vonLalon Sander 16.07.2014

Aus dem Onlinebunker

Die tägliche Arbeit im taz.de-Ressort spült Bemerkenswertes, Skurriles und Anregendes in die Inboxen. Das meiste davon geht verloren – einiges wird hier gesammelt.

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USA Today verpflichtet die eigenen JournalistInnen, einmal die Woche den Vertrieb ihrer Arbeit über Social-Media-Kanäle selbst durchzuführen. Was für ein perfides Spiel das doch ist…

Meedia berichtet, dass die Zeitung den Social Media Tuesday ausgerufen habe. Jeden Dienstag sollen nun die MitarbeiterInnen so tun, als wären ihre eigenen Facebook- und Twitteraccounts der einzige Weg, auf dem ihre Arbeit das Publikum erreicht. Die Sprachregelung ist die, dass so der Umgang mit den Verbreitungskanälen geübt, der Kontakt mit den LeserInnen verstärkt und die JournalistInnen besser vermarktet werden. Klingt alles ganz toll.

Schließlich müssen alle Redaktionen der Tatsache Rechnung tragen, dass die Startseite ihrer Zeitung im Netz, an die sie sich grad mühsam gewöhnt hatten, schon wieder an Bedeutung verliert. Viel wichtiger wird der Seiteneinstieg über Verlinkungen von aussen, z.B. Facebook.

Insofern arbeiten wir alle an der Verbesserung unserer Filialen in der bunten Shoppingmall mit Likes und Shares – was bleibt uns auch anderes übrig, wenn wir nicht die mühsam erkämpften Reichweiten verlieren wollen. Schön jedoch ist das nicht.

Facebook, iTunes, Amazon sind die Monumente des Versagens der alten Strukturen zur Verbreitung der Produkte im weitesten Sinne geistiger Arbeit. Ihre Monopolstellung begründet sich im völligen Unvermögen der Plattenfirmen, Buch- und Zeitungsverlage, rechtzeitig auf das sich ändernde Konsumverhalten der KundInnen zu reagieren und eigene Vertriebswege zu schaffen. Mit dem Resultat müssen wir jetzt erstmal leben.

Auf gar keinen Fall aber müssen wir Beifall klatschen, wenn USA Today so einen Wettbewerb auschreiben will: „Wer holt sich die meisten Twitter-Follower in einer bestimmten Zeit?“ Ich will das JournalistInnen um die besten Recherchen und die klügsten Analysen konkurrieren und nicht um das bestgepflegte Facebookprofil. Punkt.

Natürlich ist es schön, wenn sich die KollegInnen für dieses Internet und seine Mechanismen interessieren, vielleicht sogar persönlichen Spaß an der Nutzung bestimmter Tools und Plattformen gewinnen und die Möglichkeit des direkten Dialogs mit LeserInnen schätzen. Aber sie dazu verpflichten? Sind wir schon so zugerichtet, dass wir es ganz normal finden, dass neben Recherche, Schreiben, Bildrecherche, der Produktion für Print und Online dann auch noch die Direktvermarktung unserer eigenen Produkte in unserer Verantwortung liegt?

Wann schlafen wir eigentlich? Und was machen diese Verlage während wir uns nach der Überschrift für Print und der für Online noch eine für Facebook ausdenken? Nee, wenn der „Journalist als Marke“ heisst, dass wir uns einfach nur billig verkaufen sollen, und zwar die ganze Zeit, da danke ich aber schön.

Die Arbeitsbedingungen in den Onlineredaktionen sind nicht die besten, unter anderem deshalb, weil dort Verlags- und Redaktionsaufgaben buchstäblich nur einen Klick auseinander liegen. Anstatt aber hier die Verhältnisse zu verbessern, sollen die anderen genauso arbeiten? Kein Wunder dass die Print-KollegInnen ihre Angst hinter der Hochnäsigkeit gegenüber den Onlinern kaum verbergen können. Wie es in den Köpfen der VertriebsmitarbeiterInnen aussieht, deren Job als erstes durch den Orkus geht und im Netzt ja nun von den JournalistInnen gleich selbst gemacht werden soll, kann man sich leicht ausmalen.

Schön wäre, wenn in deutschen Redaktionen tatsächlich jeder Tag zum Social Media Tuesday werden könnte.“ Natürlich sind das alles interessante Werkzeuge und Wege, auch ist Facebook keineswegs das leibhaftige Böse, aber: Der (selbst)kritische Umgang mit der eigenen Arbeit und den sie begleitenden Prozessen ist doch um so vieles wertvoller als die Freude an ihrer totale Quantifizierung und der Unterwerfung der Einzelnen unter die Mechanismen der permanenten Vermarktung (noch dazu bei eher mäßigem Schmerzensgeld). Nee, beim Social Media Tuesday, da komm ich nicht ran, ohne auf der aus allen Poren fließenden Affirmation auszurutschen.

So, und jetzt das ganze schnell noch auf Twitter und Facebook posten…

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