vonHelmut Höge 24.08.2008

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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I. CIVE Glasproduktion in Vinci (Besuch: Freitag 20. Juni, 9 Uhr 30)

Interview auf Englisch mit der Acquisemanagerin Margarita Sack (Buying Office) – statt wie anvisiert mit der Direktorin Monica Garofari oder dem Präsidenten der Genossenschaft Claudio Calugi Die Genossenschaft wurde 1950 von einer Gruppe Gläsbläser gegründet, 2001 fusionierte sie mit einer anderen Gläser herstellenden Genossenschaft in Empoli und zog in neue Produktionsstätten nach Vinci, wo nun außerdem noch neue Gebäude errichtet werden und noch alles hergerichtet werden muß, auch draußen auf dem Firmengelände. Deswegen sollten wir nichts filmen oder photographieren. Frau Sack bestand darauf, vorher müsse der Präsident um Erlaubnis gebeten werden, dieser antwortete jedoch nicht auf unsere Mail. Wir sollten nicht einmal Außenaufnahmen machen, weil dort noch keine Bäume gepflanzt und kein Rasen angelegt wurde. Wir machten ein paar Tage später trotzdem noch einige Photos von außen, heimlich quasi.

Die Genossenschaft hat derzeit 40 Mitarbeiter und bildet fünf Lehrlinge aus, demnächst werden weitere Mitarbeiter eingestellt. Wahrscheinlich, wenn der bzw. die zwei Neubauten nebenan in Betrieb genommen werden. 5 Mitarbeiter sind nicht Mitglied in der Genossenschaft. Es gibt nur noch eine weitere wichtige Glas-Genossenschaft im Val d’Arno. “Wir sind die besten – in puncto Produktqualität,” meinte Frau Sack. Alle Produkte würden per Hand und nur teilindustrialisiert hergestellt. Das Interview fand im Schauraum statt. Es handelt sich bei den Produkten um mehr oder weniger große dekorative Vasen, Schalen, aber auch um eine Art von halbdsurchsichtigen Wandkacheln – für eine etwas angeberische Klientel. Viele Produkte sind in Gold, Silber oder Kupfer gehalten, das sei orientiert an toskanische bzw. römische Glastraditionen, wurde uns gesagt. Für das Design neuer Produktlinien ist die Direktorin Monica Garofari zuständig, realisiert werden sie in Abstimmung mit den Technikern der Genossenschaft. Margarita Sack war sehr interessiert, mehr über die angestrebte Zusammenarbeit mit den Designern der Universität von Usti nad Labem zu erfahren, überhaupt an dem Designaspekt des Projekts “Le Grand Magasin”, d.h. an der dabei angestrebten Zusammenarbeit zwischen Designern und Produktivgenossenschaften. Vielleicht ist sie als Marketingmanagerin nicht so ganz zufrieden mit den Designideen ihrer Direktorin?

Die Genossenschaft investiert ständig in Maschinen, in Werbung und Design. Das Glasblasen macht nur einen kleinen Teil der Produktion aus, es ist der teure Teil der Produktion, teure Produkte lassen sich aber nur schwer verkaufen. Viele Glas-Firmen können sich keine teuren Glasbläser leisten. CIVE produziert manchmal für andere Glasfabriken: Wenn sie z.B. für einen Auftrag bzw. eine Produktlinie die Farbe nicht da haben, dann lassen sie das woanders machen, so etwas passiert aber auch umgekehrt, dass sie für eine andere Glasfirma einen Auftrag erledigen, aus den nämlichen Gründen. Im übrigen sei es schwer, die Qualität bei einer Produktlinie zu halten, obwohl oder weil es sich dabei um künstlerisch-industrielle Glasprodukte handelt, ihre Herstellung ist zu individuell.

50% der Waren werden exportiert – nach Arabien, Griechenland, in verschiedene andere EU-Länder und in die USA. CIVE beteiligte sich bisher an Messen in Frankfurt/Main, in Frankreich, in Napoli und in Rimini. Die genossenschaftliche Organisation ihrer Firma sei gut für die Mitarbeiter, mit dem italienischen Genossenschaftsgesetz hätten sie keine Probleme und mit ihrem Genossenschaftsverband bzw. mit dessen Arbeit seien sie auch zufrieden. Die erste Aufgabe ihrer Genossenschaft sieht Frau Sack darin, die Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten. “Eine Genossenschaft ist ein guter Platz zum Arbeiten, aber Entscheidungen dauern hier länger als in anderen Firmen.”

“Wir werden auch in Zukunft den Marktentwicklungen folgen, d.h. versuchen, in kommerzieller Hinsicht das Beste zu liefern. Und wir werden weiter wachsen, was derzeit nicht einfach ist, weil der Markt schwierig geworden ist. Wir haben zur Zeit eine ökonomische Krise in Italien, das hindert uns jedoch nicht, weiter neue Absatzmärkte in neuen Ländern zu suchen und neue Kunden zu finden.” CIVE ist an einem Laden in Florenz beteiligt – namens “Master Handcraft” und wird demnächst auch noch einen eigenen Laden auf dem Fabrikgelände eröffnen. Der “Shop” in Florenz verkauft Produkte toskanischer Firmen: Glaswaren, Messer, Acryl-Haushaltswaren und Keramik. Die Genossenschaft CIVE hat einen Vertrag mit dem Laden und verkauft diesem ihre Produkte.

Frau Sack versprach uns, wegen der fehlenden Erlaubnis zu filmen und zu photographieren, demnächst einen neuen Katalog zu schicken, der gerade in Arbeit ist, sowie eine DVD, auf der auch die Produktion zu sehen ist.

Ihre Fragen zum Projekt “Le Grand Magasin”, die man ihr per mail noch beantworten muß: 1.Wird noch eine weitere Glas-Genossenschaft auf der Verkaufsausstellung präsent sein? 2.Wie lange werden die Objekte ausgestellt werden? 3.Könnte CIVE, wie auch die anderen beteiligten Genossenschaften, eine Art Vorentwurf für die Präsentation bekommen, um sich ein Bild davon machen zu können, wie ihre Exponate in der Neuköllner Galerie ausgestellt werden sollen? 4.Sie brauchen den “Vertrag” auf italienisch, ist das in den nächsten Tagen möglich?

II.Ceramiche Toscane in Montelupo (Gespräch am Freitag, 20 Juni, 15 Uhr 30)

Unser Gesprächspartner Roberto Desii war unterwegs von Florenz nach Montelupo. Als er kam, erklärte er uns sofort, dass seine Genossenschaft kein Interesse an einer Beteiligung an der Verkaufsausstellung in Berlin hätte. Sie würden 90% ihrer Produktion nach Amerika liefern und Messen in Leipzig und Frankfurt beschicken. Ansonsten würden sie nur Kunden beliefern, die pro Teil mindestens 100 Stück abnähmen und das Verschicken einiger Exponate nach Berlin sowie das Zurücksenden der nicht-verkauften Teile würde sich für sie nicht lohnen.

Wir redeten wie mit Engelszungen auf ihn ein und kamen uns dabei vor wie Handelsvertreter, die ihm was verkaufen wollten. Schließlich zogen wir unverrichteter Dinge wieder ab, machten auch keine Photos oder filmten etwas.

III./IV. C.O.E.F Möbelhersteller in Empoli

IV. Copart Küchenhersteller in Limite sull’ Arno (Gespräch am Montag, 23 Juni 9 – 14 Uhr)

Als wir ankamen, war statt unseres Gesprächspartners von COEF – Präsident Luciano Scali – der ganze Konferenzsaal voll: Neben ihm und einer sehr freundlichen und kompetenen Deutsch-Dolmetscherin, die in der Tourismusbranche arbeitet, war noch sein Direktor da, dessen Namen wir vergessen haben, sowie Paolo Marconcini – der Responsabile Commerciale der Genossenschaft COPART, die Küchen herstellt. Ferner der für die Toskana zuständige Verbandspräsident dott. Renato Campinoti und sein Stellvertreter Ivano Zeppi – beide laut ihrer Visitenkarte von der “Cooperative di Produzione e Lavoro, assoziazione toscana”, also wohl von der toskanischen Sektion des Verbandes der Produktivgenossenschaften. Unser Interview führten wir mit allen zusammen.

