vonHelmut Höge 28.02.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Kaum kuckt man mal ein paar Tage nicht hin, gibt es gleich jede Menge neue Siemens-Meldungen:

1.  Das österreichische Magazin ‘profil’ berichtet unter Berufung auf einen deutschen Zeugen, den ehemaligen deutschen Siemens-Manager Reinhard Siekaczek, dass auch aus der österreichischen Niederlassung der Siemens-Sparte Telekommunikation, kurz Com, an Briefkastenfirmen so genannte Provisionszahlungen geflossen seien. Der Zeuge nannte konkret den Namen des amtierenden Siemens-Finanzvorstandes Harald Wasserburger, der zur fraglichen Zeit dem Bereich Siemens Com vorstand. Ein Sprecher von Siemens Österreich wies “den Vorwurf ungesetzlicher Handlungen schärfstens zurück” und kündigte an, rechtlich gegen solche Anschuldigungen vorzugehen. Bisher hatte Siemens-Österreich-Chefin Brigitte Ederer jede Verwicklung ihres Konzernteils in den Korruptions-Skandal in Abrede gestellt. Dieses Saubermann-Image gerät nun ins Wanken, meint Heise.de.

Die zypriotische Briefkastenfirma, deren Geschäftsführer Siekaczek persönlich in Wien getroffen haben will, dürfte nicht am Hungertuch genagt haben. Laut profil taucht sie als Geldempfänger unter der Rubrik “Foreign Corruption Practices” in jenem Bericht auf, den KPMG über verdächtige Beraterverträge der Com-Sparte im Auftrag von Siemens erstellt hat. Über 29 Millionen Euro sollen allein im Geschäftsjahr 2005/06 nach Nikosia geflossen sein.

2.  Dem russischen Telekommunikationsminister (was für ein Schwachsinn) Leonid Reiman wird national und international Korruption vorgeworfen. Siemens soll die zugehörige Bestechung für millionenschwere Aufträge ausbezahlt haben, möglicherweise geht von München sogar die Initiative aus. Reiman hatte den TK-Sektor Russlands seit 1999 reguliert. Die Zahlungen sollen an seine Behörde und sein Umfeld gegangen sein, heißt es dem Bericht zufolge aus der Münchner Justiz. Neben der Korruption wird bei Siemens nun auch Steuerhinterziehung untersucht, da die Zahlungen natürlich an der Steuer vorbei außer Landes gegangen waren.

Das Szenario sieht demnach so aus, dass zwei TK-Firmen, die als wichtige Siemens-Kunden in Russland gelten, in den Schmiergeldzahlungs-Akten auftauchen. Hierin soll auch die Commerzbank verstrickt sein, die die Zahlungen augenscheinlich ermöglicht haben soll. Dies dadurch, dass sie mithilfe von Scheinkonten und Scheinbesitzansprüchen dafür gesorgt habe, dass die Miteigentümerschaft des Chefregulierers Russlands an den großen Marktspielern nicht auffiel.
3. Siemens hat einen “Saubermann-Preis gestiftet:  Der Saubermann-Preis soll künftig an Mitarbeiter von Siemens gehen, die sich um “die Integrität” verdient machen.
Neben dem Preis für technologische Innovationen, soll es nun den ‘Compliance Award’ (Saubermann-Preis) geben. Das erklärte Michael Hershman dem Tagesspiegel am Sonntag. Hershman – als Mitgründer von Transparency International ein Fachmann in Korruptionsfragen – erklärte, dass es auch bald einen internationalen Ansprechpartner geben wird. Per Telefon können hier Mitarbeiter Beschwerde einreichen oder Rat einholen, wie sie sich richtig verhalten müssen.

Seit Dezember steht Hershman im Dienste Siemens und ist hier für die Abwehr von Korruption tätig. Hershman weiter: “Innovation war bisher der ganze Stolz von Siemens. Künftig steht Integrität auf der selben Stufe.“

4. Die Schweriner Volkszeitung berichtete: “Der Koruptionsskandal bei Siemens reicht nun auch bis nach Mecklenburg-Vorpommern. Im Zusammenhang des Siemens-Skandals wurde ein Geschäftsmann aus Greifswald verhaftet.  Damit ist es Mecklenburg-Vorpommern wieder mal gelungen, wenn auch quasi in letzter Sekunde, Anschluß an das Weltniveau zu finden.

