von 24.02.2009

Latin@rama

Politik & Kultur, Cumbia & Macumba, Evo & Evita: Das Latin@rama-Kollektiv bringt Aktuelles, Abseitiges, Amüsantes und Alarmierendes aus Amerika.

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Am 12. Februar dachten in Buenos Aires viele Menschen an Julio Cortázar, der vor 25 Jahren starb. So auch die Latin@rama-Autorin Florencia Abbate: Hier ist ihre persönliche Hommage an den großen argentinischen Autor.

Als ich Anfang der 90er Jahre begann, Julio Cortázar zu lesen, gehörte es zum guten Ton unter Argentiniern, Lobesreden auf Borges zu halten – selbst wenn sie keins seiner Werke gelesen hatten. Nur wenige erinnerten sich an Cortázar, wie er es verdient hätte: Er war aus der Mode gekommen, und seine moralischen und politischen Botschaften wurden weitestgehend ignoriert.

Während ich später durch Lateinamerika reiste, freute ich mich um so mehr, dass die Bewunderung für Cortázar keine Grenzen zu kennen scheint: Überall redeten Leser, Kritiker und Autoren mit derselben Hochachtung von Cortázar. Juan Carlos Onetti verehrte ihn genauso wie Roberto Bolaño. Der Chilene, nicht dafür bekannt, große Worte zu verlieren, sagte über Cortázar „Für uns war er Gott“. Dieser Satz beschreibt gut den Eindruck, den unsere Generation von Cortázar hat, deren Eltern in den Sechzigern „Rayuela“ gelesen hatten. Er war nicht nur der Autor wunderbarer Kurzgeschichten, dieser Mann war ein Mythos: der Autor, der Tausende Jugendliche zu seiner Zeit mit seinem Buch verzaubert hatte, der in Worte fasste, was sie dachten und was zuvor niemand aufgeschrieben hatte. Er hatte es geschafft,  die Unruhe seiner Generation auf den Punkt zu bringen, die durch die politischen Umstände verursachte wurde, als auch diejenige, die nichts mit Politik zu tun hatte – die wir nur durch die Literatur verstehen können. Es gab eine große Menge lateinamerikanischer junger Frauen, die wie die „Maga“ sein wollten, Gitanes rauchten, schlecht kochten, und meinten, Cortázar sprach durch seinen Roman persönlich mit ihnen, als seinen sie seine Freundinnen.

Nicht umsonst sagte Cortázar: „Es kann mir nicht egal sein, dass meine Bücher so ein lebhaftes Echo unter den Jugendlichen in Lateinamerika gefunden haben. Ich kenne Schriftsteller, die mich in vieler Hinsicht übertreffen, aber deren Bücher unter den Menschen in unseren Ländern nicht solche Kämpfe zwischen Brüdern hervorrufen wie meine.“ Nichts, so scheint es, war Cortázar lieber als das Gefühl, im Einklang mit seiner Gegenwart zu sein und ihre Resonanz zu spüren. Er liebte es, dass in seinen Romanen ein Hauch von der Gegenwart und von der Atmosphäre zu spüren war, in denen sie geschrieben worden waren.

Cortázar war ein Intellektueller, der viel zu sehr an seiner lateinamerikanischen, sozial und politisch bewegten Gegenwart interessiert war, als für eine abstrakte Nachwelt zu schreiben. Einmal sagte er, dass er den „bürgerlichen Aberglauben“ ablehne, dass Bücher dauerhafte Objekte seien, „denn die bürgerliche Vorstellung von Literatur ist im Grunde genommen aseptisch, imaginär, und fast pathetisch auf die Ewigkeit fixiert“. Rodolfo Wash, ein weiterer bewundernswerter argentinischer Autor, der 1977 wegen seiner Opposition zur Militärdiktatur hingerichtet wurde, hätte ihm sicher zugestimmt. Beide schrieben am Rande des Wahnsinns, von den Katastrophen, die das System verursacht, von dem Tod Unschuldiger, und versuchten, mit ihren Texten einen Funken der Hoffnung zu verbreiten.

Cortázar freute sich darüber, wenn junge Menschen meinten, dass seine Bücher einen starken Einfluss ausübten, der nur selten von der Literatur erreicht wird. Er glaubte an die Utopie, dass ein Buch das Leben eines Lesers beeinflussen, ja, bestimmen kann. Er kritisierte „die Schriftgelehrten, die sich vor jedem außerliterarischen Akt in der Literatur gruseln”, und meinte, darin eine Geste des Konformismus zu erkennen, der in die Katastrophe führt.

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