vonImma Luise Harms 11.04.2017

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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“Vertrauen auf die eigene Kraft” hieß die Broschüre über Dorfentwicklungsprogramme im nördlichen Tansania. Ich hatte einen Auftrag zu zwölf Reportagen, um das GTZ-Projekt in Deutschland bekannter zu machen. Das war 1984. Ich war das erste Mal in Afrika, war berauscht von – ja, von was? Von der Natur, was immer das ist, von dem trägen So-sein der Menschen, von Klima und Sonne? Jedenfalls habe ich mich verliebt, aber wie! Leider unglücklich, wurde also auf Distanz gebracht.

Diese Verliebtheit wollte ich in einer knochenerweichenden Wandertour durch die Usambaras wieder ausschwitzen. Später wollte ich das Erlebnis zu einer Geschichte verarbeiten, was nicht gelang, weil ich die Banalität des Anlasses romantisch zu überhöhen versucht habe. Das Skript zur Geschichte habe ich neben den verschiedenen Auftragsreportagen und den Kritiken der begutachteten Experten in einem Ordner zur Broschüre gefunden.

Kein Wunder, dass die Geschichte nicht gelungen ist; der Schreibstil der beiden Werke hat sich ungut gegenseitig befruchtet. Eine Passage will ich aber retten, bevor ich den Ordner wegwerfe:

“Das Haus ist leer, nur zwei Wächter bewohnen Dienstboten-Hütten an seiner Peripherie. Mr. Kerefu lässt mich an der kleine Küche des Gebäudes aussteigen und fährt noch einmal los, um die Schlüssel für die Villa zu holen.

Ich sitze auf einer Holzbank; das schmerzende Bein liegt ausgestreckt neben mir. Ich schaue aus dem Fenster in die Dunkelheit. Die Tür steht offen. Die Kälte, die von den Bergen herabsinkt, folgt mir in den kleinen Raum und macht meine Finger klamm.

Zwischen Tür und Fenster steht ein eiserner Herd. Ich höre die bullernde und knisternde Geschäftigkeit des Feuers, das seinen Schein durch die klaffenden Fugen wirft. Es mischt dem öligen Licht der an der Decke baumelnden Glühbirne einen dunkelglühenden Ton bei.

Die beiden Wächter kommen mit Armen von schwerer Hozscheite. Ich sage, dass das nicht nötig ist, was sie nicht verstehen und was auch nicht der Wahrheit entspricht. In einem verbeulten Blechtopf auf der Herdplatte wälzt sich dicker Maisbrei, den der eine Mann mit einem großen hölzernen Rührlöffel umzugraben versucht. Auf dem Tisch vor mir liegen Peperonischoten und Tomaten. Die beiden kochen sich ihr Abendbrot. Ich sage, sie sollen sich nicht stören lassen, was sie wieder nicht verstehen.

Ich erkundige mich nach ihren Namen, die ich aber gleich wieder vergessen habe. Ich krame in meiner Tasche nach der Zigaretttenschachtel, die ich für den Fall, dass es einer höflichen Geste bedarf, immer bei mir habe. Es ist eine glänzende schwarze Box mit ausländischen Zigaretten, so eine typische duty-free-shop-Marke.

Ich biete eine Zigarette an, die die beiden mit spitzen Fingern nehmen. Ich nehme selbst auch eine und zünde sie mir an. Ich rauche seit acht Jahren die erste Zigarette.”

 

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