Die Produktivgenossenschaft COEF in Empoli wurde 1946 von einer Handwerkergruppe gegründet. Die Produktivgenossenschaft COPART in Limite wurde 1946 von einer Gruppe Schiffsbauer gegründet. Wegen des Krieges kam die Produktion zum Erliegen, 1946 wurde sie wieder aufgenommen, seit 1960 werden von ihr Küchen produziert. Beide Genossenschaften haben eine viel geringere Fertigungstiefe als z.B. die uns bekannten tschechischen Genossenschaften, ihre Produkte sind jedoch sehr edel. Man könnte sie fast als Montagebetriebe bezeichnen.

COEF hat 22 Mitarbeiter, davon sind 12 Genossenschaftsmitglieder, COPART hat 15 Mitarbeiter, davon sind 13 Genossenschaftsmitglieder. Auf den Unterschied zwischen Genossenschaften und anderen Betrieben angesprochen meinten beide Kader, dass es in bezug auf die Produkte keinen Unterschied gäbe. Der Verbandschef Campinoti ergänzte: “Unser EU-Präsident Prodi sagte einmal: sowohl für die Kuh des Genossenschaftsbauern als auch für die des Einzelbauern gilt: Milch ist Milch, aber der Genossenschaftsbauer lebt besser! Auch die Mitarbeiter in Produktivgenossenschaften leben besser, die Entscheidungen werden dort kollektiv getroffen.”

Sowohl für COEF als auch für COPART gilt, dass die Technologie, die technologische Entwicklung konstant bleibt, und dass das Produkt-Design von außen kommt. Für Marketing und Werbung geben beide Genossenschaften etwa 5-7% ihres jährlichen Gesamtbudgets aus. Beide produzieren nicht für andere Firmen. COEF verkauft ihre Möbel zu 95% im Inland und zu 5% ins Ausland (Griechenland, England), COPART verkauft ihre Küchen zu 80% im Inland und zu 20% ins Ausland (Japan, Schweiz, Frankreich). Für beide Genossenschaften gilt der nationale Tarifvertrag, Genossenschaftsmitglieder bekommen bei ihnen jedoch etwa 10% mehr, was wohl mit der jährlichen Gewinnausschüttung bzw. Prämie zusammenhängt. Der Verbandschef Campinoti ergänzte: Das Minimum an Mitgliedern bei einer Genossenschaft ist 9, das Minimum an Einlage, um Mitglied zu werden, beträgt 4500 Euro, diese Summe ist jedoch da und dort durchaus unterschiedlich hoch. Es gilt aber in jedem Fall: 1 Mitglied – 1 Stimme. Zu der tschechischen Textil-Genossenschaft, in der die Höhe der Einlage die Anzahl der Stimmen bestimmt, meinte er: “Das ist keine Genossenschaft mehr!”

Unsere Frage an die Genossenschafts-Geschäftsführer, gibt es Mängel in der Genossenschafts-Gesetzgebung und wie sie sich von ihrem Verband vertreten fühlen, erregte große Heiterkeit, da die zwei Verbandsvorsitzenden anwesend waren. Campinoti erklärte uns dann jedoch ernsthaft, woraus die Verbandstätigkeit besteht: Es gehe u.a. darum, die entsprechenden Gesetze zu erklären und zu interpretieren. Gerade sei z.B. ein neuer EU-Gesetzesentwurf herausgekommen, wobei es darum ginge, die finanzielle Unterstützung der Genossenschaften zu kürzen. Dagegen gelte es zu kämpfen. Insbesondere, da die neue Berlusconi-Regierung nicht gerade genossenschaftsfreundlich eingestellt sei. Die Leistungen des Verbandes für die Genossenschaften bestünden in folgendem: 1.Mit und zwischen den Genosssenschaften zu kommunizieren, und u.a. bei Gesetzesvorhaben, die sie betreffen, gegebenenfalls Änderungen durchzusetzen. 2.2. Eine Genossenschafts-Beratung anzubieten. 3.Forschung in Marketing und generell Marktforschung zu betreiben. 4.Kooperationen zwischen den Genossenschaften zu entwickeln. 5.Antigenossenschaftliche Propaganda zurückzuweisen. Die Genossenschaften machen zwar über ihre Produkte Werbung für sich, aber es gibt etliche, die gegen Genossenschaften sind, einige große italienische Konzerne z.B. sowie auch die Regierung.

In bezug auf die Perspektiven von COEF und COPART meinten ihre beiden Geschäftsführer, dass der Markt derzeit relativ “still” sei, also die Absatzchancen im Moment nicht so positiv aussähen. Verbandschef Campinoti äußerte in diesem Zusammenhang: Die große toskanische Konsumgenossenschaft UNICOOP würde in ihrer Zeitung Werbung für COEF- und COPART-Produkte machen. Im übrigen gäbe es 8000 Genossenschaften in Italien, davon 1100 in der Toskana, und von diesen seien 200 Produktivgenossenschaften.

Auf die Frage nach “Öko-Zertifikaten” für ihre Möbel bzw. Küchen meinten beide Genossenschafts-Geschäftsführer, die würden bei ihnen keine Rolle spielen, denn sie bezögen ihre sämtlichen Teile bzw. Materialien von anderen Firmen, um dann daraus was zu machen, aber diese Hersteller müssten sich um die entsprechenden EU-Normen und -Zertifikate bemühen – sowohl bei ihren Produkten als auch bei der Herstellung, und sie – COEF und COPART – würden sich darauf verlassen. Nach dem Gespräch besichtigten wir als erstes die Produktionsstätten von COEF, wobei wir filmen und photographieren durften:

Den großen Schauraum – mit Schlafzimmern, Schränken und Beischränken. Das Lager (es wird nicht nur auf Bestellung produziert sondern auch auf Lager). Den Montagraum für Schranktüren. Für Nachttische. Für Schubladen. Das Glas/Spiegel – Lager. Die Lackiererei. Den Trockenraum. Das Lager für halbfertige Produkte, die eingekauft werden. Die Werkstatt für Spezialanfertigungen. Das große Bürogebäude.

COEF liefert selbst aus, ihre 4 Fahrer sind gleichzeitig auch die Monteure, die die Möbel vor Ort wieder zusammenbauen. Die Betriebsbesichtigung bei COPART (etwa 20 Minuten entfernt von COEF) begann ebenfalls im Schauraum. Sie stellen Küchen in mehr als 100 Farben her sowie auf Kundenwunsch in vielen Variationen. In der Regel wird gemäß der Wünsche von Kunden produziert. Auch COPART liefert ihre Küchen mit eigenen Fahrern und LKWs aus, die Montage wird allerdings von einer anderen Firma “in Kooperation” durchgeführt – wahrscheinlich wegen der Elektro-, Wasser- und Abwasser-Anschlüsse.

Nach dem Schauraum besichtigten wir die Sägerei, wo die ,Platten zugeschnitten werden, dann den Raum, in dem die Seiten der Schrankwände verklebt werden, anschließend die Abteilung, in der die Löcher für die Scharniere gebohrt werden und zuletzt die Maschine, an der alle Teile zusammengeklebt werden.

Der sehr freundliche Paolo Marconcini meinte abschließend, es könnte wege der Größe der Küchen Probleme in der Ausstellung geben – und machte deswegen den Vorschlag: vielleicht ein kleines Objekt (Teil) zu nehmen und dazu einen Bildschirm aufzustellen, auf dem von einer CD, die er anfertigen lassen würde, das gesamte Küchen-Ensemble zu sehen sei.

V. DECO Industrie s.c.p.a. in Bagnacavallo (Gespräch am Dienstag, 24.Juni, 9 Uhr 30)

Das Gespräch wurde auf Englisch geführt – mit der Verkaufsmanagerin Dr. ssa Egle Torre und dem Responsabile Vendite Estero Luigi Terzi. Anschließend besichtigten wir zwei ihrer vier Fabriken. Filmen und photographieren durften wir in den Innenräumen nicht, aber wir machten später eigenmächtig ein paar Photos von außen.

DECO ist die Abkürzung für Detergentia Cooperativa. In zwei Fabriken werden Wasch- bzw. Reinigungsmittel produziert und in zwei weiteren Backwaren. 46% ihrer Produkte werden unter “private label” (wie Coop, Carrefour, Molino Bianco, Metro) hergestellt; 40% unter ihren eigenen Namen: Scala (Waschmittel) sowie Pineta und Loriana; 10% werden “per conto terzi” (?) produziert – für Barilla. Hinzu kommt noch ein Bio-Produkt für die Supermarktkette Esselunga. Insbesondere die Kooperation mit der Supermarktkette Coop wird als sehr gut bezeichnet. “Our business is italy,” meinte Egle Torre. Nur 2% ihrer Waren werden bisher exportiert – zumeist in die EU (nach Tschechien, England, Deutschland und Spanien), aber auch nach Südafrika, dorthin wird vor allem “Panetone” (Weihnachtskuchen) exportiert. Die Export-Quote soll erweitert werden. DECO industrie beschickt eine Messe in Parma und zwei mal jährlich eine in Köln. Ab Ende August produziert DECO industrie Weihnachtskuchen (Panetone) in ihrer Fabrik in San Michele (Ravenna), dort gehen dann bis zu 100 LKWs am Tag raus. Mit den anderen Backprodukten gehen ansonsten täglich 30 LKWs raus.

Die Detergentia-Cooperativa wurde 1951 gegründet – von einer kleinen Gruppe von Leuten, die ein Fußboden-Pflegemittel entwickelt hatte. Bald folgten weitere Flüssig-Reinigungsmittel. Die zweite Detergentia-Fabrik – in Castrocielo – produziert Waschpulver – unter dem Label “Scala”. Sie wurde erst vor ein paar Jahren gekauft. DECO industrie bekam dafür einen “Ethic Award”, denn “Scala” war das letzte italienische Label für Waschpulver, alle anderen sind im Besitz ausländischer Konzerne. Und “Scala” ist ein historischer Name, der in ganz Italien bekannt ist.

Die Fabrik für Alimenti in San Michele (Ravenna) wurde 1953 gegründet und 1991 von DECO gekauft. Dort werden Crackers und Biscuits sowie Weihnachtskuchen hergestellt, in einer zweiten Fabrik, die wir nicht besichtigten, ein Substitute for Bread – das Pfladenbrot “Pineta”. In San Michele gibt es 5 Produktionslinien, 2 davon für Biscuits, sie sind jeweils 55 Meter lang. Sowohl in Bagnacavallo als auch in San Michele gibt es ein Laboratorium, das wir auch besichtigten, dort findet die Qualitätskontrolle statt. Für ihre Produkte besitzt DECO industrie die notwenigen EU-Zertifikate.

Die Genossenschaft DECO industrie beschäftigt insgesamt 350 Mitarbeiter, davon sind 20% Frauen, 80 Mitarbeiter sind Genossenschaftsmitglieder. Bei großen Aufträgen werden regelmäßig noch Kurzzeitarbeitskräfte eingestellt. Zwei mal jährlich – zu Ostern und zu Weihnachten – findet eine Genossenschafts-Mitgliederversammlung statt, die das Genossenschafts-“Consilio” wählt.

Es wurde bisher nur wenig in Werbung investiert – vor allem in TV-Werbung, Printmedien-Werbung (sowohl in Konsumenten- und in Handelsjournale), daneben organisiert man noch Promotion-Kampagnen in Supermärkten sowohl für die Waschmittel als auch für die Backprodukte. 2009 wird es eine neue Werbekampagen geben. Weil 2007/08 so viel investiert wurde, gab es keine Prämien oder Gehaltserhöhungen. 2009 wird in der Alimenti-Fabrik in San Michele (Ravenna) eine weitere Produktionslinie für Biscuits installiert. DECO industrie produziert alle Plastikflaschen für ihre Detergentia selbst und etikettiert sie auch, anschließend werden die Waren verpackt und warten im Hochregallager darauf, von Speditionen im Auftrag der DECO-Kunden abgeholt zu werden. Auch die LKW-Fahrer sind teilweise in Genossenschaften organisiert.

Näheres zur Produktion findet sich in dem folgenden Schweizer Internet-Eintrag:

Chargen-Produktion hilft Unternehmen beim Reinemachen Die Regale jedes Supermarkts sind voll mit Hygiene- und Reinigungsprodukten, die verschiedene Lösungen enthalten und durch bestimmte aktive Inhaltsstoffe gekennzeichnet sind. Solche Lösungen werden meist nach langwierigen Unter-suchungen entwickelt. In deren Verlauf wird nicht nur die ideale Zusammensetzung bestimmt, sondern auch die optimale Herstellungs-Methode ermittelt. Da es sich bei Lösungen um Chemikalien handelt, müssen die einzelnen Inhaltsstoffe in den meisten Fällen in der richtigen Reihenfolge gemischt werden. Hierbei müssen Kombinationen vermieden werden, die zu unkontrollierbaren Reaktionen führen können. Dies ist eine Aufgabe, die Feingefühl erfordert und die durch die Notwendigkeit der Zugabe von Duft- oder Farbstoffen weiter erschwert wird.

Diese Probleme sind für Antonio Campri, Production Manager für Waschmittel bei Deco, nichts Neues. Seit zwanzig Jahren ist er in der Ravenna Group beschäftigt. Das in Italien ansässige Unternehmen wächst stetig und verzeichnete in den letzten zehn Jahren eine Umsatzsteigerung von 70 %. Allein am Standort Bagnacavallo werden jährlich 35 Millionen Packungen Waschmittel produziert. Hinzu kommen die Produkte der Marke Scala aus dem Werk Castrocielo in der Provinz Frosinone. Im Schnitt öffnet jeder Italiener alle fünf Minuten ein Produkt, das von Deco hergestellt wurde.

Das Werk Bagnacavallo, in dem jedes Jahr 35 Millionen Produkte Waschmittel hergestellt werden Produktionsmengen dieser Größenordnung können nicht von traditionellen Systemen bewältigt werden. Aus diesem Grund beschloss Deco, den Produktionsablauf durch die Einführung maßgeschneiderter Software zu automatisieren. Die Produktivität des Unternehmens wurde dadurch zwar gesteigert, jedoch wurden mehr und mehr Einschränkungen offensichtlich. Schließlich wurde entschieden, diese Lösung zu verwerfen und stattdessen einen neuen Standard für die Chargen-Produktion einzuführen, durch welchen die Phasen der Produktion und der Warenlagerung automatisch abgewickelt werden können. Rockwell Automation wurde mit der Durchführung der Änderungen beauftragt. Campri zufolge bestimmten diese Entscheidung mehrere Faktoren, darunter nicht zuletzt die vertrauensvolle Partnerschaft mit Sapi, dem Systemintegrator, der mehrere Jahre an der Automatisierung der Deco-Werke arbeitete. Der Vorschlag, unsere Lösungen FactoryTalk View, FactoryTalk Batch und Archiver zu verwenden, fand beim Unternehmen breite Zustimmung.

“Deco bietet seit jeher einen hohen Qualitätsstandard. Unsere Spitzenposition sichern wir durch den Einsatz neuester Technologien,” meint Antonio Campri, Production Manager für Waschmittel, Deco industries.

“Ein weiterer Grund besteht darin, dass die vorherige Automatisierungslösung zu viele Mitarbeitereingaben selbst bei Teiländerungen erforderte, für die außerdem äußerst spezifische Kenntnisse notwendig waren. Dadurch wurde der Betrieb des Systems für ein so dynamisches Werk wie Bagnacavallo zu komplex”, fügt Antonio Lanfredini hinzu, der Technical Director von Sapi.

