vonHelmut Höge 11.02.2009

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

Mehr über diesen Blog

Der Wirt des Café Jenseits am Heinrichplatz gab mir gestern ein Bürgergegehren gegen das Rauchverbot zum Unterschreiben. Das tat ich – und machte mich dann auf in die Mohrenstraße in Mitte, wo im Institut für Europäische Ethnologie der HUB die Ausstellung eines Studienprojekts eröffnet wurde, die “The Last Cigarette” hieß. Den Einführungstext, der sich auch auf dem Plakat findet, hatte Rolf Lindner geschrieben. Es gab Sekt und Salzgebäck. Die Ausstellung bestand aus Photos von zigaretterauchenden Menschen sowie aus ausgewählten Zitaten das Rauchen von Zigaretten betreffend. Mit einigen Ausstellungsmachern führten wir, d.h. die taz-Archivarin und Ethnologin Eva Berger und ich, lange Gespräche über das Kulturgut Kippe.

Als das Rauchverbot begann schrieb ich eine Kolumne über zwei Jugendliche mit Migrationshintergrund, denen ein pensionierter deutscher Studienrat in einem Münchner U-Bahnhof das Rauchen untersagte, woraufhin die ihn verprügelt hatten. In meinem Text versuchte ich ihre Tat zu verteidigen. So viele wütende Leserbriefe habe ich noch auf keinen anderen Text bekommen wie auf diesen, einige Neonazis drohten mir sogar mit Mord und taz-intern gab es Stimmen, die ein Schreibverbot für mich forderten.

In der Ausstellung der Ethnologen fand ich dazu nun passend ein Zitat von Fritz Lickint – aus seiner Broschüre “Jugend und Tabak” (1959):

“Sicher ist aber wohl auch, dass rauchende Jugendliche allmählich immer hemmungsloser werden können. Ist es doch schon vorgekommen, dass junge rauchende Burschen handgreiflich gegenüber älteren Menschen geworden sind, wenn diese ihnen aus diesem oder jenem Grunde das Rauchen untersagen wollten.”

In anderen ähnlichen Zitaten von postfaschistischen kerndeutschen Arschlöchern das Rauchen betreffend findet man immer wieder den Begriff “Die Jugend von heute”. Dieser Begriff wird auch heute noch von frühvergreisten Deutschen gerne verwendet, aber nicht in bezug auf das Rauchen, denn Ende der Sechzigerjahre war das Rauchen durch – d.h. allgemein akzeptiert, auch dass Frauen in der Öffentlichkeit rauchten und in den Uni-Seminarräumen sowie in den Behörden sowieso. Deswegen mußten die Raucher sich selbst differenzieren: Rothhändle rauchen, Pfeife rauchen, mit Zigarettenspitze rauchen, Nil rauchen usw., und dann vor allem selbst drehen, mit oder ohne Filter, mit oder ohne Apparate. Die dumpfen “Normalos” rauchten natürlich weiter stur ihre Marlboros und kamen sich dabei vor wie James Dean, der sich nie ohne Zigarette photographieren ließ, ähnlich wie Jean-Paul Belmondo. In Italien sah ich in den Achtzigerjahren dutzendweise Männer, die vorne in der Tasche ihres weißen Hemdes eine Marlboro-Packung hatten, zum Rauchen jedoch eine italienische Billigmarke aus der Hosentasche prokelten. Aber Italien ist auch das Homecountry der Cowboys – die amerikanischen sind nur ein gefakter, ausgebeuteter Abklatsch davon. Das gilt sogar noch für die männlichen Models in der Marlboro-Werbung: Es sind keine taffen Machos, sondern durchweg schwule Nichtraucher. In der taz ist die geharnischste Nichtraucherin seltsamerweise eine Trotzkistin. Wie kann man Trotzkist sein und nicht Kette rauchen? Das ist mir genauso unverständlich wie wenn jemand Biologie studiert, um das Leben zu begreifen, und sich dann nur mit Genen und Enzymen beschäftigt: He makes his living with that shit, aber begreifen tut er dabei überhaupt nichts – vom Leben.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/02/11/rauchverbot/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Merkwürdig, dass das Thema Rauchverbot immer in solchen schwarz-weiß-Bildern behandelt wird. Es gibt dann nur noch die edlen, selbstlosen Befürworter und die bösen, rücksichtslosen Gegner. Oder eben die guten, freiheitsliebenden Gegner und die bösen, faschistisch-spießigen Beführworter. Je nach persönlichem Standpunkt. Will heißen, man wird in Diskussionen immer gleich gezwungen, sich auf eine Seite zu stellen, denn wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Nur ganz ganz selten sagt mal jemand, dass es für beide Positionen richtige und plausible Argumente gibt. Dabei dreht sich das alles doch letztlich (nur) um die Frage, welche Werte man wie gewichtet. Und da gibt es – zumindest in gewissen Grenzen – kein richtig oder falsch, gut oder böse. Oder?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert