vonImma Luise Harms 08.10.2008

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

Mehr über diesen Blog

Zu dem Lebensgerümpel, das einen umstellt, gehören Kisten mit alten Kontoauszügen. Sie werden immer mehr, und ich kann mich schwer entscheiden, welche wegzuwerfen. Kontoauszüge sind eine Art Tagebuchaufzeichnung.

1970 machte ich mein erstes Bankkonto auf. Die Berliner Bank in der Hardenbergstraße unweit der Technischen Universität hatte einen breiten repräsentativen Eingang, zu dem man einige Stufen hochsteigen musste, und eine weite Schalterhalle. Hinter den Schaltern befand sich, durch Schränke und Stellwände abgetrennt, die Welt der Buchhalter.
Ich unterschrieb einiges, wurde über verschiedenes von einem Herrn in dunkelgrauem Anzug belehrt, hinterlegte meine Unterschrift und bekam eine Kontonummer. Nun kam das Geld von Papa auf mein Konto.
Ich war rebellisch, schon aus Prinzip. Eine Frage der Selbstachtung, dass man sich nichts gefallen lässt. Als ich das nächste Mal das Geldinstitut betrat und durch das unsinnig ausgeweitete Festibül auf die Schalter zuging, fühlte ich mich, als ginge ich durch eine meiner Besitzungen. Die Bank war meine Schuldnerin, ich hatte ihr mein Geld geliehen und ihr erlaubt, kurzzeitig damit Geschäfte zu machen. Ich verlangte, von meinem Geld etwas abzuheben. Ich erkannte den dunkelgrauen Herrn wieder, er mich aber nicht. Das nahm mich gegen ihn ein.
Er dreht einen kleinen weißen Zettel auf der marmornen Ablage, so dass ich mitlesen konnte, und deutet mit seinem Kugelschreiber auf die einzelnen Zeilen. „Den Betrag bitte hier eintragen. Hier Ihre Kontonummer. Und hier quittieren Sie bitte den Erhalt des Betrages“. Ha! Das hat er sich so gedacht! „Ich habe den Betrag aber doch noch gar nicht erhalten!“ Der Dunkelgraue sieht vom Zettel auf, er nimmt mich das erste Mal bewusst wahr. „Aber wir müssen doch Ihre Unterschrift prüfen!“
Die Streitlust ist eine Lust. „Wo prüfen Sie denn meine Unterschrift?“ frage ich lauernd. „In unseren Unterlagen“, er deutet mit dem Kugelschreiber nach hinten, in den Buchhalterbereich. „Sie wollen also mit meiner Quittung weggehen. Da steht drauf, dass ich das Geld schon bekommen habe. Ich hab keinerlei Beleg, keine Sicherheit, ich muss Ihnen einfach glauben“. Nun ist der Dunkelgraue hilflos. Diesen Dialog hatte er noch nicht. Er flüchtet sich ins Grundsätzliche. „Sie müssen doch Vertrauen zu dem Kreditinstitut Ihrer Wahl haben“. Kreditinstitut, sagt er. Dabei habe doch ich ihnen einen Kredit gegeben. Sie würden mir wahrscheinlich niemals einen bewilligen. Sie haben mir ja noch nicht mal eine Scheckkarte zugestanden, wollten erstmal meine Kontobewegungen sehen, feste monatliche Bezüge feststellen und so weiter.
Ich lasse nicht locker, meine Argumente sind noch nicht aufgebraucht. „Wieso soll ich Ihnen vertrauen? Sie vertrauen mir doch auch nicht“. Das ist nun schon pampig. Das findet der Dunkelgraue auch. Er setzt das Gesicht auf: wenn das meine Tochter wäre…! Ich mache ein Friedensangebot. „Ich kann Ihnen doch meine Unterschrift auf einem anderen Zettel geben, dann können Sie sie prüfen, und dann unterschreibe ich die Quittung, wenn Sie mir das Geld auch tatsächlich geben.“ „Ich gebe Ihnen gar kein Geld, das bekommen Sie mit der von uns beglaubigten Quittung an der Kasse.“
Es reicht ihm jetzt. Diese Studenten. „Das ist das vorgesehene Verfahren. Sie haben ja die Geschäftsbedingungen unterschrieben“, sagt er und greift nach dem weißen Zettel, um ihn wieder wegzuräumen. Ich muss meine Miete zahlen, ich brauche die hundert Mark. Er hat mein Geld, er sitzt jetzt am längeren Hebel. Ich räuspere mich. „Richtig ist das nicht“, sage ich zu der marmornen Unterlage, ziehe den Zettel zu mir heran und fülle die Zeilen aus. Er schnappt ihn wortlos, geht nach hinten in die Eingeweide des bigotten Geldinstitutes.
Ich habe vergessen, ob er ein gekränktes, ein triumphierendes oder ein mitleidiges Gesicht machte, als er mir den beiderseits quittierten Schein wieder hinlegte und mit einer Kopfbewegung zur Kasse deutete. Der Kassierer jedenfalls war amüsiert.
Aus Rache für die erlittene Schmach habe ich ein paar Tage später mein Konto dort gekündigt.

Ungefähr zwanzig Jahre später verfügte ich eine Zeit lang über einen Geldbetrag, der der Bank auf meinem Konto aufgefallen war. Die Bank, das war jetzt die Berliner Sparkasse, sie war mir irgendwie gediegener, volksnäher vorgekommen. Also hatte ich ihr die Aufgabe übertragen, mir meine Einkünfte portionsweise in die Hand zu geben. Auch die Sparkasse hat Hinterzimmer, in die ich jetzt von einem freundlichen jungen Mann gebeten wurde. Er stellte sich mir als Anlageberater vor und bat mich, an seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Dort standen zwei Sessel; normalerweise werden hier Ehepaare beraten, die einen Kredit haben wollen oder ein bisschen Geld absichern möchten.
Es war die Zeit, in der ich mich vertrauensselig in die Reihen der autonomen Bewegung gestellt hatte. Das ging gegen das Kapital, natürlich. Das ging auch gegen den Staat als ideellen Gesamtkapitalisten. Das ging gegen die ganzen verrotteten Verhältnisse. „Deutsche Banken, deutsches Geld morden mit in aller Welt“. Ja, sicher, aber gerade deswegen: Ich musste meine Wühlarbeit gegen Staat und Kapital ja ökonomisch ermöglichen. Das Geld, das ich dazu bestimmt hatte, sollte mir nicht aus den Händen rinnen.
Nach mehreren Beratungsterminen und dem Studium verschiedener Broschüren wählte ich eine Anlageform, die mir unverdächtig schien, wenn ich nur nicht allzu genau nachforschte. Aber ist das Geld dort auch sicher? Der freundliche Bankangestellte beugte sich zu mir vor. „Die Sparkassen geben sich gegenseitig Garantien. Da kann so schnell nichts passieren.“ „Und wenn der ganze Sparkassenverband nicht mehr zahlungsfähig ist?“ Der Anlageberater strich seinen mit lauter kleinen Oldtimern bedruckten Schlips, der auf den Schreibisch gefallen war, zurück auf seinen Platz vor der Knopfleiste seines weißen Bänkerhemdes. „Die Kreditinstitute sichern sich alle gegenseitig ab, und das weltweit. Wenn die nicht mehr zahlungsfähig sind, dann… Ja, dann heißt das, dass das ganze Gesellschaftssystem zusammengebrochen ist.“
Er lächelte fein.
Ich lächelte fein zurück.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/jottwehdeh/2008/10/08/vertrauen_zur_bank/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • liebe imma, so kritisch war ich leider nicht in meinen alten zeiten – das höchste der gefühle war der wechsel von der dresdner bank (hausbank des IB) zur sparda bank baden-wuerttemberg wegen der kontoführungskosten, – da fand ich mich schon mutig, weil ich der dresdner bank geschrieben habe, dass ich die kontoführungskosten nicht mehr (er)tragen möchte….
    tja, und heute schüttelt es uns alle durch, das bankengeschehen…und was tun wir? ich bleibe bei dieser sparda, weil es eine genossenschaftsbank ist und mir sowieso nichts gscheites einfällt…
    küsse! deine lena

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert