vonericbonse 01.04.2017

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

Mehr über diesen Blog

Sicher, wohlhabend, sozial und stark – so soll die EU in zehn Jahren aussehen. Doch die Agenda 2027, die auf dem Jubiläumsgipfel in Rom beschlossen wurde, ist eine Mogelpackung.

Erinnert sich noch jemand an die Lissabon-Agenda? Im Jahr 2000 von den damals noch 15 EU-Mitgliedern beschlossen, sollte sie Europa zur “wettbewerbsfähigsten Region” der Welt machen. 

Kurz danach platzte die Dotcom-Blase. Die Neoliberalen und ihre Freunde in Brüssel hatten zu viel versprochen. Aber auch für die Gewerkschaften war es eine herbe Niederlage. 

Sie hatten es nicht geschafft, die feuchten Träume der Arbeitgeber zu konterkarieren und eine soziale Agenda durchzusetzen. Als die globale Finanzkrise kam, waren die Arbeitnehmer schutzlos.

In der “Agenda von Rom” hat man aus diesen Fehlern gelernt, scheint es. Immerhin wird nun ein “soziales Europa” versprochen. Doch wie es erreicht werden soll, bleibt offen.

Erst Ende April will die EU-Kommission Vorschläge zur so genannten “Säule sozialer Rechte” vorlegen. Doch gleichzeitig lässt sie es zu, dass die Eurogruppe die sozialen Rechte in Griechenland aushöhlt.

Unverbindlich und widersprüchlich

Genauso unverbindlich und widersprüchlich sind die anderen drei Ziele der Agenda 2027: Sicher, wohlhabend und stark soll die EU in zehn Jahren werden – wer wollte das nicht?

Doch wie die “sichere und geschützte, wohlhabende, wettbewerbsfähige, nachhaltige und sozial verantwortungsvolle Union” geschaffen werden soll, darüber schweigen sich Kanzlerin Merkel & Co aus.

Das ist nicht erstaunlich, denn die EU hat nicht ansatzweise die Mittel, um all diese hehren Ziele zu erreichen. Sie will sich diese Mittel auch nicht geben, “mehr Europa” ist nicht geplant.

Verschiedene Geschwindigkeiten – ein alter Hut

Zudem fehlt eine Methode, um die Union voranzubringen. Die viel beschworene „Solidarität der Tat“ (J. Monnet) hat in der Flüchtlingskrise kläglich versagt. Die bisher übliche Gemeinschaftsmethode verfängt nicht mehr.

Die Kanzlerin zieht ihr die “Unionsmethode” vor – also die Kungelei der Mitgliedstaten, wobei Deutschland als größtes EU-Land per se die besten Karten hat.

Und selbst das „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“, das die großen EU-Länder nun propagieren, verspricht kaum Fortschritt. Denn es ist ja längst Realität.

Im Schengenraum und in der Eurozone haben sich schon vor Jahren einige EU-Länder zusammengetan, um schneller voranzugehen als der Rest.

Kein Konsens, kaum Wille

Dies hat weder die Flüchtlingskrise verhindert noch die Eurokrise abgewendet. Die verschiedenen Geschwindigkeiten sind ein Placebo für fehlenden Konsens, mehr nicht.

Und die Agenda 2027 soll politischen Willen vortäuschen, wo keiner mehr ist. Wäre es anders, müsste der Binnenmarkt nun durch eine Sozialunion und eine Politische Union ergänzt werden.

Doch davon steht nichts in der feierlichen Erklärung…

Siehe auch “Das Ende der EU…”

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/lostineurope/2017/04/01/die-agenda-2027-eine-mogelpackung/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert