vonHelmut Höge 30.03.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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“Schon jetzt ist absehbar, dass sich die Siemens-Skandal-Schlagzeilen das ganz Jahr über halten werden,” schreibt das Compliance-Magazin.de. “Die Mühlen der Staatsanwaltschaft arbeiten offensichtlich langsam und gewissenhaft. Man darf abwarten, wann Heinrich von Pierer und Siemens-Chef Klaus Kleinfeld in die Primetime-Schlagzeilen geraten.

Mit der Möglichkeit der Staatsanwaltschaften, sie als Zeugen vorzuladen, wäre der erste Schritt getan.
Und man beginnt langsam zu ahnen, warum sich sowohl der Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld als auch der Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer bereits im Dezember 2006 eines kampferprobten Rechtsbeistandes versichert haben. Im Mannesmann-Prozess haben beide ganze Arbeit geleistet: So wird Klaus Kleinfeld von Klaus Volk beraten, der den Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann verteidigte, und von Pierer von Sven Thomas, der Klaus Esser erfolgreich vertreten hat.”

An neuesten Siemens-Skandal- bzw. Sumpf-Nachrichten ist die Verhaftung eines “ehemaligen und eines noch aktiven Siemens-Managers” zu vermelden, sie wurden jedoch wenig später wieder freigelassen, sowie die Einschätzung der IG Metall, dass Schelskys AUB von Siemens über die Jahre wahrscheinlich mit über 100 Mio Euro finanziert wurde. Dazu zitiert die Wirtschaftswoche einen Informanten: “Die Geschichte läuft seit 20 Jahren, deshalb ist es wahrscheinlich, dass wir am Ende über einen dreistelligen Millionenbetrag reden”.

Die Welt schreibt über den AUB-Gründer Schelsky, der langsam aber sicher seinen rechten Vater an Berühmtheit übertrifft: “Als autoritär und selbstherrlich“ beschreiben ihn seine Gegner bei der Gewerkschaft, „umgänglich und kooperativ“ sei er, heißt es dagegen in unternehmernahen Kreisen. „Der Klassenkampf als Grundprinzip ist der AUB fremd“ heißt es in den Statuten. Man wolle den Betriebsfrieden sichern und Aussperrungen und Streiks überflüssig machen. Die Organisation beschreibt sich selbst als „überparteilich, unabhängig, überbetrieblich.“

Der IG-Metall-Vize Berthold Huber, der Strafanzeige gegen Siemens stellen will, erklärte laut Junge Welt: »Alles, was bisher bekannt geworden ist, deutet darauf hin, daß hier mit System versucht worden ist, die Betriebsratsarbeit bei Siemens über die AUB unzulässig und gesetzwidrig zu beeinflussen«.

Unterdessen sehen Aktionärsschützer den Konzern durch den neuerlichen Skandal inzwischen in einer ernsthaften Existenzkrise. „Dass ein aktiver Vorstand verhaftet wird, ist ein Horrorszenario für jedes Unternehmen, eine echte Krisensituation”, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) der „Welt”. „Wenn Siemens die Situation nicht in den Griff bekommt, droht dem Konzern schwerer wirtschaftlicher Schaden, womöglich sogar die Aufspaltung”, warnte Bergdolt.

Die TU Berlin mußte sich fragen lassen, warum sie sich nicht von ihrem verhafteten Siemens-Professor  Johannes Feldmayer distanziert und angeblich verstärkt sich auch der Druck auf die Bundeskanzlerin, sich von ihrem  “Berater” Heinrich von Pierer zu trennen, sie gab jedenfalls vorgestern erst einmal eine Vertrauensadresse für ihn ab. Aber Pierer gerät immer mehr unter Druck – focus money online schreibt:

“Er habe von den Berater-Verträgen mit Wilhelm Schelsky „keine Kenntnis gehabt“, teilte Pierer FOCUS-MONEY in einer schriftlichen Stellungnahme mit. In Pierers Amtszeit als Vorstandsvorsitzender ist ein großer Teil der Zahlungen an Schelsky geflossen. Zentralvorstand Johannes Feldmayer, der die Verträge unterzeichnet hatte, sitzt in Untersuchungshaft. Aktionärsschützer haben Pierer aufgefordert, den Aufsichtsratsvorsitz zumindest ruhen zu lassen, bis die Affäre aufgeklärt ist.

Politiker der Bundestagsopposition forderten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich von Pierer als Berater zu trennen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte in der „Berliner Zeitung“, so lange der Skandal nicht restlos aufgeklärt sei, könne von Pierer nicht glaubwürdig als Berater im Innovationsrat der Bundesregierung auftreten. „Die Bundeskanzlerin muss ihn deshalb jetzt von seiner Tätigkeit als Regierungsberater entbinden,” meinte sie.”

Die Süddeutsche Zeitung vermeldet heute: “Neues Geständnis im Korruptionsfall Siemens” – es geht dabei um Schmiergeldzahlungen  in Russland.
All diese Nachrichten und Schlagzeilen sowie hundert weitere ähnlich lautende findet man auch online, warum sie hier verdoppeln? Damit wir sie zu gegebener Zeit alle zusammen haben, Namen, Daten, Fakten, um am Beispiel Siemens gewisse Tendenzen auszumachen – wohin sich derzeit Kapital und Arbeit bewegen. Es besteht der Verdacht, dass die momentane “Unübersichtlichkeit” des Sozialen durch Verfolg der Siemens-Geschichte etwas zurückweicht.

Die taz hatte schon einmal diesbezüglich gehörige Anstrengungen unternommen, dann aber, nach Abwicklung  des Ostberliner Glühlampenwerks Narva und der Berlin-Kulturredaktion, damit quasi aufgehört. Dieser erste Ansatz sei noch einmal hier kurz rekapituliert:

1991 – 1994 bildete sich eine Recherchegruppe, die versuchte mit Fakten und Verstimmungen  die Abwicklung des Berliner Glühlampenwerks Narva rückgängig zu machen. Es ging dabei um Siemens bzw. um das einst von Edison, Rathenau und Siemens gegründete Elektrokartell, das sich zuletzt – 1991 – International Electrical Association (IEA) nannte und in Pully bei Lausanne domiziliert war bzw. immer noch ist.

Dieses im Geheimen wirkende Kartell, das die Preise und Produktionsstandorte weltweit bestimmt,  war zuvor bereits in der Fiktion “Die Enden der Parabel” von Thomas Pynchon aufgetaucht, wobei es primär um ihre Zentrale zur Senkung der Lebensdauer von Glühbirnen ging. Und diese Zentrale befand sich ausgerechnet im Narva-Lichtturm an der Warschauer Brücke – bis die Kommunisten kamen natürlich nur. Die Beschäftigung mit der Lebensdauer und dem dahinterstehenden IEA-Vorläufer “Phoebus” begann im Feuilleton der taz bereits 1983 – kurz nach Erscheinen des US-Romans auf Deutsch, den u.a. Elfriede Jellinek übersetzte. Dabei wurde aus der Pynchon-Fiktion eine reale Organisation – so wie fast alles in seinem Werk von Realgeschichte durchkreuzt war, wie wir dann nach und nach entdeckten.

Zum Kreis der “Glühbirnenforscher” gehörten außerhalb der taz Erich Fried – als kommunistischer Dichter und gegen das Elektrokartell kämpfender  Glühbirnenpatentinhaber. Der Weddinger Glühbirnenverbesserer und Hersteller von “Langlebensdauerglühlampen”, die 150.000 Stunden hielten – Dieter Binninger. Der brasilianische Elektrounternehmer und geharnischte Kartellkritiker Rudolf Mirow. Der marxistische Erkenntnistheoretiker Alfred Sohn-Rethel, der die notwendige Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit u.a. am Beispiel einiger chinesischer Glühbirnenfabriken während der Kulturrevolution studierte. Der brasilianische Philosoph Vilèm Flusser, der für eine von uns/taz geplante “Glühbirnenausstellung” die notwendigen “Gedanken” beisteuerte – unter dem Titel “Mehr Licht!” . Und schließlich noch der  Schriftsteller Helmut Salzinger, der die erste Zusammenfassung unserer “Glühbirnenforschung” in seiner Zeitschrift  “Falk” veröffentlichte.

Diese “Forscher” über das verbrecherische Wirken des Elektrokartells IEA eint, dass sie inzwischen alle tot sind. Auch die “Glühbirnenforschung” kam langsam zum Erliegen – nachdem das Narva-Werk erst privatisiert und dann doch abgewickelt wurde, weil der einzige Investor, der “Arbeitsplätze im Licht” erhalten wollte – der japanische Lampenhersteller Kobayaschi/Phoenix – von Osram/Siemens mit einem “Patentrechtsproblem” ausmanövriert wurde. Kam noch hinzu, dass es so schien, als ob die Glühbirnen sowieso langsam durch Leuchtdioden ersetzt wurden und werden – womit sich der “Kampf um die Lebensdauer” quasi von selbst erledigte.

Einmal bat mich noch der Dichter Sascha Anderson, in einer Kneipe im Prenzlauer Berg einen Dia-Vortrag über Glühbirnen zu halten – aber das interessierte dort kein Schwein mehr, auch Anderson nicht. Ich erwähne es hier nur, weil die “Glühbirnenforschung” lange nach diesem kläglichen Ende jetzt plötzlich wieder interessant wird. Wegen der vielen Prozesse gegen den Siemens-Konzern, den man inzwischen fast weltweit der Zahlung von Schmiergeldern bezichtigt – der  gleichzeitig jedoch im Förderverein von “Transparency International” saß, wo er nun aber rausgeflogen ist. Erneut “vernetzen” sich – nach hier und nach dort – die  “Glühbirnenforscher”. Es gibt ja inzwischen so viele – in den USA haben sie sich um die Zeitung “Pynchon Notes” gescharrt. Diesmal sind es jedoch komischerweise hauptsächlich Frauen. Wie ja überhaupt die “Kriegsforschung” sukzessive zu einer reinen Frauendomäne geworden ist. Und es nun auch zumeist Frauen sind, die dabei umkommen. Womit ich nicht sagen will, dass die o.e. Männer alle bei der Glühbirnenforschung ihr Leben verloren. Obwohl diese Häufung schon eine höhere Merkwürdigkeit hat, so wie ja auch Detlef Rohwedder laut BILD just beim Auswechseln einer kaputten Glühbirne in seiner Wohnung erschossen wurde.

Danach nannte sich die “Künstlergruppe” bei den  Glühbirnenforschern, die sich an der Auseinandersetzung zwischen Narva und der Treuhand/Siemens – via taz – beteiligte, prompt: “BILD kämpft für Narva”. Nun, da Australien und Deutschland den Anfang machen wollen – mit einem flächendeckenden Glühbirnenverbot – soll man da jetzt noch mal kämpfen – für diese Lampen? – die genau umgekehrt wie Glühwürmchen funktionieren, bei denen 93% der dafür aufgewendeten Energie in Licht umgewandelt wird. Natürlich sind Energiesparlampen, die stattdessen empfohlen werden, teuer, giftig und von begrenzter Lebensdauer, sie verbreiten schlechtes Licht und sehen scheiße aus, aber ersetzt werden die Glühbirnen  sowieso eher von Osram-Leuchtdioden (LETs) in Clustern, wenn nicht gar ganzen Wänden. Das Verrückte an diesen neuen Politikkampagne ist die Klimakatstrophenhysterie daran, die wieder mal nur dazu führt, dass der kleine Endverbraucher verarscht wird: Ausgerechnet er, der nur noch 7-8% des Stroms für Licht in seinem Haushalt verbraucht, soll dabei Energiesparen! Und das soll sich auch noch klimaschonend auswirken. Während die Konzerne und die Städte, die Werbung und die Sicherheitspolitik immer wahnwitzigere und teurere Illuminationen nächtens veranstalten. All das ist also grober Unfug – und die ganze Ökologie sowieso langweilige bürgerliche Wissenschaft bzw. Wichserei! Es geht um die Bekämpfung der Warenproduktion – nicht um ihre “Verbesserung”.
Nun aber, im Siemenskonzern-Fall, kann man erst einmal nur für einen gewissen Erkenntnisgewinn “kämpfen”, der jedoch so gut wie nichts mit der juristischen Aufarbeitung des Falles gemein hat. Mit dem hausmeister-blog hat das insofern etwas zu tun, als er dazu da ist, die Entwicklung der taz-konzerns kritisch zu verfolgen – dazu bedarf es Kenntnisse über das Wirtschaftsgeschehen im Großen und im Kleinen. Die Siemens-Textzusammenstellungen hier sind also gewissermaßen ein Spiel über Bande.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/03/30/siemens-sumpf-schlagzeilen/

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kommentare

  • …schonmal wat von nem disability-mänätschmänt jehört? [kratz auf schopf.] unfähigkeits-vermarktung. oder so. oder?

    ;]
    nein, ehrlich: fällt euch wat bessres ein? für deren autsorsing?
    die haben det aba selba so jenannt. :] disability-mänätschment..

    weiß nicht, ich brauch ne weile, bin noch nicht fertig mit auskichern

    ..
    .
    :]
    also diese vermarktung von “wir könn nüscht – sacht unsre agentin-fleischhändlerin – also hamma wern zu soldaten. büllüsch! eineuro! läßt zerschreddern süsch für fast für lau! gastarbeiter! auch gute weichziele! hier ist der flohmarkt!

    disabilty-mänätschment… ts…

    THEMA BETRIFFT:
    WERBUNG! bundeswehr-wegtreten.tk

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