vonImma Luise Harms 18.03.2014

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Ich bin seit fünf Jahren im Gemeinderat. Als wir die Kandidatenliste für die Wahlen am 25. Mai neu zusammenstellten – es waren wieder nur so viele KandidatInnen wie Gemeindesratssitze – war die Amtswahlleiterin B. dabei, damit wir nichts falsch machen. Es war ein Haufen Zettel auszufüllen. Die hatten wir schon vorher auf einer Info-Veranstaltung in die Hand gedrückt gekriegt. Es gab auch einen für die Wahl zum Ortsvorsteher. Der Gemeinderat müsste eigentlich Gemeinden-Rat heißen, weil meist mehrere Dörfer zusammengefasst sind. Dann wird der Bürgermeister gewählt, und dann noch die Ortsvorsteher für die beteiligten Dörfer. Ich habe kurz überlegt, ob ich nicht mal als Ortsvorsteherin für Reichenow kandidieren sollte, gegen Gerdchen Sch., der das schon ewig macht und der größte Bauer im Dorf ist, also mit dem meisten Boden unter dem Pflug.
In dem Treffen, von dem ich hier rede, sehe ich, dass mein Tischnachbar R., auch ein Senior im Gemeinderat, die Unterlagen für die Ortsvorsteher-Wahl ausfüllt.Frau B. vom Amt zeigt immer auf die Kästchen, wo er Kreuzchen machen muss, und die Rubriken, wo er seine Daten einsetzen muss. “Ach, kandidierst du auch?” frage ich. Er deckt seinen Bogen mit dem Arm ab. “Is geheim!” knurrt er. Ich sage: “Die Kandidatur auch? Wie soll man dich dann wählen?” Na, jedenfalls denke ich, wenn R. schon gegen Gerdchen antritt, dann halte ich mich da man lieber raus, auch schon wegen des Kleinen Zeigers. Gemeinderat und Herausgeberin des Lokalblattes geht ja noch, aber auch noch Würdenträgerin?
Als Frau B. fragt, was mit mir ist, ich hätte mir die Unterlagen für die Ortsvorsteher-Kandidatur doch auch mitgenommen, sage ich: “Och nee, lassenSie man. Wir haben ja auch schon zwei Kandidaten. Nachher müssen wir noch ne Stichwahl machen!” “Und wie ist es mit dem Kreistag? Wollen Sie vielleicht für den Kreistag kandidieren?”
Ich hatte schon gesehen, ganz oben in dem Kandidatur-Auswahlmenü, über Gemeinderat, Ortsvorsteher, Bürgermeister gab es noch das Kästchen “Kreistag”. Kreistag? Das ist doch dann Politik! In Seelow! Richtig mit Parteien! Warum eigentlich nicht? Abenteuer. Neuland.
“Ja, warum eigentlich nicht?” sage ich, und Frau B. fängt an, Formulare vor mir auszubreiten. Die Fragen und die damit verbundenen Entscheidungen kommen nach und nach auf den Tisch. “Wollen Sie als Einzelbewerberin kandidieren oder auf einer Wählerliste?” Ich gucke ratlos die anderen an. “Dann können wir als Wählerliste dich doch aufstellen”, schlägt W., der Bürgermeister vor. Ich schaue verwirrt in die Runde. Freundliches Köpfenicken von allen Seiten.
Ich bin gerührt und geschmeichelt. Ich als Kreistagskandidatin, aufgestellt von der Gemeinde Reichenow-Möglin – was für eine Ehre, was für ein Vertrauensbeweis! Der undankbare Job im Gemeinderat hat sich fünf Jahre lang ganz anders angefühlt. Als Zugezogene marginalisiert, absolut machtlos den gewachsenen Verhältnissen gegenüber.
Also sie wollen mit mir in den Wahlkampf ziehen! Aber ist ihnen das auch klar? Und ist es mir überhaupt klar, was da alles dranhängt? Erstmal geht es darum, die Formulare richtig auszufüllen. Wir unterchreiben überall da, wo Frau B. hinzeigt. Manche Sachen weiß sie auch nicht so genau, will es auf dem Amt nochmal nachgucken und mir die Unterlagen dann zuschicken. Einreichen soll ich sie persönlich beim Kreiswahlleiter in Seelow.
(wird fortgesetzt)

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https://blogs.taz.de/jottwehdeh/2014/03/18/mein-letztes-groses-abenteuer-kandidatur-fur-den-kreistag/

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