vonImma Luise Harms 03.04.2014

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Die langen Tische stehen in Fischgrätstellung; eine nach Gemeinden sortierte Sitzordnung erkenne ich nicht. Ich erkenne aber D., A. und R. aus unserem Gemeinderat und setze mich zu ihnen. Händeschütteln, angrinsen, irgend eine launige Bemerkung machen. An den anderen Tischen sehe ich das eine oder andere mir bekannte Gesicht. Herr K. aus Prötzel, der junge und geschäftstüchtige CDU-Politiker, der das letzte Mal den Einzug in den Kreistag vepasst hat, aber immerhin Ortsvorsteher ist. Herr W., der Bürgermeister aus Neulitzegörike, des ersten Siedlerdorfes im Oderbruch, der die Tradition desselben hochhält. Wir haben mal im Schlosskampf gegen sie verloren.  Andere stellen mir meine Tischnachbarn raunend vor.

Die andere Hälfte unserer Tischgräte wird von Menschen besetzt, die ich nicht kenne. Ich nicke ihnen freundlich zu, um von vorn herein keine Grenzen zu markieren. Sie kommen aus Lüdersdorf und aus Biesdorf; beides Dörfer, die nicht weit von uns entfernt sind. Ich überlege, zu welcher Gemeinde sie gehören. Dien ächsten kommen, treten an den Tisch, kennen die Leute aus den Nachbargemeinden, schütteln allen die Hand, auch uns aus Reichenow-Möglin, wollen dann auch hier sitzen. Ich rutsche an D. heran. Es kommen noch mehr, ich mache weiteren Stuhleinschüben Platz. Warum wollen die unbedingt zusammensitzen?

Der dicke G. aus Reichenow sitzt an einem Tisch gegenüber, neben L. aus Prötzel. Was hat der mit dem zu tuscheln und zu kichern? Die wollten unsere Gemeinde schon immer gerne schlucken. Wir sind noch solvent, die nicht mehr. die haben sich mit ihrem Schloss verspekuliert, sind im Haushaltssicherungskonzept, was heißt, in Finanzdingen dürfen sie nicht mehr selbst entscheiden. Wir haben noch freie Hand und das soll auch so bleiben.

Amtsdirektor B. ein vergleichsweise junger, vergleichsweise weltmännisch und kompetent auftretender Verwaltungsjurist, eröffnet die Veranstaltung. Es begrüßt uns auch Herr Sch. der Amtsausschussvorsitzende, der auch aus Prötzel ist, dann der Bürgermeister von Wriezen, etwas verhalten und sauertöpfisch. Der Amtsdirektor hält ein gut vorbereitetes Powerpoint-gestütztes Referat, das sich auf der zentral aufgebauten Leinwand vor uns entrollt. Wie die Amtsgemeinden zusammengesetzt und aufgestellt sind, über die Schulen, die KiTas, über die Finanzlage und die Straßenlage. Es ist die Unterbreitung eines Angebots an die Wriezener, das verstehe ich jetzt, und es geht um die Option, ein gemeinsames Amt zu schaffen, in dem wir Landgemeinden gleichgerechtigt sind. Der Wriezener Bürgermeister antwortet knapp. Er hat weder eine Powerpoint-Präsentation noch überhaupt irgendein Zahlenwerk vorbereitet.

Anschließend ist Raum für Fragen und Bemerkungen. Einige Lokalpolitiker ergreifen das Wort und halten mehr oder weniger lange Reden, deren Kontext ich nur raten kann. Meine Tischnachbarn aus den Nachbargemeinde machen abfällige Bemerkungen über die Darstellung der Amtsgemeinden und führen sich auf wie diejenigen, die das dickere Portemonnaie haben.  Jetzt verstehe ich, sie sind zwar aus Lüdersdorf und Biesdorf, aber verwaltungtechnisch sind das alles Wriezener. Und als Wriezener blasen sie sich jetzt auch auf, tun so, als wollten die Hungerdörfer um sie herum an das Wriezener Stadtsäckel! Haben schon vergessen, dass sie selbst geschluckt wurden und als Ortschaften nichts mehr zu sagen haben! Schmücken sich mit fremden Federn, noch dazu mit solch dürftigen wie dieser Kleinstadt, die kulturell gesehen nicht viel mehr als der Parkplatz vor Aldi ist.