Die Entscheidung zugunsten von Rockwell Automation wurde zudem durch das Angebot von Produkten beeinflusst, die regelmäßig durch neue Versionen aktualisiert werden, bei der Chargen-Produktion einen modernen Betrieb gewährleisten und vor allem ISA88-Normen und -Zertifizierungen berücksichtigen.

“In Wirklichkeit”, gibt Campri zu, “werden die Prüfungen des Mischverfahrens an den Rohstoffen durchgeführt, welche die Qualität des Produkts beeinträchtigen können, ein kleiner Teil der Dosierung liegt jedoch im Verantwortungsbereich der Mitarbeiter. Grund hierfür ist die absolute Personalisierung der Produkte auf dem Markt – in einigen Fällen werden 10 000 kg Waschmittel nur 15 g Farbe beigemischt. In quantitativer Hinsicht stellt das einen geringfügigen Anteil dar, der für die Produktion aber unverzichtbar ist.”

Campri führt weiter aus: “Zusätzlich zu den 110 Prüfungen, die automatisch vom System gesteuert werden, fallen bei uns über 300 weitere manuelle Prüfungen an. Es wäre zu kostenintensiv, diese ebenfalls zu automatisieren.” Viele Zusatzstoffe werden daher manuell eingeführt, während der Gesamtbetrieb jedoch direkt über die Software koordiniert wird. In den letzten zwei Jahren hat Deco mit Unterstützung von Sapi und Rockwell Automation einen neuen Standard für die Chargen-Produktion eingeführt Der gesamte Prozess wird mit Ausnahme der manuellen Dosierungen von der Leitwarte aus überwacht, wo auch der Server installiert und mit zwei Industrie-PCs verbunden wurde. Das gewählte Netzwerk ist für zukünftige Entwicklungen ausgelegt und wird für die Verwaltung der 170 Ventile und Motoren sowie für die Übertragung von Sensorinformationen eingesetzt. Für den Datenaustausch wird jedoch EtherNet/IP verwendet. Die neue Lösung erfüllt die von internationalen Behörden auferlegten ISA88-Normen und -Zertifizierungen.

Die Entscheidung für Ethernet hat viele positive Folgen für die gesamte Produktion von Deco, wie zum Beispiel die Nutzung von Werksdaten. Durch die neuen Kommunika-tionsmöglichkeiten kann ein Großteil der Informationen bereits zwischen den Produktions- und Managementebenen ausgetauscht werden. Im nächsten Schritt werden alle Produktionsdaten automatisch erfasst und verarbeitet. Dadurch erhalten das Management und die Mitarbeiter, die täglich mit dem System arbeiten, alle benötigten Informationen zeitnah und in strukturierter Form. Weitere Produktionsverbesserungen sind zudem dank der Skalierbarkeit von FactoryTalk View zu erwarten. Bereits jetzt können bis zu drei verschiedene Produktionslinien parallel verwaltet werden. Das trägt zu einer maximierten Produktivität des gesamten Werks bei. Im Vergleich mit dem vorherigen System ist die Produktion um 35 % gestiegen, während die Qualität der Produkte ebenfalls weiter verbessert wurde. Durch diese Entwicklungen sind die Mitarbeiter von Deco nun in der Lage, zahlreiche Produkte zu verwalten, indem das jeweilige Rezept einfach auf dem PC aufgerufen wird. Das System fügt die Einzelkomponenten automatisch in der richtigen Reihenfolge und mit allen notwendigen Prüfungen zu Drehzahlen, Zeit und Mischtemperatur hinzu. Für diese Aufgabe verwendet Deco eines unserer SLC 500-Systeme, das 600 Digital- und Analog-E/A verarbeitet. Durch den Einsatz der besten derzeit erhältlichen Automatisierungssysteme kann das Produktionssystem insoweit optimiert werden, dass Produkte erzeugt werden, die die Marktnachfrage nach Reinigungsprodukten für jeden Zweck erfüllen.

(Aus: http://www.rockwellautomation.ch/applications/gs/emea/gsch.nsf/pages/at070207)

Frau Egle Torre versprach uns, Photos zu schicken – u.a. von der Misch-Abteilung in der Flüssig-Waschmittelfabrik, aber auf Wunsch auch noch andere. Auch eine DVD von der Produktion könnte man uns schicken.

VI. Ceramica D’Imola in Imola (Gespräch am Dienstag, 24 Juni, 14 Uhr 30)

Das Gespräch mit Barbara Venturini von der Marketing-Abteilung, die kein Englisch oder Deutsch sprach und wir, in dem Moment etwas verunsichert, auch nur radebrechend italienisch, war kurz und wahrscheinlich missverständlich. Sie wollte einen Dolmetscher besorgen, konnte das jedoch nicht mehr am selben Tag, wir dagegen mussten früh am nächsten Tag schon wieder in Zürich sein.

Statt eines Gesprächs mit einem Verantwortlichen schauten wir uns die zwei riesigen und sehr luxuriös wirkenden Schauräume sowie das Museum der ältesten Produktivgenossenschaft Italiens an (1874 gegründet) und photographierten auf dem Gelände. Außerdem erwarben wir ein teures zweibändiges Werk über die Geschichte und die Produkte der Ceramic D’Imola, die in und um Imola jeder kennt – auf Englisch.

Ceramica D’Imola hat eine eigene Künstlerabteilung. Es ist der Vorzeigebetrieb in der Region und wir sollten unbedingt einige Exponate von ihnen bekommen. Vor einige Jahren übernahm die Genossenschaft in Imola noch die Keramikproduktion von LaFaenza, vielleicht handelt es sich dabei aber auch ein Joint-Venture zwischen Ceramica D’Imola und LaFaenza.

In einem Internet-Präsentation des kalifornischen Keramik-Importeurs Larry E. Bedrosian heißt es über die Geschichte der Genossenschaft Ceramica D’Imola:

“Among hundreds of Italian companies producing ceramic tiles, Cooperativa Ceramica d’Imola occupies a unique position. Its unceasing search for new ideas and capabilities has earned the company the long-standing reputation as a leader in its field, emphasizing the importance of research and technology while maintaining the highest possible standards of workmanship and design.

With three factories and fully-automated production facilities, Cooperativa Ceramica d’Imola is one of the five largest ceramic producers in Italy, with a range of products and activities that span the centuries and combine the disciplines of craftsmanship, science, architecture and fine art.

Its origins were in a 15th century ceramics shop in the Italian town of Imola, producing fine glazed traditional pottery. Over the many years , the business grew into a small ceramic industry. In an historic move, Giuseppe Bucci, the owner in 1874, transferred ownership of the company to its workers. The result was Italy’s first cooperative, a company owned and managed by the people who worked there. The philosophy of this utopian ideal led to the adoption of the company’s symbol, the industrious and cooperative bee.

In 1913, production was expanded to include wall tiles as well as pottery, and in 1922, a former glassworks on Imola’s Via Veneto (Veneto Street) was purchased to become the company’s first tile factory. Today, the 33,000 square meter plant is still in operation producing double-fired, decorative tiles for interiors and exteriors. These tiles have made the town of Imola and Cooperative Ceramica d’Imola, renowned throughout the world.

Imola has continually updated its facilities to keep pace with production and technological evolution. All of the factories are equipped with advanced machinery, with completely automated pressing, glazing, seriographic color varnishing and firing. Together, they produce millions of square meters of tiles each year which are shipped all over the world.

For Cooperativa Ceramica d’Imola, styling is as important as the quality of raw materials used as well as quality of its end-products. The company has developed partnerships with artists, designers and others who use ceramics as an instrument of creative expression, in projects with the widest range of experimentation.

