vonChristian Ihle & Horst Motor 04.06.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Adam Kesher – Modern Times EP

Frankreich ist ja gerade dank Ed Banger Records und Kollegen wieder ordentlich am Start, was „Zentrum elektronischer Musik“ angeht – nicht das erste Mal, die Herren Roboter von Daft Punk lassen schön grüßen.
Adam Kesher aus Bordeaux (ja, mal nicht Paris. Geht scheinbar auch) bewegen sich auf dem in den letzten Monaten sehr populären Feld des Electros, der nach Rockstrukturen funktioniert. In ihren elektronischeren Momenten („Where Is My Place“, „Modern Times“) erinnern sie dabei an das australische Hell-Signing The Presets, auf den mehr im Rock fußenden Stücken („160“) an die Nürnberger Robocop Kraus.
Beides funktioniert ausnehmend gut, doch problematisch wird es, wenn Adam Kesher das Tempo und den Stimmen-Irrsinn herausnehmen. Live stellt sich dieses Problem kaum, denn von den Electroeinflüssen bleibt wenig übrig und der unverschämt junge Sänger mit der myspace-trademark-Frisur brüllt sich über einem Postpunksoundteppich die Seele aus dem Leib, dass es eine wahre Freude ist.

Christian Ihle

Anhören!
* Modern Times (hier)
* Where Is My Place (hier)

Im Netz:
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Auf den Bühnen:
* 06.Jun.2007 TSUNAMI Köln
* 07.Jun.2007 DISTILLERY LEIPZIG
* 08.Jun.2007 MAGNET/ DJ SET BERLIN
* 09.Jun.2007 VICE PARTY BERLIN

Björk – Volta

Wer einmal einen Souvenirladen auf Island betritt, wird feststellen, dass es dort außer Lavabrocken und Elfenpuppen auch Platten und CDs zu kaufen gibt. Nicht mit den Chören des Landes oder Singvögel-Gezwitscher aus abgeschiedenen Teilen des Islands (also von überall außerhalb Reykjaviks), sondern es gibt dort die Alben von Björk und Sigur Ros.
Man weiß auf Island vom Erfolg der eigenen Musik-Künstler in der Welt und von der Identifikation dieser mit dem eigenen kleinen Land.
Es ist nur schwer vorstellbar, hier in deutschen Souvenirgeschäften CDs von The Notwist oder den Einstürzenden Neubauten zwischen Kuckucksuhren und Schneekugeln platziert zu finden. Wer aber an Island denkt, dem fällt Björk ein, wie einem hierzulande der Kölner Dom in den Sinn kommt.

Isländische Musik wird als landestypisch wahrgenommen, obwohl die verschiedenen Künstler dort oft so unterschiedlich klingen, als ob sie sich noch nie näher als 500 Kilometer (so lang ist Island) gekommen wären. Vergleiche zum Beispiel Jakobinarina einmal mit Jóhann Jóhannsson.
Nur wenig kann man die Musik von Björk einer bestimmten Stilrichtung zuordnen. Noch schwerer ist es nur, verschiedene Stilrichtungen zu finden, mit denen sie noch nie auf einem ihrer Alben experimentiert hat.
Und während sie auf ihrem letzten und schwierigen Album „Medúlla“ fast ausschließlich Musik mit menschlichen Stimmen und ohne Instrumente produziert hat, kehrt sie bei „Volta“ zurück zum Popsong. Zu dem, wie Björk Pop versteht.
Also sperrig, offen und schwer zugänglich, aber immer wieder interessant.

Björk singt mit Antony Hegarty (von Antony and the Johnsons) und lässt sich von Timbaland produzieren. Mehr kann die Isländerin in ihrem Sinne Pop nicht maximieren.
Sie spielt mit Elektronik und afrikanischer Perkussion. Sie baut aufwendige Bläsersätze und die beidhändig gezupfte westafrikanische Kora in ihre Stücke ein.
„Volta“ wird so zum wohlklingenden Welt-Popmusik-Erlebnis, ohne jemals hippiesque zu werden. Wenn Björk Pop in seine Einzelteile zerlegt und ganz anders wieder zusammenbaut, wie der Hörer es gewohnt.
Für ihre Verhältnisse kein (ver)wunderliches Album. Um aufregenden Hörgenuss zu bieten, ist „Volta“ aber mehr als ausreichend.

