen geklagt hatten. Horno war zu dem Zeitpunkt aber bereits abgeräumt.

    Michael Gromms Bericht “Horno – verkohlte Insel des Widerstands” erschien inzwischen in der “Edition Dreieck Horno” (ISBN-Nr.: 3-00-017121), hat 464 Seiten mit 85 zur Hälfte farbigen Photos und kostet 43 Euro 50.

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