vonImma Luise Harms 06.01.2007

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Schwein2a.jpgDie Dicke kommt vom Wagen. Sie trottet dem Schlachter hinterher. Sie war die Stärkste und deshalb die Erste in der Fressfolge. Die Erfahrung, immer ohne Anstrengung seine Bedürfnisse befriedigen zu können, macht nicht nur gutmütig sondern auch arglos. Die Dicke steht vor dem Schlachter und schaut auf seine Füße. Sie hat sich von Thomas immer bereitwillig kraulen lassen. Als der Mann vor ihr sich herabbeugt und zwischen ihre Ohren fasst, lässt sie das geschehen, und auch die Berührung des Stabes auf der Kopfhaut schreckt sie nicht. Ein Ruck durchfährt sie. Ein Schnaufen, ein Schweineseufzer, eine kleine Nebelwolke: die letzte Füllung der Lungen, die im Fallen ausgestoßen wird. H. zieht das Tier zur Wand. Der Doppelstich mit dem langen Schlachtermesser eröffnet eine Klappe in der Schlagader. Das leuchtende Blut strömt. H. pumpt mit dem oben liegenden Vorderlauf. Die Haut am Bauch mit den kleinen Warzen darauf sieht so rosig, so lebendig aus. Ich lege meine Hand auf die Lende. Sie ist warm und elastisch. Im Inneren spüre ich das Beben, das rauschende Abfließen des Lebens. Als die Beine gebrochen werden, wende ich mich ab.

… Die Reste der Gazelle wurden am anderen Morgen in einem Jutesack verstaut; es ist einer von den Säcken, in die Sand gefüllt wird, um mit ihnen Dämme für Dorfteiche zu bauen. Die tote Gazelle liegt hinter uns im Kofferraum, als wir aufbrechen. Am Mittag trifft Salge eine Antilope. Sie ist sofort tot. Tod, Schlaf, Lähmung – ich kann es nicht unterscheiden. Das Tier liegt auf dem Boden, und es ist an uns zu handeln. Ich esse Fleisch und deshalb habe ich nicht das Recht, den Akt des Tötens aus meinem Bewusstsein auszublenden. Ich lasse mir das Jagdmesser geben, um das Tier aufzuschneiden. Aber als ich die Klinge auf dem Fell aufsetze, bringe ich es nicht über mich, die nachgebende Haut zu durchstoßen. Resigniert gebe ich den Versuch auf. Die Jäger haben es nicht anders erwartet; sie öffnen das Tier, entfernen die Innereien und schneiden einzelne Fleischteile heraus. Das Fleisch zu berühren, macht mir keine Schwierigkeiten. Es ist warm und zuckt unter den letzten Muskelreflexen. Aber das sind keine Lebensäußerungen sondern mechanische Impulse.

Tanja will das Schlachten nicht mit Ansehen. Sie bleibt im Wagen sitzen und liest eine alte Spiegel-Ausgabe.

Das zurückgestaute Jagdfieber hinterlässt eine vagabundierende Aggressivität, einen Drang nach Körpersensation. Ich beginne mich für die helle Haut von Leo Salge zu interessieren, fange den kühlen Blick aus den blauen Augen auf, spüre die Härchen auf meiner eigenen Haut. Martin hat seinen Mund zu einem Strich verschlossen. Er sieht aus dem Fenster. Tanja blättert im Spiegel vor und zurück. Es herrscht ein Klima des richtungslosen Vorwurfs und der stummen Entschuldigungen zwischen uns.

Die Jagdlust bricht wieder durch, als in der Ferne eine kleine Gruppe stattlicher Tiere zu sehen ist. Elens – größer als Hirsche, mit prächtigem Gehörn aus zwei geraden in sich gedrehten Hörnern. Salge hätte gerne die Trophäe. Oder war es Martin? Er wusste jedenfalls, dass man den Kopf 14 Tage im Garten eingraben muss; dann haben die Termiten und Würmer ihn vom Fleisch gereinigt. Salge und Martin pirschen sich gegen den Wind an die Gruppe heran. Der Schuss kracht; eines der Tiere geht in die Knie und fällt entsetzlich langsam auf den Boden. Das Tier ist erlegt; aber der Landrover ist zu klein, um es wegzutransportieren. Hatte vorher niemand daran gedacht oder war die Transportfrage aus Gier nach dem Gehörn weggedrängt worden? Martin und Salge umrunden den Koloss. Sie haben sich entschieden, die besten Teile herauszuschneiden und den Kopf abzutrennen. Aber sie haben kein geeignetes Werkzeug dafür. Man brauchte ein Beil oder eine Säge; mit seinem Jagdmesser kommt Salge nicht weiter. Der Kopf, am Schlund durchtrennt, hängt hartnäckig an der Wirbelsäule fest.

