vonImma Luise Harms 23.11.2006

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Im Barnim hat jedes Dorf seinen Gutshof oder sein Schloss – oder hatte es. Die sowjetischen Truppen haben einige auf ihrem Vormarsch niedergewalzt. In anderen haben sie ihre Kommandantur eingerichtet. 1949 wurden die Gutbesitzer enteignet und die Schlösser und Gutshöfe fielen an die Gemeinden bzw. an den Staat. Groß Geld, um die Besitzungen zu unterhalten, hatten die Gemeinden natürlich nicht, also richteten sie sich in den langsam bröselnden Gemäuern ein. Überall waren Jugendclubs, Kitas, Schulen, Kneipen drin. In der typischen Ost-Tristesse, oder mit dem typischen Ost-Charme, je nachdem, wie mans sehen will, haben sie den Bestand einfach abgenutzt. Seit Anfang der 90er Jahre versuchen die Gemeinden, die teuren Gebäude irgendwie loszuwerden, an Leute mit Portemonnaie, mit Beziehungen oder mit Wissen über die richtige Bohrtechnik für Förderungen – und die kommen aus dem Westen.

Das Reichenower Schloss, eine neogotischer Bau im Stil von Westminster, hat die Brandenburgische Schlösser GmbH aufgekauft und alle Zinnen und Türmchen schön wieder aufmauern lassen, damit alles so ist wie früher. Dann wurde es an zwei Damen aus NRW verpachtet, die dort ein Wellness- und Tagungshotel machen. Es ist aber vor allem als Heiratshotel beliebt. Manche Paare nutzen die Kulisse auch nur für den Fototermin und gehen dann nach nebenan ins günstigere “Kellerstübchen”.

Das Ihlower Gutshaus wurde an eine ehemalige ABM-Kraft des Ortes günstig verpachtet. Das gibt dem Mann die Möglichkeit, dort Zimmer für Gruppen ebenso günstig anzubieten. Irgendwie wurschtelt er sich durch, kann aber mit seinen Einnahmen das Haus nicht instandsetzen. Deswegen hat der Gemeinderat sich jetzt auf das Angebot eines Investors aus Berlin eingelassen, der die Entscheidungsträger offenbar davon überzeugen konnte, dass er das Geld für die Instandsetzung hat. Der Pächter fürchtet nun, dass seine preiswerte Herberge damit am Ende ist.

Das alte Herrenhaus in Reichenberg wurde von einem bleichgesichtigen Jüngling gekauft, der sich als Fernsehproduzent von Billigserien aus Berlin herausstellt. Er stammt aus einer Familie, der früher selbst ein Gut, allerdings in Ostpreußen gehörte. Das wurde ihm zum Rückkauf angeboten. „Aber das ist bloß noch ein Haufen Steine“, sagt der Produzent. Die Familie hat etliches von der herrschaftlichen Inneineinrichtung retten können. Die steht nun in dem Reichenberger Gutshaus. Von außen ist das Haus noch im Dornröschenschlaf, innen durchschreitet man einen Salon, ein Musikzimmer mit historischem Flügeln, ein Billardzimmer usw. Als nächstes will er die Stallungen aufrüsten und da wieder richtig schöne Reitpferde reinstellen.

Der Gutshof in Möglin gehörte lange Zeit der Familie von Albrecht Daniel Thaer. Auf diesen Landwirtschaftsmodernisierer hielt nicht nur der preußische König große  Stücke, sondern auch die DDR-Führung, die die Logik des Gutsbesitzes mit anderen Mitteln fortführte. Den Gutshof selbst und einen Teil der Ländereien hat sich ein Gärtner, Immobilienhändler und Bankrotteur aus Bielefeld an Land gezogen. Das Haus sollte wegen nicht beglichener Schulden in den nächsten Tagen versteigert werden. Aber einem Gerücht nach hat der Mann aus Bielefeld es noch mal wieder geschafft, die Bank zu einem Vergleich zu bewegen. Nachfolgebetriebe der LPGs hätten da auch gerne ein Bein rein gekriegt, aber der Bielefelder ist schlau, zu schlau für die Gemeinde. Ihr hat er auch den historischen Gutshofpark abgekauft und es geschafft, die Bezahlung dafür über 10 Jahre rauszuzögern. Begründung: Die Gemeinde habe das Gelände nicht ordnungsgemäß vermessen und nicht klar gesagt, dass Denkmalsschutz auf Haus und Park liegt. Dadurch sei er in seinen Investitionen und Bauplänen behindert worden, was zu erheblichen finanziellen Einbußen geführt habe. Unter anderem habe er dadurch eine bereits zugesagte Förderung nicht in Anspruch nehmen können. Wenn die Gemeinde also auf der Bezahlung des Parks besteht, schickt er postwendend die Rechnung für alle in der Zwischenzeit entstandenen Kosten. Der Mann ist ihnen über.

Der große Hof in Prädikow mit historischer Brennerei wurde von einer Familie aus Schwaben aufgekauft, die dort einen Reiterhof aufbauen will. Auch so was mit ökologisch, anthroposophisch, touristisch – alle möglichen Stimulanzwörter für Fördertöpfe. Die neuen Besitzer haben sich im Ort sehr unbeliebt gemacht, weil sie angeblich die letzten Mieter ziemlich entschieden rausgedrängelt haben, ohne dass auf dem riesigen Gehöft anschließend wirklich was passiert wäre. Nun blocken die Nachbarn die Herrenreiterpläne und wollen dafür kein Land verpachten. Die Investoren aus Stuttgart müssen anderswo dazukaufen.

Am letzten Freitag wurde das Schlossareal in Prötzel mit Grundstück, Obstwiesen, Acker und Wald zwangsversteigert.
Das Schloss, auch ein Bau aus dem 18. Jahrhundert, möglicherweise sogar von Andreas Schlüter entworfen, soll die größte Barockanlage Brandenburgs sein. Die Gemeinde wollte das Gebäude nach der Wende nicht so einfach weggehen lassen und hat selbst eine Gesellschaft mit gegründet, die aus dem Schloss eine Luxusherberge mit Tennis- und Golfanlage machen wollte.  Lange Jahre war von den Plänen nichts anderes zu sehen als ein Schild, das den Bau einer Führungsakademie ankündigte. Aber die Gemeinde wurde von einem windigen West-Berater über den Tisch gezogen und blieb auf einem Berg von 2 Mio. Schulden sitzen.

In den letzten Jahren haben Vereine und die Gemeindevertretung versucht, irgendwie wieder Leben in das Gebäude zu bringen, und Ausstellungen, Konzerte und alle möglichen anderen Veranstaltungen hingeholt. Aber auch dort zerfällt die Substanz. Letzte Woche wurde also der Braten verteilt. Einen Teil der Wald- und Ackerstücke hat sich ein großer Waldbesitzer aus Prötzel dazugekauft. Einen anderen Teil kriegt der Schwabe aus Prädikow – der, dem Auslauf für seine Reitpferde fehlte. Nun haben sich auch seine Pläne weiter aufgebläht: Ein Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige soll entstehen, auf anthroposophischer Basis. Arbeit im Wald und so. Dafür braucht er natürlich Wald. Den Wirtschaftshof und die Orangerie neben dem Schloss hat ein junges Paar (sie Biologin, er freischaffender Philosoph, wie er sagt) mit Unterstützung ihres Vaters aus dem Rheinland gekauft.

An dem Kernstück, dem Schloss selbst, war zuerst keiner interessiert. Mindestgebot 1 Euro, zusammen mit dem Grundstück mindestens 15.000 Euro. Für 30.000 Euro wurde das Prötzeler Schloss schließlich von zwei armenisch-russischen Brüdern ersteigert. Die Gemeindevertreter kennen die Käufer nicht, und die Käufer haben keine Ahnung, was sie da eigentlich gekauft haben. Aber gegenüber den zukünftigen rheinländischen Nachbarn haben sie geäußert, dass sie 4 Mio. in das Haus stecken wollen und dann einen Hotel- und Gaststättenbetrieb dort machen wollen. Woanders haben sie angeblich schon ein Schloss gekauft, nun wird für den Bruder, der bisher in Moskau lebte, ein zweites angeschafft.

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https://blogs.taz.de/jottwehdeh/2006/11/23/ostritter-die-neuen-gutsherren/

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kommentare

  • Bei dem Klima das in den neuen Bundesländern herrscht, müsste jeder Investor reiche Erträge aus Schmiergeldern mitbringen, anders lässt sich dort die Pleite nicht vermeiden. Leider.

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