vonImma Luise Harms 24.08.2016

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Der Buchenwald ist Unesco-Welterbe. Kann ein Buchenwald ein Welterbe sein? Würde die Welt eingreifen, wenn er bombardiert oder einfach nur abgeholzt würde?

Auf dem Weg nach Chorin. Ausflug, um die aufgedrungene Fahrt zu veredeln. Nach Templin, zum Karlshof. Besprechung, nicht aufschiebbar, nicht abschiebbar. Anderthalb Stunden von Reichenow, querfeldein, da gibt es keine Bahn. Dann mal anders fahren, ein bisschen was angucken, vielleicht Kaffee und Kuchen an schönem Ort.

So müde. Hinter Falkenberg Autoschlaf am Straßenrand. Allee aus Walnussbäumen. Grüne Zweige wedeln überm Autodach. Halbe Stunde später. Weiter. Jetzt wäre Kaffee gut. Aber noch ein bisschen fahren erst. Schiffshebewerk bei Niederfinow, merkwürdig verdoppelt. Hinter dem Stahlkoloss aus den 30er Jahren der neue Riese aus Beton, noch nicht fertig. Zwei Brückenköpfe, die in die Ebene ragen.

Der Weg am Kanal entlang. Ausflugsfahrten zum Hebewerk, heute aber zu. Auch sonst wahrscheinlich. Die große Anzeigeuhr für den nächsten Start steht auf einer Uhrzeit, die es gar nicht gibt.

In lang gezogenen Kurven durch den Wald. Eberswalde ist links, rechts gehts nach Chorin. Stau vor der Verzweigung, Baustelle mit Ampel. Das dauert seine Zeit, nichts zu machen.

Dann also der Buchenwald, von Schildern angekündigt. Das da rechts könnte er sein.  So richtig sieht mans vielleicht erst im Herbst, wenn die nackten Stämme auf rotem Blätterboden stehen.

Fünf Uhr durch. Wie weit ist es noch bis nach Templin, von da zum Karlshof? Noch Zeit für einen Kaffee? Aber wo? Vielleicht in Chorin dann, am Kloster. Sicher gibts da ein Ausflugslokal für Konzertbesucher.

Die gotischen Giebel erscheinen hinter den hohen Bäumen. Man kommt aber nicht ran. Keine Einfahrt, kein Parkplatz. Zum langen Suchen ist keine Zeit. Weiter durch Chorin. Historischer Bahnhof. Dort vielleicht ein Café? Den Schildern nach. Nein, nur Fahrradverleih und Draisinen-Station.

Zurück bis zum Schild nach Joachimsthal und Templin. Das ist aber nicht die richtige Straße, sondern der Fahrradweg durch den Wald, daneben eine alte Kopfstein-gepflasterte Straße. Nicht verboten, aber es geht nur langsam über Stein an Stein. Wird nichts mehr mit dem Ausflugslokal. Vielleicht irgendwo eine Bäckerei mit Stehausschank in Joachimsthal.

Es ist zu spät. Bis 18 Uhr am Karlshof sein, ist sowieso nicht mehr zu schaffen. Dann keinen Kaffee, vielleicht gibts welchen dort, vielleicht haben sie Kuchen gebacken. Der Karlshof liegt zwischen dem Heinrichshof und dem Friedrichshof und heißt jetzt Karlahof, oder genauer: Karla*hof. Neue Gruppe, neues Selbstverständnis.

Kurz vor Joachimsthal ist das Supermarkt-Areal. Netto, Edeka, Getränkehandel und eine Backwaren-Verkaufsstelle. Na gut. Eine Johannisbeer-Schnecke und einen Latte zum Mitnehmen. Die kurvenreiche Fahrt durch Johannisthal ist schwierig mit dem klebrigen Teil in der Hand. Eingeweichtes Mehl mit roten Pickeln und Bröseln unter Zuckerkruste. Kaffee durchs Loch.

Jetzt gehts geradeaus weiter. Noch 20 Kilometer bis Templin. Auf jeden Fall zu spät. Wozu das Ganze? Das ist kein Ausflug, sondern ein Umweg. Sei im Hier und Jetzt! Ein anderes gibt es nicht. Guck, wie schön die Straße den Weg bereitet, wie die Sonne durch die Bäume blitzt, wie die goldenen Streifen quer auf der Asphaltdecke liegen, ein ausgebreiteter Teppich. Das Auto braust darüber.

Abzweig nach Drei Häuser, nach Morgenland. Fahrt durch Templin, Russenkasernen, Seeufer, Kriegerdenkmal, Zufahrt zum Thermalbad, zur Altstadt, zum Einkaufszentrum. Gewerbepark Süd.

Noch ein paar Hügel, ein paar Felder, und dann die Einfahrt zum Karlshof, jetzt Karlahof. Die anderen haben angerufen, kommen ein halbe Stunde später.

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