The fine glazed artistic pottery, the company’s first love, is still considered with respect. But Imola has moved far beyond tradition to stand in the forefront of today’s ceramic industry. Its present production combines sophisticated lines and materials with a business policy committed to the reinvestment of profits which has proven to be a winning combination.

Imola’s market area now reaches more than 75 countries around the world. And with the support and cooperation of master distributors like Bedrosians, Cooperativa Ceramica d’Imola will play out its future development on a worldwide scal with its characteristic combination of originality and professionalism.”

Im “imolainfo” der webpage “americantile.us” heißt es:

“Today, Cooperativa Ceramica d’Imola occupies a place at the summit of the industry in terms of technology and production standards as demonstrated by its export volumes which account for 75% of total sales.

Cooperativa Ceramica d’Imolas total production amounts to 16 million square meters per year: it manufactures single-fired, double-fired and fine porcelain stoneware tiles in a wide range of sizes. As far as the production of fine porcelain stoneware tiles is concerned, Cooperativa Ceramica d’Imola manufactures the largest tiles in the world.

IMOLA ENGINEERING is the technical division of Cooperativa Ceramica d’Imola set up to help designers in the application of large slabs in fine porcelain stoneware.

The Artistic Workshop produces traditional and artistic ceramics revealing the companys commitment to artistic expression.

Like any other story, that of Cooperativa Ceramica d’Imola is based on important dates and events. It’s origins date back to a 15th ceramic shop of fine glazed traditional pottery that developed into a ceramic industry with the passing of time. In 1874 the small majolica and tableware factory, known as Fabbrica Bucci, was sold by the then owner, Giuseppe Bucci, to his workers who created the first form of cooperative enterprise in Italy. The use of the bee as a symbol, indicating the virtues of hardwork and cooperation, came about at a time when the workers considered the values of the community and solidarity as the basis for the future. Then came 1913 when production was enlarged, a decision was taken to manufacture not only glazed traditional pottery and crockery but also wall tiles. This quality leap demanded new space in a short amount of time, so in 1922 the glassworks of via Veneto were purchased. By then the cooperative held a strong position (had a central role) in the development of Imola’s ceramic industry. The war caused destruction. But this was overcome by the will to reconstruct, start again and update inorder not to lose out all the technical and productive developments. This growth lead to a new production center set up in via Correcchio in the 70’s that was divided into three establishments for single-fired and double-fired tile production. In the 80’s Cooperativa Ceramica d’Imola purchased the Borgo Tossignano plant for the production of fine porcelain stoneware tiles: the company was then able to offer it’s customers a complete range of ceramic products.”

2008 vermeldete der IBM-Konzern auf seiner Webpage:

The Cooperativa Ceramica d’Imola created its own Web catalogue solution on the System i5 platform, integrated with its existing ERP software – PROJ AFC from IBM Business Partner Gruppo Pro. The catalogue draws product and pricing data from the same database as the ERP and production systems, all managed using IBM DB2 Universal Database, an integral part of all System i5 solutions.” Dazu zitierte IBM den Leiter der EDV-Abteilung der Cooperativa Ceramica d’Imola, Gianni Comoretto: “We chose System i5 because it offered the security and robustness we needed to make the Web catalogue a reality. The IBM solution helps to ensure that the catalogue is always available for our customers, while keeping our internal production systems running too.”

Im deutschsprachigen Internet findet man nur einige Hinweise von Schweizer Keramikhändlern oder Einrichtungshäusern über die Cooperativa Ceramica d’Imola bzw. ihre Produkte.

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Allgemeine Reise-Bemerkungen:

In der Toskana – von Vinci und Florenz über Imola bis hin in die Emilia Romana nach Ravenna gibt es überall solche kleinen und mittleren Betriebe in der Landschaft bzw. in den Orten. Dazwischen eine Unzahl von Gartenbaubetrieben – mit Ziersträuchern, Obstbäumen und Weinanbau, einige Höfe betreiben “Agritourismo”. Auch dabei handelt es sich nicht selten um “Cooperative”. Es gibt in der Gegend nicht nur einen noch relativ engen Zusammenhang zwischen Arbeiten und Wohnen, sondern auch einen zwischen Industrie- und Agrikultur. Und dies versucht man auch bei den neugeplanten Gewerbe-Wohn-Gebieten (z.B. in Empoli) beizubehalten. Antonia photographierte einige ihrer Meinung nach architektonisch besonders gelungene Industrie- und Handelsbetriebe.

In einem Bericht der Fachhochschule für Soziale Arbeit beider Basel (FHS-BB) heißt es:

“Die italienische Genossenschaftsbewegung In Italien haben Genossenschaften eine lange Tradition. In der Region Emilia Romagna konzentriert sich sogar die grösste genossenschaftliche Produktion der Welt: Mitte der 80er Jahre arbeiteten hier 50% der Bevölkerung in einer Kooperative. Im Verlaufe der Zeit haben sich die Genossenschaften den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. Während früher die landwirtschaftliche Kooperative mit Mittelpunkt stand, entstehen heute Kooperativen wie Gemeinschaftspraxen freier Berufe, neue Dienstleistungsagenturen, Softwarehäuser, Freizeit-, Bildungs- und Kultureinrichtungen. Eben so, wie sich die Genossenschaften den Bedürfnissen der Zeit angepasst haben, wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts die Gesetzgebung permanent an die Entwicklung angepasst. Aus der Vielzahl der Genossenschaften ist eine eigentliche Kultur der Kooperation erwachsen, die heute dazu beiträgt, dass die Emilia Romagna zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen der Welt gehört. Diese Kultur der Kooperation zeigt auch über die genossenschaftlich organisierte Wirtschaft hinaus Wirkung. Ein Beispiel dafür: Die regionale Wirtschaftsförderung akquiriert auf dem Markt der globalen Wirtschaft Aufträge, die keiner der Betriebe in der Region allein ausführen könnte. Um den Auftrag ausführen zu können, werden die verschiedenen Teilarbeiten unter den Betrieben der Region aufgeteilt. 80% der Vereinbarungen, die für die Kooperation nötig sind, laufen per Handschlag, also auf blosse mündliche Absprache hin. Genossenschaften sind für ganz Italien von wirtschaftlicher Bedeutung. 1970 waren insgesamt 48.297 Genossenschaften registriert, 10 Jahre später bereits 84.183, Ende 1990 zählte das Land gar 159.417 genossenschaftliche Unternehmen. In den vergangenen Jahren konnten sich die Genossenschaften vor allem auch in wirtschaftlichen Übergangszonen im Süden etablieren.”

In der italienischen Verfassung von 1947 gibt es den Artikel 45, der da heißt:

“Die Republik anerkennt die gesellschaftliche Funktion der Genossenschaft mit Selbsthilfecharakter und ohne die Zielsetzung des privaten Gewinnstrebens. Das Gesetz fördert sie und begünstigt ihr Wachstum mit den dafür geeigneten Mitteln und garantiert ihren Charakter und ihre Zielsetzungen durch entsprechende Kontrollen.”

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Einige linke Theoretiker in Bologna (u.a. Bifo), mit denen Arne Hector und Minze Timmescheit, die einen Film über einige Genossenschaften drehen, sprachen, aber auch Sergio Bologna aus Mailand sehen die ganzen italienischen Genossenschaften aus der Sicht der Arbeiter – und schätzen sie gering ein. Sowohl in bezug auf den Lohn als auch in bezug auf die Tätigkeit (zunehmende Trennung von Hand- und Kopfarbeit), wobei die Genossenschaften wohl ihrer Meinung nach eine Selbstorganisation der Arbeiter sogar noch erschweren – im Gegensatz zur Großindustrie (Fiat, Pirelli, etc.), die sich nach den letzten Erfolgen der Arbeiterbewegung reorganisiert hat, indem sie u.a. alle und alles mögliche outsourcte. Italien hat inzwischen EU-weit die meisten Selbständigen – und diese haben sich eben vielfach auch in Genossenschaften organisiert oder wurden darin organisiert, wobei sie nach Meinung von Sergio Bologna nun weniger eine Dienstleistungsgenossenschaft bilden, sondern scheinselbständige Produktionszuarbeiter.

