vonLalon Sander 15.08.2013

Aus dem Onlinebunker

Die tägliche Arbeit im taz.de-Ressort spült Bemerkenswertes, Skurriles und Anregendes in die Inboxen. Das meiste davon geht verloren – einiges wird hier gesammelt.

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Berichten die Onlinedependencen deutscher Medien ganz allgemein und taz.de im Speziellen zu wenig über den NSA-Skandal? Eine interessante Frage, die zu beantworten Thies Lindenthal und Wieland Lindenthal, Herausgeber des Nachrichten-Aggregators Newstral.com sich in einem Gastbeitrag bei netzpolitik.org anschickten – und dabei hoffnungslos daneben griffen.

 

Als Empiriker suchten wir eine zahlenbasierte Antwort, die intuitiv zu verstehen ist. Wir berechnen einen „NSA-Prozentsatz“ für die Topmeldungen pro Zeitung und Tag. […] Bleibt beispielsweise ein Artikel 12 Stunden auf der Startseite verlinkt, so zählt er genauso viel wie 3 Artikel, die jeweils 4 Stunden gebracht werden. […] Mit diesem Ansatz haben wir ein NSA-Profil für 20 deutsche und internationale Redaktionen erstellt.

 

Auf dieser Grundlage erstellten die Lindenthals dann eine Grafik. Zeitlinie, Bubbles, zusätzliche Infos bei Mouseover, pipapo. Sieht hübsch aus und lässt sich gleich wieder vergessen. Wer ernsthaft glaubt, Guardian, Zeit Online, Spon, taz.de, netzpolitik.org, Heise, El Pais und faz.net so sinnvoll vergleichen zu können, hat im Statistikseminar gepennt.

 

Da wäre zuerst das Problem völlig unterschiedlicher Prinzipien der Seitenführung bei einer internationalen Zeitung mit metered Paywall, einem Fachblog, einer kleinen Nachrichtenseite mit hohem Artikeldurchlauf und nicht zuletzt der Seite, die den Scoop landet. Während letztere (der Guardian und in Teilen Spon und Washington Post) natürlich ihre exklusive Meldung gut vorbereitet in mehreren Nachdrehs lange (teilweise über 24 Stunden lang) in den Topnews halten, ziehen andere Medien inhaltlich und formal in unterschiedlicher Ausprägung nach. Das funktioniert bei jeder Nachricht so!

 

Das soll im Übrigen nicht heißen, dass die Berichterstattung zum NSA-Komplex beispielsweise bei taz.de gut, oder auch nur hinreichend sei. Im Gegenteil, besser informierte Berichte, klügere Analysen, schärfere Kommentare und und und, würden uns gut zu Gesicht stehen.

Aber weiter. Die Empiriker von Newstral formulieren im Vorbeigehen ein sehr vernünftiges Ziel ihrer Analyse.

 

Wer treibt die öffentliche Diskussion weiter und wer berichtet lieber über anderes?

 

Das Signalwort, das darauf hinweist, wie eine aussagekräftige „quantitative Annäherung“ hätte aussehen können, ist hierbei: „anderes“. Eine Aufstellung über die Top3-Themen auf den untersuchten Webseiten über den benannten Zeitraum, dann ins Verhältnis zur NSA-Berichterstattung gesetzt, könnte tatsächlich vergleichbare Ergebnisse liefern. Vielleicht stünde die Grafik praktisch unverändert da, vielleicht auch nicht, auf jeden Fall würde sie auf einem sinnvollen Datenkorpus fußen. (Schick wäre es auch, wenn der frei zugänglich wäre, wegen der Nachprüfbarkeit. Transparenz und Offenheit im Netz, Sie wissen schon.)

 

Viel problematischer als gefälschte Statistiken sind jene, die mit (mutmaßlich) korrekten Zahlen falsch hantieren. Aber was solls, das nächste Mal zählen die Jungs vielleicht die Berichterstattung zu Schweinswalen, der Pädo-Debatte bei den Grünen oder das Erneuerbare Energiengesetz durch. Da dürften wir deutlich besser abschneiden.

 

Eine Anmerkung noch zum Wert quantitativer Analysen von Nachrichtenseiten: „Chairman“ Bruce Sterling hat genau einen (!) größeren Beitrag zur NSA geschrieben. Keine Ahnung, wie lange das bei medium.com in den Toptexten war, aber der wiegt locker 200 Meldungen auf Newsseiten und ebensoviele Blogbeiträge auf. Try to count that, my friend.

 

Im Bild: Fachpersonal, eine quantitative Annäherung erstellend. (dpa)

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