vonHelmut Höge 17.12.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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“Die neuen Kriege”, so heißt eines der letzten Bücher von Herfried Münkler. Der Autor ist seit einigen Jahren Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität, davor war er Assistent des Frankfurter Marxforschers Iring Fetscher. Davon merkt man aber nichts mehr. Seitdem er den Gipfel deutscher Wissenschaftlichkeit erreicht hat, veröffentlicht er fast wöchentlich irgendwo einen Text. Seit dem Anschlag auf das World-Trade-Center kommt diesen eine gewisse Aktualität zu, insofern sie meistens Terrorismus, Partisanentum, Bürgerkriege und Staatenkriege thematisieren. Sein o.e. Buch greift all dies noch einmal auf und konzentriert es auf die These, daß “low intensity Konflikte” – wie etwa die in Afghanistan, im Kongo und in Angola – nicht nur Rückfälle in Barbarei und in gleichsam vormoderne Kriegsführung bedeuten, sondern im Gegenteil auch bereits auf die zukünftig wieder mehr enthegten Kriege neuen Typs hinweisen.

Der deutsche Philosophieprofessor an der Humboldtuniversität analysiert aber die einzelnen “Konfliktherde” nicht, auch zieht es ihn nicht nach Kabul oder Bosnien – also vor Ort, geschweige denn daß er sich Filmmaterial von dort ansieht oder Beteiligte interviewt. Er studiert vor allem die angesagte Literatur seiner Kollegen aus der Kriegs- bzw. Terrorismusforschung, bucht diesbezügliche Kongresse und verfolgt das Weltgeschehen ansonsten unaufgeregt über die Tagespresse. Das, was er anschließend daraus an eigenen Texten macht, könnte man neubürgerliche Politikwissenschaft nennen. Es ist der alte Versuch, gegenüber den an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten aufeinanderstoßenden Konfliktparteien und ihren Interpretationen des Geschehens und der Gegner so etwas wie eine dritte Position zu gewinnen – mittels eines Apparates aus scheinbar neutralen Begrifflichkeiten – wie etwa: “Asymmetrisierung”, “postheroische Gesellschaften” und die “Hervorbringung eines zu interessierenden Dritten”.

Dabei hebt Münkler immer wieder gerne bei Clausewitz und Carl Schmitt an. Wie sie strebt er eine Politikberatung an, für die er mit seiner Kurztext-Streuung – bis in den “Merkur – der deutschen Zeitschrift für europäisches Denken” hinein – wirbt. Seine Position ist dabei etwa die eines stets sachlich bleibenden Bellizisten.  Der jetzt gegenüber den sich seit dem Zerfall der Sowjetunion privatisierenden Kriegern wieder mehr die Verteidigungsminister ins Spiel bringen möchte, Vorbild dafür sind ihm anscheinend die “Kabinettskriege”. Münklers Bücher sind mithin staatstragende Werke. Sein letztes endet mit dem tiefsinnigen Gedanken: “Bei symmetrischen Konfliktkonstallationen…sind die Chancen von Lernen und Lernverweigerung tendenziell gleichmäßig verteilt; asymmetrische Konstellationen hingegen bringen Ungleichheiten bei Lernvermögen und Lernblockaden mit sich.”

Kurz davor ist auch noch von “Kreativität” die Rede. Es ist dennoch keine Pisa-Studie (über Krisengebiete), sondern einfach der neueste Output eines Professors – aus dem Politikzentrum Deutschlands, in  der Mitte Berlins. Ähnliches finden wir im alljährlichen Buch des New Yorker Globalisierungskritikers Richard Sennett oder in den Poemen des Charlottenburger Transformationsforschers Karl Schlögel – auf den gekalkten Seiten der Samstags-FAZ. Ohne Sinn und Verstand wird hier von einer höheren Warte aus abgewogen die postsowjetische Welt interpretiert. Der Verfall von Respekt, der osteuropäische Ameisenhandel, die blutigsten Hotspots. Was schert diese abgesicherten Akademiker die Gefahr, daß es immer schon zu viel Deutung gibt und nie genug Fakten – und daß die Akte durch Deutung am gefährlichsten für die Freiheit sind?! Sennett war sogar einmal ein Mitarbeiter und enger Freund von Michel Foucault. Während Schlögel sich von links nach rechts fortfaselte: vom  Maoisten bis zum Sänger der Marktwirtschaft.

Münkler schreibt: “Im asymmetrischen Krieg sind die Medien selbst zu einem Mittel der Kriegsführung geworden”. An diesem Punkt wird dann bei den Medienforschern der Humboldtuniversität nebenan weiter gedacht, wo man von Homer bis Paul Virilio alles mitbedenkt (“Terrorismus ist Guerillakrieg im Zeitalter der Medien”). Das ganze ist eine Art Ping-Pong-Spiel über Banden. Wobei sich dann aus Talkshows und Expertenrunden immer mal wieder ein “Highfligher in Science” performatorisch herausmendelt. Aus mir spricht die Enttäuschung – darüber, daß nur wenig mehr dabei herauskommt.

