vonChristian Ihle & Horst Motor 30.05.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Muff Potter leben uns seit nunmehr 14 Jahren eine ausgemachte Hybridexistenz vor. Der klassischen Independent-Szene waren die Rastlosigkeit vermittelnden Songs von einst oftmals zu brachial – oder sie nannten das Songwriting einfach „pointless“ – den Politniks zu unpolitisch, den Pogo Punks zu unpogopunk. Ist der Gestus nicht eindeutig definiert, so manövriert sich eine Band in jene Situation, die beim Schach nur kurz vor matt kommt: das ungebunden Dastehen. Einer orientierungswütigen Musikszene erscheint so ein Phänomen natürlich erst einmal als suspekt. Das ist genauso traurig wie nachvollziehbar.

Muff Potters neue Platte ist keineswegs ein Neuanfang, in jedem Lied drückt sich aus, dass die Band alles andere als geschichtslos ist. Trotzdem ließen sich schon auf ihrem letzten Album neue Tendenzen erkennen, die auf „Steady Fremdkörper“ weiter verfolgt werden. Die musikalische Radikalität ist noch ein Stück weit mehr gebrochen, sie ist domestiziert. Ziemlich poppig ist es geworden, das neue Album, und sogar ein bisschen zu zeitgeistern haben Muff Potter begonnen. Vermittels neu entdeckter Übersichtlichkeit weiß man plötzlich, an welcher Stelle die Arme gen Himmel fliegen müssen – Kettcar haben eben doch Spuren hinterlassen.

Wenngleich auch nur bruchstückhaft. Besonders tief muss nämlich nicht gegraben werden, um in dieser leicht strapaziösen, von gelegentlichem Verstärkersurren angeschmutzten Produktion, auch Hot Water Music und Jawbreaker wiederzufinden. Um die Wichtigkeit dieser Band einmal zu betonen könnte man auch einfach sagen: Es ist nicht schwer, Muff Potter aus Muff Potter heraus zu hören. Textleich zeichnet der von Selbstzweifeln und Widersprüchen zerfressene Sänger der Band ein gewohnt finsteres Bild. Das kann man so schreiben, wenn man entweder mit dem Werk der Band vertraut ist, oder aber Nagels Buch gelesen hat. Es ist nämlich wirklich erstaunlich, wie sehr sich die Atmosphäre des Buches in knappen Textzeilen ausdrückt, wie sehr die Musik ihren Teil dazu beiträgt, dass man sich beinahe Gedanken macht, um diesen Sänger. Befindlichkeiten ja, aber direkt von der Borderline.

Weil die Wut geblieben ist, schlagen lebenszyklisch argumentierende Versuche, den Zorn von einst als pubertäres Aufbegehren abzutun, gänzlich fehl. Muff Potter haben sie erkannt, die Stärke schwacher Bindungen und changieren nach wie vor. Zwischen ganz viel Pop und einfach Punk.

Ein hervorragendes Album, ihr bestes bisher.

Louis Parker

Im Netz:
* Muff Potter Homepage
* Muff Potter bei MySpace
* Muff Potter bei Indiepedia

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2007/05/30/album-des-monats-mai-platz-3-muff-potter-steady-fremdkoerper/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Ich denke, das neue Album von The National – Boxer wäre ein Anwärter gewesen. Für mich persönlich schon jetzt in der Top5 für 2007. Mit diesem Album haben sie sogar noch Alligator getoppt, auch wenn es subtiler funktioniert und nicht potentielle “Smash-Hits” wie Mr. November enthalten sind.

    Oder das Album von Mute Math. Auch eine sehr interessante, abwechslungsreiche Angelegenheit.

  • Es ist mir ein Rätsel, wie man gerade Muff Potter zum Album des Monats wählen. Sieht man sich die übrigen Veröffentlichungen im Mai an, dann wären doch andere Alben zu nennen gewesen, aber bitte keine einfältige Alt-Punk-Band. Na ja, vielleicht bin ich Ignorant, aber das Album erschließt sich mir nicht und erst recht nicht die Wertung als Album des Monats.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert