vonLalon Sander 28.12.2013

Aus dem Onlinebunker

Die tägliche Arbeit im taz.de-Ressort spült Bemerkenswertes, Skurriles und Anregendes in die Inboxen. Das meiste davon geht verloren – einiges wird hier gesammelt.

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Ist Parteinahme die Zukunft des Journalismus? Das fragen sich ganz aktuell Kai Biermann und Patrick Beuth von Zeit-Online in einem Kommentar zu Glenn Greenwalds Video-Auftritt beim 30C3 in Hamburg. Dazu stellen sie fest, Greenwald habe

in seiner Rede eine Grenze überschritten, als er “wir” sagte statt “ihr”.

Einige Relativierungen später schließen Beuth und Biermann dann doch mit der Postulierung zweier halbwegs klar getrennter Spähren:

Braucht es Journalisten, die auch jenseits ihrer Artikel und Berichte für etwas eintreten? Oder sollen Medien eher versuchen, so neutral wie möglich zu sein und anderen den Aktivismus überlassen?

Kann man sich und die Leserinnen natürlich fragen, das Beispiel Greenwald scheint mir jedoch ungünstig gewählt zu sein. Auch in der dem Kommentar nachfolgenden Twitterdebatte (dazu hier ein guter Überblick per Storify von Steffen Konrath) kommt ein wesentlicher Aspekt beim Freundeskreis des objektiven Journalismus etwas zu kurz.

Kein Zweifel, der Mann war auch vorher schon erklärter Aktivist. Sein Berichtsgegenstand aber macht ihn ganz unabhängig von seiner politischen Einstellung zum Staatsfeind. Es ist gar nicht seine Entscheidung neutral zu sein, ganz egal, ob er sich in der Rolle gefällt oder nicht. Er hat nicht einfach “wir” gesagt, er ist von staatlicher Stelle einem bestimmten “ihr” zugeordnet worden. Und da liegt der Hase auch für alle anderen im Pfeffer. Über das Ausmaß der Überwachung an prominenter Stelle zu berichten allein ist eine Verabschiedung von der Neutralität (und gefährdet unsere Sicherheit, wenn wir den Geheimdienstapologeten glauben dürfen).

Wer also monatelang von der Totalität der Überwachung berichtet, die völlige Durchdringung aller Kommunikationswege beschreibt, von der Zerstörung von Festplatten in Zeitungskellern erzählt, die Kampagne gegen den Guardian ordentlich analysiert, das Abbügeln des ganzen Überwachungsskandals durch die Bundesregierung nicht einfach so schweigend hinnimmt – will all das “so neutral wie möglich” tun? Nicht auch nur ein klitzekleines bisschen Lobbying für den Schutz zum Beispiel der Pressefreiheit soll dabei sein? Keine offenen Sympathien für die Verteidigung der Privatsphäre sollen sichtbar werden? Das ist doch nicht wahr.

Zum Glück.

Update: Sowohl Ole Reißmann von Spon, als auch Tom Strohschneider vom nd weisen auf systematische Probleme mit der Fragestellung hin.

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