vonericbonse 03.02.2017

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

Mehr über diesen Blog

Ratspräsident Tusk hat die Politik von US-Präsident Trump zur Gefahr für die EU erklärt. Doch eine Verteidigungs-Strategie hat er nicht vorgelegt. Beim EU-Sondergipfel auf Malta kam auch nichts.

Denn die EU ist nicht nur nicht reformwillig – seit Jahren schiebt sie die Vollendung der Eurozone, die Neuordnung der Finanzen und die überfällige Demokratisierung vor sich her.

Sie ist auch nicht abwehrbereit. Schon seit dem Brexit schreckt sie davor zurück, ihre Gegner auf der Insel und deren neuen Verbündete in den USA und anderswo in die Schranken zu weisen.

Nach dem Brexit-Votum hatten die drei EU-Präsidenten, darunter auch Tusk, zwar eine schnelle Antwort gefordert. Doch Kanzlerin Merkel wiegelte ab und bremste sie aus – bis heute.

Das Ergebnis dieser Politik des Aussitzens und Schönredens klingt so (Auszug aus dem offiziellen Einladungsschreiben Tusks zum EU-Sondergipfel auf Malta am 3.2.):

Den Abschluss des Vormittagsprogramms bildet das Familienfoto, das im Freien aufgenommen wird. Danach werden wir zum Mittagessen auf die andere Seite der Bucht fahren. Beim Mittagessen werden wir Gelegenheit haben, uns ungezwungen über andere internationale Herausforderungen und die internationale Lage zu unterhalten.

Das klingt nach gemütlicher Bootsfahrt, genau wie beim Sondergipfel in Bratislava, bei dem auch keine Beschlüsse gefasst wurden. Nach einer entschlossenen Antwort auf Trump klingt es nicht.

Was die EU tun könnte

Dabei wäre die leicht zu finden. Die EU-Staaten könnten, als ersten Schritt, die US-Botschafter einbestellen und auffordern, die neue Politik ihres Präsidenten zu erläutern, insbesondere den Einreisebann.

Sie könnten die Pazifikstaaten einladen, die Trump mit der Kündigung des TPP-Abkommens vor den Kopf gestoßen hat. Auch eine Einladung an muslimische Forscher und Wissenschaftler wäre denkbar.

Sie könnten, als dritten Schritt, mit der Kündigung des Datenschutzabkommens “Privacy Shield” drohen, an dem das Silicon Valley und damit die amerikanische Zukunft hängt. Und, und, und…

Blindes Vertrauen in die USA

Klar, all das ersetzt keine außenpolitische Strategie, die die EU immer noch nicht hat. Bisher vertraut sie blind auf die “bewährte” transatlantische Zusammenarbeit und auf die Nato.

Doch es wäre schon ein Fortschritt, einmal die Zähne zu zeigen – statt die mit Trump akut gefährdete Zusammenarbeit ohne Vorbedingungen zu bekräftigen, wie dies Merkel getan hat.

Dazu bräuchte man allerdings politischen Willen, Überlebenswillen, Kampfesmut. All das fehlt dieser EU, leider. Tusk hat zwar einen viel beachteten, wenn auch schrägen Wut-Brief geschrieben.

Doch den Worten sollen, wenn nicht alles täuscht, keine Taten folgen. Es gab nur wieder ein Bekenntnis zur Einheit geben, genau wie in Bratislava. Hat sich seitdem etwas geändert? Eben…

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/lostineurope/2017/02/03/zaehne-zeigen-fehlanzeige/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert