vonImma Luise Harms 17.10.2013

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Ich gehe Richtung Ostbahnhof. Es ist ein bisschen windig und ein bisschen feucht. Herbst eben. Gleich werde ich in der Regionalbahn sitzen und an den bunten Landschaften vorbeifahren. Auf der Schillingbrücke kommt mir ein junger Kerl entgegen geschlenzt, dünn, durchgebogen, mit feuchten dunklen Haaren über einem weißen Gesicht und mit dünnem Bärtchen über dem Mund. Sein Grinsen nimmt Kurs auf mich. Er kommt von der anderen Spreeseite, wo das trübsinnige Gelände von „Maria am Ufer“ ist. Dadrin und davor wird immer bis morgens rumgemacht, und jetzt ist es Morgen, kurz vor halb zehn. Was will er, was braucht er? Ich bremse meine Schritte nicht wesentlich, als er bei mir ankommt. Er riecht nach Sprit. Dacht’ ichs mir doch.

Er will gewinnend sein, geht ein paar Schritte neben mir, neigt sich zu mir. Ich wappne mich gegen alles Mögliche, verstehe dann aber nicht, was er will, und frage automatisch: „Wie bitte?“ Er will einen Filter. Zigarettenfilter? „Nee, hab ich nicht“, sage ich, froh dass das der Wahrheit entspricht, und zieh die Schrittgeschwindigkeit an. Er schlenzt in seine ursprüngliche Richtung weiter und ruft er mir dabei nach: „Gute Arbeit!“ Ich stutze. Was meint er?! Was soll das?

Ich kenne diesen blödsinnigen Satz aus unzähligen Serienkrimis, wenn die Chefs oder Unterchefs ihre Untergebenen nach irgendwelchen Action-Einsätzen zu weiteren Leistungen ermuntern wollen. Das soll professionell sein. Neulich habe ich mich noch darüber aufgeregt, als Brad Pit als Kommissar in dem Film „Seven“ einen Polizisten, der eine bestellte Akte abliefert, mit dem Satz „Gute Arbeit!“ abfertigt.

Ist der blöd? Wieso sagt der Kerl zu mir „gute Arbeit“? Was soll denn die gute Arbeit gewesen sein? Dass ich keine Filter für seine Zigaretten habe? Dass ich ihm in ’nem ganzen Satz geantwortet habe? In was für einem Film ist der denn?

Dann komm ich drauf. Er wünscht mir ne gute Arbeit. Weil es ja morgens ist, und die normalen Menschen, die nicht aus „Maria am Ufer“ kommen, jetzt zur Arbeit gehen. Und da kann man ja statt „Guten Tag“ oder „Schönen Tag noch“ auch „Gute Arbeit!“ wünschen. Vielleicht meinte das Brad Pitt auch so: „Gute Arbeit!“, weil der Polizist noch nicht nach Hause kann, und man ihm keinen „Guten Heimweg“ oder „schönen Feierabend“ wünschen könnte.

Das Brückenpflaster glänzt. Ich lächle den Abdruck des Mannes auf meiner Netzhaut an. Ja, vielen Dank! Dir auch ne gute Arbeit, was immer das ist! Ich jedenfalls fahre jetzt nach Hause.

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