von 22.02.2014

Ökosex

Martin Unfrieds Blog beschäftigt sich mit emotionaler Klimaintelligenz, mit der Kultur und Emotion von solarer Effizienz und Ökologie .

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15.02.2012 | Samstag | Kolumne fairkehrt 1/2014

Autodeutsche

Das Autofahrervolk: Inländer ist, wer ein deutsches Kennzeichen hat.

Seit Jahren lebe ich in den Niederlanden, aber so viel Erregung habe ich noch nie erlebt: Da gibt es in Deutschland eine harmlose, neue Regierung und die Niederländer sind geschockt. „Verdomme!“, rufen meine sogenannten Bekannten entrüstet. Und beschimpfen mich, einen harmlosen Schwaben im Exil, nachts um halb drei sogar als vermeintlich Mitschuldigen. Henk schreit: „Seid ihr Deutschen denn wahnsinnig geworden? So was könnt ihr doch nicht machen? Das ist unverschämt, unzivilisiert und populistisch!“ „Ja zeker, Henk“, entgegne ich, „nog een pilsje?“

Nun, Grund der Aufregung ist natürlich weder die deutsche wirtschaftspolitische Doktrin zur Rettung des Euros noch die bayerische Diffamierung von fleißigen osteuropäischen EU-Bürgern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen. Beides winkt der Mainstream in NL elegant durch. Nein, was als schlimme Verletzung der niederländischen Menschenrechte gesehen wird, ist die verdammte Autobahnmaut für Ausländer. Das ist Diskriminierung pur und gefährdet Tourismus, Handel, Industrie, Kultur, gute Nachbarschaft und den eigenen Skiurlaub in Oostenrijk.

Ich muss zugeben, auch mich hat der bayerische Vorschlag einer Autobahnmaut für Ausländer in eine tiefe Identitätskrise gestürzt. Ausländer? Wer ist hier „wir“ und wer „ihr“? Ja, in NL bin ich immer noch ein „Allochtoon“. Das ist nach meiner ­Definition jemand, der sich trotz aller Integrationsbemühungen nicht an das schlabberige Brot gewöhnen kann und folgerichtig keinen niederländischen Pass bekommt. Deshalb darf ich beispielsweise trotz erheblicher steuerlicher Zuwendungen an die Staatskasse „unser“ Parlament nicht wählen. Dagegen durfte ich „euren“ deutschen Bundestag wählen, dessen Sitz bekanntlich irgendwo jwd an der polnischen Grenze liegt. Was ich aber sicher nicht wollte, ist die Schnapsidee, mich selbst zum Ausländer zu machen und für „unsere“ deutsche Autobahn in ­Zukunft zu zahlen!. . . >>mehr

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