Aber in den Reden wird immer wieder beschworen, dass wir uns zusammenlegen müssen, sonst werden wir zusammengelegt. Offensichtlich gibt es Alternativen, die ausgeblendet werden. Herr K., der ambitionierte CDU-Politiker, der bestimmt mein Gegenkandidat für die Kreistagswahl im Wahlkreis 1 sein wird, hält eine gestisch und rhetorisch eindruckvolle Rede gegen diese, bisher unsichtbare weitere Variante, der er mit Verweis auf die vorliegenden Zahlen und die negativen Beispiele aus Westdeutschland eine Absage erteilt. Es fällt das Stichwort “Ämterverband”. Ich erinnere mich, dass H., unser Bürgermeister, von Gesprächen mit dem Nachbaramt Falkenberg Höhe erzählt hat. Auch dort habe man vorgefühlt, ob ein Zusammengehen möglich wäre, aber das hätte man nicht an die große Glocke hängen wollen. Warum eigentlich nicht? “Es wird sowieso schon zu viel spekuliert”, meinte er und hat damit den Spekulationen, zumindest bei mir, neuen Antrieb gegeben. Falkenberg Höhe, das ist ein anderes Amt, aber das ist Teil meines Wahlkreises. Jetzt stellt sich heraus, dass der dortige Amtsdirektor zur Wriezener Veranstaltung auch eingeladen ist. Er sitzt aber nicht mit auf der Podiums-Tischgräte, sondern ganz bescheiden zwischen den anderen an einem der Tische, und er sagt auch nichts.

Da sollte ich doch jetzt mal einen Ball spielen und überhaupt, mich mal zeigen. Ich melde mich, stelle mich deutlich mit Namen und vertretener Gemeinde vor und frage unschuldig, ob es denn zur Zusammenlegung von Wriezen und dem Amt Barnim-Oderbruch überhaupt keine Alternative gäbe? Und wenn es eine gäbe, warum über die nicht geredet würde.

Amtsdirektor B. antwortet etwas irritiert, aber sehr wortreich. Ich höre nicht richtig zu, weil es mir ja hauptsächlich darum ging, diese Frage zu stellen. Ich verstehe nur so viel, dass das damit angeschnittene Thema irgendwie in der noch-zu-bearbeiten-Ablage ist.

Jetzt meldet sich der Bürgermeister von Oderaue zu Wort: sein Beitrag rankt sich eng um das Thema, das seine politische Herzensangelegenheit ist und bleibt: dass nämlich endlich Schluss mit der Verharmlosung der Biberplage sein muss. Der Biber? Ich weiß, dass das Oderbruch unter dem Naturschutz-Knebel leidet, der den Bibern freie Hand beim Fällen der Weiden und beim Untergraben der Deiche lässt. Aber gibt es in Wriezen auch Biber? Ist das die Frage, an der wir uns vereinen oder endgültig entzweien könnten? Und wer sollte in der Biberfrage über wen die Oberhand bekommen? Ich verstehe den Zusammenhang nicht ganz.

Leise veranbschiede ich mich; dummerweise ist zur gleichen Zeit eine Bürgerversammlung in Oderaue, bei der sich eine neue Liste für die Gemeinderatswahl der Bevölkerung vorstellt. Mit dabei ist K. vom Büro für Landschaftskommunikation, gleichzeitig Initiator des Oderbruch-Pavillons, gleichzeitig Herausgeber des Auflandverlages, gleichzeitig Vorsitzender der Provinziale-Filmfestspiele in Eberswalde, gleichzeitig Betreiber der Akademie für Landschaftskommunikation, gleichzeitig Redner, Schauspieler und Kirchengemeinderatsmitglied, gleichzeitig Oderbruch-Siedler mit Nebenerwerbshof, und jetzt eben auch aufstrebender Lokalpolitiker. Seine Liste “Weitblick Oderaue” steht mir in allem nahe. K. kandidiert nur für den Gemeinderat, einen eigenen Kandidaten für die Kreistagswahl hat die Liste nicht aufgestellt, aber ihre Wähler könnten auch meine Wähler sein. (wird fortgesetzt)

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