Säm

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*Earth Intruders (hier)
*Hope
*The Dull Flame of Desire

Im Netz:
* Homepage
* Indiepedia
* MySpace

King Khan & The Shrines – What is?!

King Khan ist Kanadier mit indischer Abstammung und die Reinkarnation von James Brown. Wenn James Brown der Sohn eines Außerirdischen wäre. Und dreckiger. Und mit (mehr) Drogen.
Spacerock mit Soul. Psychadelica mit Feuer unterm Gesäß. Plus Bläser und Fuzz-Gitarren. Unzeitgemäß wie die White Stripes es sind. Kompromisslos wie Punk es einmal gewesen sein soll. Sexy wie Hölle.
Live muss das völlig losgehen. Man spricht von unzähligen Musikern auf der Bühne. Plus Tänzerinnen. Und mitten drin dieser verrückte Vogel namens King Khan.
Unglaublich. Ohne dazwischen Luft zu holen.
Kein Wort mehr.

Säm

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Welfare Bread (mp3)
No Regrets (mp3)
Land of the Freak

Im Netz:
* Homepage

Sally Shapiro – Disco Romance

Neulich im Auto. Eine stundenlange Fahrt. Stau. Hitze. Dann die Aufforderung, die Musik zu wechseln. Alles schon gehört. Nur Sally Shapiro nicht. Dann rein damit.

Nach zwei Takten: Klar, dass so Etwas von den Meinungsmachern, die immer irgendwo ironisch sein wollen und abseits stehen möchten, wieder toll gefunden wird. Sieht ihnen ähnlich.
Nach dem dritten Stück beschwere ich mich über heftige Kopfschmerzen. Und simuliere dabei nicht. Das halte ich auf Dauer nicht durch. Bitte.

Und trotzdem landet „Disco Romance“ nur einen Tag später wieder im CD-Player. Daheim.

Das meint die ernst? Wirklich?
Vor einem oder zwei Jahren versuchte man mal die norwegische Musikerin Annie in Indie-Kreisen zu etablieren. Mit Erfolg. Ihre Variante von Hitparaden-Pop machte es einfacher, eben jene Pop-Spielart auch gut zu finden. Sie sah cooler (und verbrauchter) aus als Kylie Minoque und hatte auch die Produzenten mit Straßenkredibilität hinter sich (Richard X und Röyksopp).

Jetzt kommt mit Sally Shapiro eine junge Dame aus Schweden, die dem Pop noch mal eine gewaltige Spur mehr Kitsch, Italien und Billig-Synthesizer hinzufügt.
Und es fällt schwer, dass nicht sofort unter „Ironie“ einzuordnen.
Oder wie soll man Musik, wie sie 1986 auch mal von der monegassischen Prinzessin Stéphanie zelebriert wurde, ernst nehmen? Erinnert Ihr Euch an „Irresistible“?

Aber „Disco Romance“ packt einen halt doch nach dem dritten oder vierten Durchgang. Dieses schüchterne Stimmchen, die billige Produktion (die sicher nur so billig klingt und in Wirklichkeit sündteuer war und Zeit kostete) und diese unglaubliche Variante von Popmusik, die so einfach klingt, aber sofort den Strand in den Rückspiegel zaubert. Auf der Autobahn. Im Stau. Bei Hitze. Und daheim.

In Japan ist sie bestimmt schon auf Platz eins.

säm

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I´ll be by your Side (mp3)
Find my Soul (Norwegian Electrojazz Mix)
Anorak Christmas (mp3)

Im Netz:
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