vonericbonse 01.03.2019

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Nach EU-Ratspräsident Tusk haben sich auch Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Macron für einen Aufschub beim Brexit ausgesprochen. Sie wollen Zeit kaufen – doch sie verschweigen den Preis.

“Wenn Großbritannien etwas mehr Zeit braucht, dann werden wir uns dem nicht verweigern“, sagte Merkel bei einem Treffen mit Macron in Paris. Das vereinbarte Austrittsabkommen gelte aber weiter.

Dabei ist der Brexit-Deal, der in einem geheimen “Tunnel” ausgehandelt wurde und vor allem die Wünsche der EU widerspiegelt, das Hauptproblem. Vor allem gegen den “Backstop” für Irland gibt es Widerstand in London.

Ein weiteres Problem sind die Europawahlen. Wenn die Briten auch nach der Abstimmung Ende Mai noch Mitglied der EU sind, dann wissen die Wähler nicht, über welche Union sie abstimmen – die EU-27 oder die EU-28 (mit UK)?

Wenn die Verlängerung über Juni hinausgeht, dann müssen die Briten sogar neue Europaabgeordnete wählen. Die Wahl würde dann in UK zu einer Abstimmung für oder gegen die EU, für oder gegen den Brexit.

Am Ende könnten britische Abgeordnete in der neue Europaparlament einziehen, die keinen Bock auf die EU haben oder die Parlamentsarbeit hintertreiben wollen. Der Block der Bremser würde größer.

Das Ganze wäre ein Konjunkturprogramm für EU-Skeptiker und -Gegner. Vor allem die AfD könnte sich die Hände reiben. Sie macht bisher schon mit den Tories gemeinsame Sache – und droht selbst mit einem “Drexit”.

Die Verlängerung hat also einen hohen Preis. Sinn macht sie eigentlich nur, wenn man den Brexit gleich bis Ende 2020 oder unbegrenzt verlängert, wie dies Ratspräsident Tusk vorgeschlagen hat.

Denn dann könnten Brüssel und London mit den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen beginnen. Im Idealfall käme ein Partnerschaftsabkommen heraus, das den “Backstop” überflüssig macht.

Doch Merkel und Macron wollen nur “etwas mehr Zeit” gewähren – vermutlich nur so wenig, dass die Briten nicht an der Europawahl teilnehmen müssen. Wann die Deadline wäre, sagen sie nicht.

Damit tragen sie zu noch mehr Unsicherheit bei. Es ist eben nicht nur May, die den Brexit unberechenbar macht. Mit ihrem Spiel auf Zeit setzen Berlin und Paris auch die Europawahl aufs Spiel.

Ich würde ja zu gerne wissen, was das Europaparlament dazu sagt. Doch die Abgeordneten wirken wie paralysiert…

Siehe auch “Das paralysierte Parlament” und “Wird die Europawahl zur Farce?”

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