5. Die SZ meldet: Der angeschlagene Siemens-Chef, Cola-Light-Trinker Kleinfeld aus Bremen-Walle, “schart Vertraute um sich”. Namentlich geht es dabei um den Ex-McKinsey-Mann Horst Kayser (46). Über ihn heißt es in dem Artikel: “Seit fast 10 Monaten lotet er mit seiner Abteilung nun Übernahmeziele aus, prüft die Trennung von Geschäftsfeldern, gibt Unternehmensziele aus und baut an der Zukunft des Konzerns, Denn Siemens soll Teil einer großen Story werden, den Herr Kayser Megatrends nennt.”

Gestern hatte er seinen ersten öffentlichen Auftritt – in München, vor Journalisten: “Die Zukunft von Siemens sieht er vor allem jenseits der etablierten Märkte”. Im informellen Sektor etwa? I wo! Aber wie auch schon zuvor – in der letzten Rede von Kleinfeld – hakte es an dieser Stelle mit der Logik der Argumentation, denn Kayser kam an sodann auf den Stadt-Land-Dualismus zu sprechen – Zitat SZ: “Dass bald schon mehr Menschen weltweit in der Stadt als auf dem Land leben werden…Dass riesige Städte in Schwellenländern mit mehr als 10 Mio Einwohnern die Welt prägen werden – mit überbordendem Verkehr, Luftverschmutzung und einem drastisch steigenden Energiebedarf…” Aber nun kommts: “Und dass Siemens dafür die nötige Infrastruktur liefern will.” Also alles wie gehabt: Die ganze Megatrend-Scheiße wird von Siemens technologisch flankiert, optimiert, effektiviert…Was für eine Vordenkerei…

Nehmen wir aber mal bis zum Beweis des Gegenteils an, dass dieser Schwachsinn nicht von Herrn Kayser stammt, sondern von dem SZ-Praktikanten Markus Balser, der auf der PK von den Titten der neben dem Oberstrategen/Vordenker Herrn Kayser sitzenden Unterstrategin/Nachdenkerin Frau König abgelenkt war – und deswegen nur einzelne Stichworte mitbekam (Stadt-Land-Infrastruktur), die er anschließend auf die Schnelle zu einem 140-Zeiler zusammenpuzzeln mußte…

6. Die letzte Meldung betrifft weniger Siemens denn Osram, handelt aber auch von einer besonderen Flachpfeife: “Gabriel gegen Glühbirnen” titelte die FAZ. Mit Gabriel ist der Bundesumweltminister (SPD) gemeint. Und der hat nun den EU-Umweltkommissar Stavros Dimas aufgefordert, durch “schärfere Mindeststandards die Glühbirnen vom Markt zu drängen, denn der Standort Europas kann sich eigentlich keine Produkte mehr leisten, die einen Effizienzgrad von nur 5 % aufweisen,” heißt es in einem Schreiben von Gabriel an Dimas. Ersetzt werden sollen die Birnen durch Energiesparlampen. , “dadurch  könnten jährlich 25 Mio Tonnen Kohlendioxid eingespart werden”.
Am Berliner Osram-Standort werden übrigens schon seit einigen Jahren keine Glühbirnen mehr hergestellt, sondern nur noch Hochdruck-Dampflampen: “Wir sind jetzt ein High-Tech-Betrieb,” wie die Telefonistin dort am Telefon kichernd hinzufügte.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/02/28/saubermann-siemensosram/

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kommentare

  • Spiegel-online meldete schließlich noch, dass der “heterogene Multi” jede Menge Fallstricke birgt:
    “Der Elektrokonzern tut sich schwer, in neuen Geschäftsfeldern zu reüssieren. Dem Niedergang in der Computerindustrie und der Chipherstellung folgte der totale Flopp der verlustreichen Handysparte durch Verkauf an BenQ und dessen schnelle Pleite. Im Softwaregeschäft hagelt es Kritik und selbst in Kerngeschäften, wie dem Lokomotivbau (ICE) und Strassenbahnen, vermasseln Qualitätsmängel den Ruf. Weitreichende Korruptionsvorwürfe kratzen in jüngster Zeit am Firmenimage.”

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