Münkler hat diesmal seinen Text sogar noch mit – völlig überflüssigen, geradezu bescheuerten – Photos angereichert. Er schreibt: “Warlords und Warlordfigurationen” galten lange Zeit als typisch für stecken gebliebene Modernisierungsprozesse, bei denen der Staat (noch) nicht zum Monopolisten der legitimen physischen Gewalt avanciert ist”, aber jetzt haben “die Warlords ihrerseits einen Modernisierungsprozeß durchlaufen”. In diesem Zusammenhang erwähnt er die Guerillera Kolumbiens, wobei der Gedanke, daß in diesem Land die “Warlords und Warlordfigurationen” sich aus dem Regierungspersonal, den Killerkommandos der Grundbesitzer und den US-Beratern rekrutieren, bei ihm nicht einmal am Rande aufscheint. Das meinte ich mit “scheinbar neutraler” Darstellung. Der deutsche Professor ist, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, ein Wendehals und seine Publikationen legen Zeugnis von seiner Anpassung an den jeweiligen Diskurs-Mainstream ab, auf etwas vornehmere Art als der Springertiefelverlag, der seinen Mitarbeitern seit dem “11.9.” eine Demutsadresse gegenüber dem Bündnis mit den Amis abverlangt.

Wir gehen “in ausgesprochen unruhige und bewegte Zeiten hinein”, so lautet der allerletzte Satz in Münklers Buch “Die neuen Kriege”, d.h. die “Kriegsunternehmer” sind wieder unterwegs, und die “Freiwilligen” kämpfen “in vielen Fällen aus wirtschaftlichen Gründen”. Dies bezieht sich bei ihm konkret auf die serbischen “Tschetniks”, Münkler berichtet jedoch von keinem einzigen Fall – und so schreibt er sich von Krise zu Krise fort, holt mal hier bis zum 30jährigen Krieg aus und zählt dort mal eben alle Söldnerfirmen mit Sitz in London auf. Sind es wirklich nur sechs? wem gehören sie eigentlich? und haben einige vielleicht schon fusioniert? Der Leser erfährt nur: “In Schwarzfafrika ist (darüber) die Meinung verbreitet…”

Dann geht es hastig weiter zu den “Netzwerken der Mudschaheddin”, die ihre Kämpfer ebenfalls sehr “hastig” rekrutieren. Manchmal hat es den Anschein, als wüßten unsere Terrorismusforscher bald nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht – weil ihr Gegenstand, die Terroristen, auch nicht mehr alle Tassen im Schrank haben…

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kommentare

  • —– Original Message —–
    From: “artalk.de” To: ; “samuel direkt” “roter stern”
    Sent: Monday, December 18, 2006 4:18 PM
    Subject: unterschrift her.

    > halo schmu.
    > neue rote petition auf unten von artalk.de link zu klick
    > aufmach
    > lesen
    > yo denken
    > oder wasauchimmmerwillst
    > dann mit
    > einem satz
    > wie
    > “yes. ich unterschreibe das”
    > an
    > anna@artalk.de
    >
    > ps: mach pronto hier zeit läuft info ging schon an sieheunten:
    > sei schneller bitte
    > anna
    >
    > —– Original Message —–
    > From: “artalk.de” > To: “tanja dückers”
    > Sent: Monday, December 18, 2006 4:14 PM
    > Subject: unterschrift her.
    >
    >
    > > ; )
    > > ne, wird aber echt zeit.
    > > jetzt info an taz betr und die mit poln kenntnnissen
    > > weiter dann sehen.
    > > wäre aber gut, wenn deine unterschr ankommt vor dem deren
    > > pk
    > >
    > > —– Original Message —–
    > > From: “artalk.de” > > To: “tanja dückers”
    > > ; “Sonia Petner” > > Sent: Monday, December 18, 2006 2:59 PM
    > > Subject: tanja – dieunterschriftdasdokistjetztvon
    > index > > also artalk start direkt bitte!
    > >
    > >
    > > > das dok politkowskaja / tregubova thema ist jetzt index….
    > > > unterschr
    > > > nach link
    > > > ist dok unten auf seite und link schnell lesen
    > > > und ok ich unterschreibe drunter
    > > > rasch was sollen die anderen denken die notieren doch hier die
    > zeit…..pk
    > > >
    > > >
    > > > kannst auch wenn willst
    > > > an anna@artalk.de
    > > >
    > > >
    > > > oder bei wenn etwas ernst dann panek@artalk.de bitte!!!! ich leite das
    > > dann
    > > > weiter schreiber hat schon erstes signal wir warten auf den rest
    > > (schreiber
    > > > der von litfest du weißt schon) SONIA! habe an DICH in der BAIZ eine
    > > > NACHRICHT wohastdugesterngesteckt??!!!!
    > > >
    > >
    >

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