vonChristian Ihle & Horst Motor 28.06.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Alle Jubeljahre veröffentlicht das American Film Institute nach aufwändiger Wahl eine Liste der 100 besten amerikanischen Filme aller Zeiten. 1500 Schauspieler, Filmemacher und Kritiker geben dabei ihre Stimme ab.

Natürlich sind solche Listen immer subjektiv, nie allgemeingültig und zumeist ein wunderbarer Anlass endlich mal wieder laut „Nö!“ zu sagen, aber eben auch ein schöner Gradmesser, woraus der filmische Kanon besteht.

Sieger ist – wie bereits bei der letzten Wahl – Orson Welles’ ewiggültiges Meisterwerk „Citizen Kane“. Viel wurde über diesen epochalen Film geschrieben, aber man will nicht müde werden zu erwähnen, dass Welles gerade einmal 26 Jahre alt war, als er das Porträt des fiktiven Medienmoguls Charles Foster Kane drehte. Noch unfassbarer bleibt die Tatsache, dass „Citizen Kane“ zudem Orson Welles’ Debütfilm war: wie bitter muss es eigentlich sein, wenn man mit 26 Jahren mit dem allerersten Versuch etwas erschaffen hat, das dein ganzes restliches Leben, ja, das Kino im allgemeinen, auf ewig überragen wird?

Auch auf den Folgeplätzen sind die zu erwartenden Großtaten gelistet: Der Pate (Teil 1) vor Casablanca und Wie Ein Wilder Stier.

Kurios ist an derartigen Listen zumeist, dass sie die Gegenwart mehr oder minder negieren. Deshalb wollen wir die Top 100 Filme einmal danach filtern, welche denn contemporary sind, also zumindest in den letzten 20 Jahren gedreht wurden:

Die besten Filme der letzten zwei Jahrzehnte (in Klammern: Erscheinungsjahr, Platzierung in den Top100, Regisseur):

1. Schindlers Liste (1993, #8, Steven Spielberg)
2. Herr der Ringe 1 (2001, #50, Peter Jackson)
3. Erbarmungslos (1992, #68, Clint Eastwood)
4. Der Soldat James Ryan (1998, #71, Steven Spielberg)
5. Die Verurteilten (1994, #72, Frank Darabont)
6. Das Schweigen der Lämmer (1991, #74, Jonathan Demme)
7. Forrest Gump (1994, #76, Robert Zemeckis
8. Titanic (1998, #83, James Cameron)
9. Platoon (1986, #86, Oliver Stone)
10. The Sixth Sense (1999, #89, M Night Shyamalan)
11. GoodFellas (1991, #92, Martin Scorsese)
12. Pulp Fiction (1994, #94, Quentin Tarantino)
13. Do The Right Thing (1989, #96, Spike Lee)
14. Toy Story (1995, #99, John Lasseter)

Hier offenbart sich doch eine sehr amerikanische Sicht auf die Filmwelt. Schwer vorstellbar, dass Filme wie “Platoon” oder “Der Soldat James Ryan” bei einer vergleichbaren Wahl mit europäischer Jury derart weit oben zu finden wären. Wie immer bei Listen dieser Art fallen natürlich auch genügend Filme ein, die zu Unrecht vergessen wurde. Weder die Coen-Brothers noch David Fincher…? Kein David Lynch…?

Interessant ist es auch zu verfolgen, wie sich die Einschätzung zeitgenössischer Werke seit der letzten Listenerstellung 1998 verändert hat. Während “Schindlers Liste” auch damals bereits der beste seit 1986 gedrehte Film war und sich in der Gesamtrangliste um einen Platz von Rang 9 hochgearbeitet hat, ist die Bedeutung von “Das Schweigen der Lämmer” (1998: #65) und “Platoon” (1998: #83) sogar gesunken. “GoodFellas” (1998: #94) und “Pulp Fiction” (1998: #95) bleiben mit leichter Aufwärtstendenz am unteren Ende der Skala, aber ausgerechnet Erbarmungslos macht einen Sprung um 30 Plätze von #98 auf #68 nach oben. Es ist anzunehmen, dass Clint Eastwoods hervorragende Arbeiten der letzten Jahre (“Mystic River”, “Million Dollar Baby”, “Letters From Iwo Jima”) noch einmal positiv auch die Rezeption seines Spät-Westerns beeinflusste.

Neben den nach 1998 gedrehten Filmen sind auch einige andere Neuzugänge aus den letzten 20 Jahren zu verzeichnen: “Do The Right Thing”, “Toy Story”, “Die Verurteilten” und “Forrest Gump” hatten allesamt aus der 98er Perspektive noch nicht ihr jetziges kulturelles Gewicht.

Christian Ihle

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