vonHelmut Höge 27.05.2009

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Nach 1933 brachten die Emigranten aus Deutschland und Österreich, die in der US-Filmindustrie einen Job fanden, die Pollerkultur der Hausmeister aus ihren Heimatländern nach Hollywood, d.h. sie erzählten den Amerikanern von diesem merkwürdigen Phänomen, das im zentraleuropäischen Raum immer wichtiger wurde. Eine zeitlang wurde damit dann auch in den Studios experimentiert. Das nachfolgende Bild zeigt einen Sperrholzpoller, an den sich ein Schauspieler lehnen und dabei seine optimale Position finden sollte, d.h. eine, die ihm und dem Poller quasi wesensgemäß ist. Instinktiv, d.h. gewohnheitsmäßig, lehnte er sich jedoch eher an die Hauswand als an den Poller, der ihn in dieser Haltung quasi von der Wand wegdrückte, also eher im Weg stand als ihm eine neue – europäische – Warteposition im öffentlichen Raum zu ermöglichen. Dies hing mit dem unterschiedlichen Begriff von männlicher “Lässigkeit” diesseits und jenseits des Atlantiks zusammen.

Das zweite Photo zeigt das darauffolgende Experiment, das ebenfalls schief ging: Der Schauspieler sollte sich auf den Poller setzen und sodann einen weiteren Schauspieler begrüßen, der auf ihn zukommt. Da die MGM-Studiotischler den Poller jedoch zu hoch gebaut hatten, konnte er nicht richtig auf dem Poller Platz nehmen, sondern diese Position nur etwas krampfhaft andeuten, zum Ausgleich dafür nahm er jedoch eine lässige Beinhaltung an – wie es arbeitslose Eckensteher in den USA zu tun pflegen. Als nun wie vorgesehen der zweite Schauspieler auf ihn zukam und ihm die Hand hinreichte, um ihn auf zentraleuropäische Art zu begrüßen, wobei er die Hand des ersten Schauspielers ein wenig zu sich heranzog, rutschte dieser aus seiner unglücklichen Sitzposition vom Poller ab und stand quasi auf Zehenspitzen vor dem zweiten Schauspieler (im Bild nicht mehr sichtbar). Das war also nichts! Zwar gab es dann noch ein paar weitere Versuche mit Pollern in Hollywood, aber sie gingen ähnlich unbefriedigend aus, so dass man bald ganz auf sie verzichtete – auch wenn dadurch die angestrebte “authentische Europe-Atmo” etwas geschmälert wurde. Erst nach 1945 tauchten die Poller wieder auf – als man erneut an Originalschauplätzen drehen konnte und durfte: “Der dritte Mann” – in Wien – z.B..

Photos – gesucht und gefunden: Peter Grosse

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/05/27/hausmeisterkunst-experimente/

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