Wieder drückt die Zeit, die Sonne sinkt. Letzten Endes musste das Tier wegen seiner Hörner sterben, also kann man den Kopf jetzt nicht zurücklassen. Aber wenn man noch länger damit beschäftigt ist, ihn vom Körper zu trennen, bricht die kalte Steppennacht herein, ohne, dass wir ein Lager aufbauen konnten. Ich weiß nicht mehr, wie sie es geschafft haben; in mir breitet sich heillose Verzweiflung über meine Hilflosigkeit angesichts der Leichenfledderei aus. Ich habe versprochen, mich nicht zu beschweren, und ich werde es auch nicht tun. Der Kopf wird behelfsmäßig in das Reserverad auf der Kühlerhaube gelegt und glotzt, bei jeder Erschütterung gegen das Gummi nickend, auf die Steppe, deren Anblick bis vor wenigen Stunden die Bewegungen eines mächtigen, nun zurückgelassenen Körpers gesteuert hatte.

Während die anderen Feuer machen, zerhacke ich mit Wut-getriebenen Panga-Schlägen frische Kokosnüsse; die weiße Milch fließt sinnlos auf die Grasnarbe. Wir bereiten uns auf die Nacht vor. Zwei schlafen im Zelt, zwei im Auto. Ich will weder ins Zelt noch ins Auto, ich möchte am liebsten weg sein. Ich breite meine Schlafmatte in der Nähe des Feuers aus; auf der anderen Seite liegt der Kopf des Elens. Das Feuer soll die Hyänen abhalten, die wir tagsüber nicht weit von hier gesehen hatten. In der gestochenen Schwärze des Horizonts funkelt das Kreuz des Südens.

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https://blogs.taz.de/jottwehdeh/2007/01/06/die-schweine-sind-tot-3/

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kommentare

  • Sehr viele Kinder hier. Immer der Unsinn Schweine hätten die gleichen Rechte wie Menschen. Die Art, wie mit Schnitzeln Geld verdient wird und die unsaubere Art mit Tieren und Fleisch umzugehen sind schon ein Grund von Fleisch die Finger zu lassen. NICHT aber der Quatsch – wir sind so grausam zu den Tieren, weil wir sie töten um sie zu essen, und Tiere würden das umgekehrt nie machen.

    Wenn Wölfe und Bären sich Wildschweine holen – da gehts zur Sache, nix mit politisch korrekt und gaaaanz liiiieb.

    Man sollte auf Antibiotika verzichten, beim Schlachten erst betäuben, dann ist nichts dagegen einzuwenden.

    Ich habe immer wieder das Gefühl, Veggies gönnen einem nix, und Fleisch erst recht nicht, weil ja davon die Welt untergeht.

    In meinem Kühlschrank liegt noch ein Schnitzel….. mmmm

  • Vegetarismus und Veganismus sind typische Wohlstandserscheinungen. Stadtkinder, die sich noch nie Sorgen ums Essen machen mussten.

  • ich finde es ist ein geben und nehemen
    ich esse gerne fleisch und könnte mir ein leben ohne fleisch garnicht vorstellen warum esst ihr denn salat ich habe nämlich gehört das alle lebensmittel mal gelebt haben oder wie auch immer so wie bäume sie leben doch auch und man reißt ihnen die blätter und äste ab also stelt euch mal nicht so an!!!

  • Ich finde es einfach nur SCHEIßE das Menschen wehrlose tiere unbringen nur das sie was auf dem Tisch haben.tiere haben auch ein recht zu leben

  • Veggie sein ist nicht zuviel verlangt
    und irgendwo muss die menschlichkeit doch anfangen
    scheisse macht doch mal die augen auf
    wie Gefühlskalt seit ihr?
    nur weil sie nicht sprechen können. heisst es nicht dass sie nicht leiden nicht weinen und nicht leben wollen

    selbst wenn man Vegan lebt. lebt man gesünder als Omnivor.
    und mangelerscheinungen bleiben auch aus

    go vegan und schau mal ins herz.

  • Ich finde das richtig ekelhaft wie man nur ein Tier liebhalten (kraulen) das es sich daran gewöhnt und dann
    denkt es es würde gekrault und stirbt *heul*

  • Ich finde es wiederlich! Einfach nur pervers und wiederlich! Meint ihr Tiere fühlen nichts? Bei einem Menschen würde jeder weinen vor schmerz doch bei Tieren ist das okay oder was? Nur weil sie nichts sagen können oder was??? Ich verstehl das nicht

    Vegetarier 4-ever!!!!!

  • Muss mich hier auch mal einschalten. Ich finde die Kommentare, die hier zum Teil abgegeben werden, sagen wir mal “bemerkenswert”. Sicherlich: hier wird drei Tieren das Leben genommen. Dass das keine schöne Sache ist, steht sicherlich fest. Allerdings sollte man sich mal vor Augen führen, wie das hier von statten ging – und vor allem, dass diesen Tieren ein großer Respekt zu Teil wird. Das erkennt man sehr schön im vierten Abschnitt des Blogs im letzten Absatz. Für meinen Teil bleibt zu sagen, dass hier mit Sicherheit jegliche Beschimpfungen und auch Beleidigungen à la “Beißt Euch doch in den eigenen Arsch” fehl am Platz sind. Fest steht doch: Die Tiere hatten offensichtlich ein gutes Leben und der hier beschriebene Schlachtprozess ging ruhig und, soweit man das so nennen kann, würdevoll von statten. Die Tiere wurden vollständig verwertet und nicht sinnlos getötet. Wir sehen hier ein schönes Beispiel, wie Landwirtschaft auszusehen hat.

  • Alles Mörder schweine wollen auch leben.ok nicht nur schweine.
    Alle tiere ihr scheiß menschen denkt auch das ihr der king der welt seid?oder.Wenn ein mensch getötet wird heuen gleich alle.
    und bei einen tier ach scheiß drauf.Tiere haben genau so wie wir
    das recht auf Leben.Ok was bringt das eigendlich?Menschen sind ebend Dumm

  • Ich finde es total scheiße ,wen es nur noch ein tier auch der erde gibt werden die menschen es bestimmt checken das leben kein Geld ist !!!
    Bei uns auf dem Hof ist ein Pferd das sollte zum schlachter aber das pferd ist 11jahre alt und ist fit sehr fit !!
    Dabei fände ich es nur gerechtfertigt wenn den menschen das passieren würde !! Gott ey wie kann man nur sowas machen ??
    und erst recht wen sie ein scheiß leben vor dem schlachter hatten dan könnten sie doch an altersschwäche sterben ! aber nicht das man mit ner Pistole den tieren in die stirn schießt …und die dan tot umfallen !!
    schlachter sollen sich mal selbst in den kopf schießen !!!
    ey ich finde echt keine worte für diese… !!!

  • also ich bin von beruf schlachter und kann nur sagen das die tiere keinerlei schmertzen verspühren man kann fleisch ohne schlechts gewissen essen aber was ich auch nicht haben kann wenn die tiere vor dem tot geqält werden es ist auch verboten sie zu schlagen oder auf irgend eine art sie zu misshandeln wenn man ein tier tötet muss man dem tier respekt entgegen bringen und es blitzschnell ausschalten

  • BEIST EUCH DOCH SELBST IN DEN ARSCH!!!
    Warum muss alles was sich nicht wehren kann, und vier Beine hat gegessen werden??? ich verstehs einfach nicht.ich leb schon seit jahren ohne fleisch und es fehlt mir kein stück!

  • ich finde es gemein wie menschen den tieren leid zu fügen. sie haben kein ordentliches leben gehabt sondern wurden einfach nur dick gefüttert, damit wir so schnell wie möglich an fleisch heran kommen. denke die menschen die fleisch essen eigendlich auch nur eine sekunde daran wie das tier gelebt hat? bzw wie es zum schlachthof transportiert wurde? und wie es getötet wurde? nein natürlich nicht! tiere sind doch nur tiere, aber was wäre wenn wir das mit den menschen so machen würden? das würde GROß in der zeitung veröffentlicht werden. Dabei fände ich es nur gerechtfertigt wenn den menschen das passieren würde vielleicht überlegen die sich das dann ein 2.mal ob die noch mal so mit tieren umgehen! mir bedeuten tiere mehr als viele menschen auf der welt.ich hoffe nur das die menschheit das bald einsieht das es ein fehler ist so grausam mit diesen liebevollen tieren um zu gehen.

  • ich find schlachten ist ne klasse sache! was vegitarierer allerdings net so sehn! aber sonst kann man ja auch keine salami essen!!!!!!!!!!!!!

  • wer die tiere nicht respektiert oder wer die tiere nicht selbst schlachten könnte, nachdem diese ein schlechtes leben hatten, sollte kein fleisch essen, denn es ist nicht einfach ein produkt, es hat mal gelebt!!! genau wie ein mensch! obwohl, das stimmt noch nicht mal!!! die meisten masttiere werden so schrecklich gehalten, dass ist krank!
    ich finde es sollte ein geben und nehmen existieren: die tiere haben ein schönes leben auf einer großen grünen weide in gesellschaft von artgenossen. dann wäre das schlachten danach noch legitim, weil die menschen eine verbindung zu den tieren hatten!! zu tieren aus massenhaltung hat doch keiner einen bezug!!!

  • macht es euch spaß tieren das leben zu nehmen sie wollen auch leben aber wennn ein dummes kind abkrazt ist es gleich so schlimm von mir aus könnten noch mehr menschen abkratzen gibt sowieso zu viele man weiß doch garnicht was diese tiere für leiden haben nein der mensch muss immer nur fleisch fressen ekelhaft es sind doch alles mörder

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