Es wurde uns in Italien klar, dass die osteuropäischen Genossenschaften heute verständlicherweise einen größeren Nachholbedarf an Produktdesign und Marketinganstrengungen haben als die westeuropäischen Genossenschaften – allen voran Italien, das sowieso sehr designorientiert ist. Dies lässt sich schon dadurch veranschaulichen, dass z.B. die Geschäftsführerin der Spielzeuggenossenschaft in Südböhmen/Mähren, die immerhin 10 Jahre in den USA arbeitete, uns fragte “Womit haben wir das verdient” – dass ihr unsere Produkte kostenlos in Berlin ausstellen und verkaufen wollt? Während auf der anderen Seite der Geschäftsführer der Keramik-Genossenschaft in der Toskana derart abgeneigt war, auch nur einen seiner senfgelben Teller mit Blumenmuster nach Berlin abzugeben, dass wir uns im Verlauf des kurzen Gesprächs mit ihm wie lästige Bittsteller vorkamen. Dennoch: Margarita Sack von CIVE in Vinci war besonders an Kontakten mit außeritalienischen Designern bzw. Designstudenten interessiert. Vielleicht weil sie sich von denen erhoffte, dass ihre Chefin auf neue Designideen kommt.

Die Italiener reisen anscheinend nicht so gerne, noch weniger mögen sie Fremdsprachen lernen, desungeachtet zwingt sowohl die EU-Integration wie die derzeitige ökonomische Krise Italiens sie, sich außerhalb des Landes umzutun, um alle geschäftlichen Möglichkeiten und Chancen wahr zu nehmen, mindestens ein Interesse dafür zu entwickeln. In diesem Zusammenhang war es besonders bedauerlich, dass der Kontakt mit der Keramikgenossenschaft von Imola fast fehlschlug. Obwohl auch hierbei anzumerken wäre, dass es schon seltsam ist, dass eine für die Produktvermarktung zuständige Managerin nicht einmal drei Worte Englisch sprach, das ja die EU-Verhandlungssprache ist oder sein soll. Wir glauben jedoch, dass man eine Kooperation mit dieser Genossenschaft doch noch irgendwie hinkriegen kann.

Wie erwähnt scheinen vielen osteuropäische Genossenschaften eine größere Fertigungstiefe als westeuropäische zu haben, die oft nur Montagebetriebe sind (wie ja auch unsere deutschen Autofabriken). “Just in time” statt großer Lagerkapazitäten ist deswegen für sie kein wichtiges Stichwort. Siehe das riesige Holzlager der südböhmischen/mährischen Spielzeuggenossenschaft, die sogar so weit geht, dass sie ihr Buchenholz direkt aus tschechischen Wäldern bezieht, wobei sie auch noch für die Wiederaufforstung sich verantwortlich fühlt. Dies zusammengenommen sowie die jüngste kommunistische Vergangenheit hat anscheinend im Osten vordergründig zu sehr antiideologischen Genossenschaften geführt, die jedoch an ihrer Basis immer noch sehr sozialistisch – arbeiterlich orientiert sind. In Italien scheint es dagegen eher umgekehrt zu sein: Dort geben sich die Genossenschaften und ihre Direktoren/Präsidenten sehr linksideologisch gefestigt, in ihrer Struktur, im Inneren scheinen sie jedoch eher konventionell-kapitalistisch ausgerichtet zu sein. Dies mag aufgrund der schmalen Erfahrungsgrundlage/Datenmenge etwas voreilig geurteilt zu sein, zumal wir stets nur mit Führungspersonal, wie man so schön sagt, zu tun hatten, aber wir lassen es trotzdem erst einmal so – als Hypothese – stehen.

Seltsam war im übrigen auch, dass das Filmen und Photographieren in den italienischen Genossenschaften stets ein wenig den Charakter von Industriespionage hatte (wenn es uns nicht sowieso von vorneherein verboten wurde), und dass bei den tschechischen Genossenschaften nicht einmal der Gedanke daran aufkam – beim nun wirklich intensiven Herum-Filmen und -Photographieren. Bei der Glasbläser-Genossenschaft in Vinci, dem Geburtsort von Leonardo da Vinci, wo es nun eine Fachschule für Optik und Optometrik gibt, verbat man sich wie oben bereits angedeutet sogar das Photographieren der Fabrik von der Straße aus, weil der Gärtner noch nicht dagewesen sei, um das Terrain in Ordnung zu bringen. Ähnlich bei der Waschmittel-Genossenschaft, wo wir dann von der gegenüberliegenden Straßenseite ein Photo von der Fabrik mit Teleobjektiv machten.

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Literaturempfehlungen – noch von unterwegs, von Arne Hector in der Villa Romana, der mit Minze Tummescheit in ihrem Film über einige wenige Genossenschaften sozusagen in die Tiefe geht, während wir mit unseren Kurzinterviews eher die Breite der Genossenschaftsbewegung zu erfassen suchen. Kann man hierbei überhaupt von einer “Bewegung” sprechen? In der “Alternativbewegung” ab den Siebzigerjahren hatte ich noch das Gefühl, aber diese wurde ja auch noch gleichsam noch von der ausrollenden Studentenbewegungswelle angeschoben damals. Hier kommt der Schub für die Genossenschaftsgründungen in Ost und West nun von der um sich greifenden Arbeitsplatznot und der anhaltenden Privatisierung von Volksvermögen durch Staat und Kommunen, wobei die Genossenschaft als eine Art dritter Weg begriffen wird, als basisregionalistische Lösung statt seiner Vergesellschaftung auf Aktienbasis oder der Wiederverstaatlichung.

Ein Buch über die derzeitige deutsche Genossenschafts-Diskussion, herausgegeben von der AG Spak in Kassel.

Ein Buch über eine inzwischen nicht mehr existierende Glasbläser-Genossenschaft bei Kassel, von Erasmus Schöfer.

Peter Lindner: “Der Kolchoz-Archipel im Privatisierungsprozeß”, März 2008
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Ein Vortrag von Frederico Agostini über italienische Genossenschaften, gehalten auf einem Workshop der Rosa-Luxemburg-Stiftung, wozu es in der Ankündigung der RLS heißt:

“Auf dem Workshop soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit genossenschaftliche Ansätze Alternativen zur Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge bieten können – In den letzten Jahren ist das Interesse an Genossenschaften gewachsen: ILO und UNO haben sich mehrfach intensiv mit der Genossenschaftsproblematik befasst. Sie haben Empfehlungen und Programme diskutiert und verabschiedet, die darauf zielen, die Potenzen von Genossenschaften für die Lösung sozialer und globaler Probleme zu erschließen. Hunger, Unterentwicklung, Armut, Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen, Arbeitslosigkeit, unwürdige Arbeitsbedingungen und soziale Ausgrenzung werden als Herausforderungen genannt, für deren Überwindung Genossenschaften eine relevante Rolle spielen könnten. Staaten und Regierungen, wirtschaftspolitische Zusammenschlüsse, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Akteure der Zivilgesellschaft werden aufgerufen, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, das der Gründung und Entwicklung von Genossenschaften förderlich ist.”

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte mich herzlich für die Einladung bedanken und zum Ausdruck bringen, dass ich mich sehr darüber freue, Ihnen heute einen Überblick über die Bedeutung des Genossenschaftssektors in Italien für Beschäftigung und soziale Versorgung zu geben. Ich bin Federico Agostini und komme aus Trient, eine kleine Stadt in Norditalien. Ich habe Volkswirtschaft an der Universität Trient und an der Technischen Universität Dresden studiert. Zur Zeit bin ich Praktikant beim Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e.V. in Hamburg. Meine Fortbildung in Deutschland erfolgt durch die Unterstützung des provinziellen Genossenschaftsverbands Trentinos. Ich habe meinen Vortrag in zwei Teile gegliedert. Zunächst erfolgt ein allgemeiner Überblick über die Eigenschaften des italienischen Genossenschaftssektors. Anschließend informiere ich Sie gern über die Sozialgenossenschaften, die von einer interessanten Entwicklung innerhalb der letzten 15 Jahren gekennzeichnet sind.

1. Einführung

Die Genossenschaftsbewegung ist schon lange Zeit ein wesentlicher Bestandteil der italienischen Gesellschaft. Mit ihrem Dasein beeinflusst sie zahlreiche Sektoren der nationalen Ökonomie und sie fördert die kontinuierliche Schaffung neuer Arbeitsplätze. Sie ist im Gegensatz zu anderen Ländern nicht nach Sektoren, wie Landwirtschaft, Wohnbau, Arbeitsgenossenschaften usw. organisiert, sondern nach politisch- ideologischer Überzeugung, die in vier nationalen Dachverbände vertreten werden. Die Gründung der nationalen Genossenschaftsverbände führte zur Entwicklung und Verbreitung der Genossenschaftsbewegung in Italien. In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts verbreiteten die Genossenschaftsprinzipen, Selbsthilfe, Verwaltung und Verantwortung, sich schnell in den ärmeren Klassen der Bevölkerung, die eine effektive Möglichkeit sahen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Schon im Jahr 1886 wird der erste nationale Bund der Kooperativen gegründet, die LEGACOOP, sie vertritt das linke, sozialdemokratische Spektrum. Die Lega war Dreh- und Angelpunkt der Arbeiterbewegung und hatte sich pragmatisch den Erwerbs- und Wirtschaftsinteressen der abhängig Beschäftigten geöffnet. 1919 wurde die Lega von einem Teil der Mitglieder mit christlich-katholischen Glauben verlassen, um einen neuen nationalen Verband, die CONFCOOP, zu gründen. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Prinzipien des Genossenschaftswesens durch die Aufnahme in die italienische Verfassung verstärkt. In diesem Artikel wurde die Unterstützung genossenschaftlicher Wirtschaft von Staats wegen festgeschriebenen.

In den 60. und 70. Jahren wurden zwei weitere Nationalverbände gegründet. Die AGCI (Associazione Generale Cooperative Italia) im Jahr 1952 – die das laizistische Lager vertritt und im Jahr 1971, aus einer Abspaltung von Confcoop, die UNCI (Unione Nazionale Cooperative Italiane), die sich von der christlichen Prinzipen der katholischen Kirche inspirieren lassen. (Laizität: betrifft das Verhältnis von Kirche und Staat und beinhaltet die grundsätzliche Neutralität des Staates allen Religionsgemeinschaften gegenüber.)

1.1 Die italienische Besonderheit

Es ist schwer die italienische Genossenschaftsbewegung mit exakten Angaben zu quantifizieren, da keine amtliche Zählung zur Verfügung steht und die verfügbaren Forschungen, aufgrund unterschiedlicher Berechnungsgrundlagen, schwer vergleichbar sind. Die einzige Ausnahme gilt für die Sozialgenossenschaften, die im Rahmen vieler wissenschaftlicher Forschungen und statistischer Erhebungen untersucht wurden. Zudem gibt es einen großen Teil der nicht in einem Verband angeschlossenen Genossenschaften, da eine Mitgliedschaft in Italien nicht verpflichtend ist. Diese Genossenschaften stellen insgesamt fast 44 % der aktiven Genossenschaften in Italien. Für diese Gruppe stehen nur wenige Angaben zur Verfügung. Eine wichtige statistische Quelle wird vom Industrieministerium herausgegeben. Diese allgemeine Übersicht beinhaltet eine lange Zeitreihe. Ein Nachteil in dieser Statistik ist, dass die Anwesenheit der Genossenschaften in Italien überschätzt wird, weil die gleiche Genossenschaft in mehr als einer Kategorie eingetragen werden kann und weil viele dieser Genossenschaften jedoch nicht mehr aktiv sind und trotzdem nicht gelöscht werden. Die hier angewandten Datenquellen sind die 4 nationalen Verbände und die Handelskammer. Die Vorteile dieser Angabequellen sind, dass die Forschungsinstitute der Nationalverbände häufige Kontrollen und Befragungen über der Eigenschaften ihrer Mitglieder durchführen. 56 % aller Genossenschaften sind den Verbänden angeschlossen. Es gibt die übereinstimmende Meinung, dass es sich dabei vor allem um die dauerhaft erfolgreichen Unternehmen handelt; Ein Nachteil ist, dass jeder Verband andere Berechnungsgrundlagen für die Statistiken verwendet. So wird z.B. die Beschäftigungszahl mit unterschiedlichen Berechnungskriterien errechnet. Teilzeitbeschäftigte werden ganz oder nur anteilig berücksichtigt?

2 Anzahl der Genossenschaften in Italien

Im Jahr 2002 sind fast 72.000 Genossenschaften in Italien tätig. Die größte Konzentration ist im Nord mit 38 % zu verzeichnen. In Mittelitalien sind 15% der Genossenschaften angesiedelt, 16% befinden sich auf den Inseln (Sardinien und Sizilien) und 31% sind in Süditalien.

Ein Vergleich zwischen den Situationen an den Stichtag 31.12.2000 und 31.12.2002 zeigt deutlich, dass die Zahl der Genossenschaften ständig gestiegen ist von knapp 67.400 im Jahr 2000 auf fast 72.000 im Jahr 2002. Im Laufe von 2 Jahre wurden fast 4.400 neue Genossenschaften gegründet. Dies entspricht einem Anstieg von über 6 % gegenüber der Vergleichsperiode.

(Hier bricht die Kopiermöglichkeit des Vortrags ab)

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2008/08/24/italienische_produktivgenossenschaften_18/

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kommentare

  • Europäisch verzerrter Wettbewerb

    Was ist das für ein “Wettbewerb”, wenn eine Handvoll Arbeiter es auf sich nimmt, gegen drei oder vier Konzerne anzutreten?

    IP/08/953
    Brüssel, 17. Juni 2008

    Staatliche Beihilfen: Kommission ersucht Italien um
    Informationen zu Steuerregelungen für
    Einzelhandels- und Bankgenossenschaften
    Die Europäische Kommission hat Italien gemäß den Beihilfevorschriften des
    EG-Vertrags um Informationen über die für Einzelhandels- und
    Bankgenossenschaften geltenden Steuerregelungen gebeten. Sie unterzieht
    diese Regelungen einer genaueren Prüfung, da mehrere Beschwerden
    eingingen. Die derzeitige Untersuchung soll sicherstellen, dass die
    fraglichen Maßnahmen, die bereits vor Inkrafttreten des EG-Vertrags galten
    und folglich als bestehende Beihilfen angesehen werden können, mit später
    erlassenen Beihilfevorschriften vereinbar sind. Bei ihrer Analyse wägt die
    Kommission sorgfältig ab zwischen den besonderen Zielen des
    Genossenschaftsmodells und etwaigen durch die Besteuerungsregelungen
    bewirkten Wettbewerbsverzerrungen. Die Kommission ist in der
    gegenwärtigen Verfahrensphase der Ansicht, dass die Steuermaßnahmen
    unter bestimmten Umständen keine Beihilfen darstellen und dass sie in den
    Fällen, in denen sie doch als Beihilfen anzusehen sind, im Großen und
    Ganzen mit den EG-Beihilfevorschriften vereinbar sind. Was die Regelungen
    für große Genossenschaften angeht, die den EU-Beihilfevorschriften
    möglicherweise zuwiderlaufen, so hat Italien jetzt die Möglichkeit, sich zur
    Analyse der Kommission zu äußern, bevor diese ihre Schlussfolgerungen
    zieht. Die Tatsache, dass ein Verfahren eingeleitet wurde, greift dessen
    Ergebnis nicht vor.
    Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes kommentierte das Vorgehen der
    Kommission wie folgt: „Wir wägen sorgfältig ab zwischen dem Schutz der
    Genossenschaften und dem Interesse der Verbraucher an einem unverfälschten
    Wettbewerb auf dem Einzelhandelsmarkt. Steuererleichterungen für kleine,
    mutualistisch funktionierende Genossenschaften und Vergünstigungen, die durch
    eine soziale Zielsetzung im Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt sind, wollen wir
    erhalten, ungerechtfertigte Steuerbefreiungen für große Genossenschaften jedoch,
    die im direkten Wettbewerb mit traditionellen Handelsgesellschaften stehen,
    unterbinden. Ich bin zuversichtlich, dass wir in dieser Sache rasch eine Lösung
    finden, wenn wir die gute Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden fortsetzen
    können.“
    Aus den Reaktionen der italienischen Behörden geht hervor, dass die fraglichen
    Maßnahmen für Genossenschaften aller Größen und Sektoren eingeführt wurden.
    Seit 2003 gelten die steuerlichen Sonderregelungen für alle Genossenschaften, die
    den Großteil ihres Geschäftsbetriebs mit ihren Mitgliedern abwickeln („überwiegend
    mutualistische“ Genossenschaften).

    Die wichtigsten Aspekte der untersuchten Maßnahme sind:
    – Abzug der in die unteilbaren Rücklagen eingestellten Gewinne vom
    steuerpflichtigen Einkommen,
    – Abzug der an die Mitglieder gezahlten Genossenschaftsdividenden (ristorni)
    vom steuerpflichtigen Einkommen,
    – Steuerlicher Abzug für die den Mitgliedern für kurzfristige Einlagen gezahlten
    Zinsen.
    Bei der vorläufigen Würdigung wurde die Bedeutung der Feststellungen für andere
    Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten und anderen, von den Beschwerden
    nicht betroffenen Sektoren tätig sind, berücksichtigt. Die Schlussfolgerungen lassen
    sich folgendermaßen zusammenfassen:
    Die Kommission erkennt grundsätzlich die wirtschaftliche und gesellschaftliche
    Bedeutung der Genossenschaften an. Da Genossenschaften im Interesse ihrer
    Mitglieder handeln und einem bestimmten Unternehmensmodell folgen, haben sie
    ganz bestimmte Eigenschaften. Diese unterscheiden sie von den gewinnorientierten
    Unternehmen, vor allem, wenn sie vollständig nach dem Mutualitätsprinzip
    funktionieren und ihre Einnahmen allein durch die Geschäftsbeziehungen zu ihren
    Mitgliedern erzielen.
    Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist festzustellen, dass Genossenschaften trotz dieser
    Besonderheiten durchaus auch Gewinne in Geschäften mit
    Nichtgenossenschaftsmitgliedern erzielen und sich auf dem Markt genauso
    verhalten wie gewinnorientierte Unternehmen. Nach Auffassung der Kommission
    können steuerliche Vergünstigungen für Genossenschaften unter diesen Umständen
    eine staatliche Beihilfe darstellen. Für alle Arten von Unternehmen in derselben
    Situation sollten gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten. Die Beihilfe kann jedoch
    mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein, wenn die positiven Effekte durch den
    Beitrag der Genossenschaften zu sozialen Zielen größer sind als die negativen
    Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel. Dies dürfte bei kleinen und
    mittleren Unternehmen, also bei der überwiegenden Mehrheit der
    Genossenschaften, der Fall sein.
    Aus diesem Grund ist die Kommission in dieser Verfahrensphase vorläufig der
    Auffassung, dass folgende Maßnahmen als Beihilfen angesehen werden können:
    i) der Abzug von in die unteilbaren oder teilbaren Rücklagen eingestellten Gewinnen
    aus Geschäften mit Nichtgenossenschaftsmitgliedern vom steuerpflichtigen
    Einkommen „überwiegend mutualistischer“ Genossenschaften. Im Falle großer und
    nicht mutualistischer Genossenschaften wird der gesamte Steuerabzug als Beihilfe
    angesehen, da die Mitglieder nicht wirklich an der Tätigkeit der Genossenschaft
    teilnehmen und die Genossenschaft dann eher einem gewinnorientierten
    Unternehmen gleicht. Dennoch wird dieser Steuerabzug für die obligatorischen
    unteilbaren Rücklagen und, im Falle von KMU, für alle unteilbaren Rücklagen als mit
    dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfe angesehen.
    ii) der steuerliche Abzug für die Verzinsung kurzfristiger Gesellschafterdarlehen,
    denn er bezieht sich nicht auf Tätigkeiten, bei denen die Mitglieder tatsächlich am
    Betrieb der Genossenschaft mitwirken. Vielmehr handeln Mitglieder, die der
    Genossenschaft verzinste Darlehen gewähren, als externe Kapitalgeber, die die
    wirtschaftlichen Risiken der Genossenschaft nicht teilen. Diese Maßnahme wird
    vorläufig als nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen.
    Der Abzug der an die Mitglieder gezahlten Genossenschaftsdividenden vom
    steuerpflichtigen Einkommen wird dagegen nicht als Beihilfe angesehen, da sie
    ausschließlich genossenschaftsintern erwirtschaftet werden.

    Diese Feststellungen sind vorläufig. Mit ihrem Schreiben an Italien möchte die
    Kommission erreichen, dass die italienischen Behörden die mit den EG-Vorschriften
    unvereinbaren Beihilfeelemente, die sich aus den fraglichen steuerlichen
    Regelungen ergeben können, überprüft. Stellungnahmen Dritter, insbesondere der
    Genossenschaftsverbände, könnten in diesem Zusammenhang hilfreich sein.
    Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt
    sind, wird die nicht vertrauliche Fassung der Entscheidung auf der Website der GD
    Wettbewerb im Beihilferegister unter der Nummer E1/2008 veröffentlicht. Über neu
    im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfeentscheidungen informiert der
    elektronische Newsletter State Aid Weekly e-News .

  • Dafür hielt Frederico Agostini seinen Vortrag auch noch auf einer Tagung der Hans-Böckler-Stifung, der Heinrich-Kaufmann-Stiftung und des Instituts für Genossenschaftswesen an der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Bezirk Berlin-Brandenburg.

    Das Tagungsthema lautete:
    “Jobmaschine Genossenschaft – Ein internationaler Vergleich”

    Dazu hieß es in der Vorankündigung:

    In den meisten Ländern Europas sind am Ende
    des 19. Jahrhunderts in großer Zahl genossen-
    schaftliche Selbsthilfeorganisationen zur Bewälti-
    gung sozialer Probleme entstanden. Wenn ihnen
    dies damals gelungen ist, könnten Sie vielleicht
    auch bei der Bewältigung aktueller Probleme
    Ähnliches leisten.
    Die Tagung greift ein besonders dringliches
    Thema auf : die Frage nach genossenschaftlichen
    Lösungen zur Belebung des Arbeitsmarktes.
    Die Referenten geben einen Überblick über die
    Entwicklung und verschiedene Initiativen von
    Genossenschaften in Deutschland und im Nach-
    barland Polen. In beiden Ländern bleibt die Zahl
    der Neugründungen von Genossenschaften weit
    hinter denen anderer Rechtsformen zurück.

    Danach erfolgt eine detaillierte Darstellung der
    Situation in Italien, eine Beschreibung und
    Begründung der lebhaften Entwicklung der
    Genossenschaftsgründungen mit Erörterung der
    entsprechenden gesetzlichen Rahmen-
    bedingungen.

    In der Abschlussdiskussion wird der Frage nach-
    gegangen werden, inwieweit sich die Situationen
    und die jeweiligen Regelungen in den drei Län-
    dern miteinander vergleichen lassen und welche
    Rückschlüsse für die Situation in Polen und in
    Deutschland aus dem Fallbeispiel Italiens abge-
    leitet werden können. Dabei wird der Blick darauf
    zu richten sein, welche Möglichkeiten die europäi-
    sche Integration für die Genossenschaften eröff-
    net.

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