vonChristian Ihle 12.09.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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How To Get Rid Of The Others (DK, Anders Rønnow Klarlund)

Der schwarze Humor der Skandinavier findet jedes Jahr wieder ein Heim auf dem Fantasy Filmfest. „How To Get Rid Of The Others“ (mit Sören Pilmark aus von Triers „Geister”) ist eine bitterböse politische Farce über Sozialismus, den Wohlfahrtsstaat, faschistoide Regierungen und die Überbevölkerung. Dänemark, in naher Zukunft: die Regierung beschließt, den Prozentsatz an Sozialschmarotzern aus der Bevölkerung zu tilgen, der nicht nachweisen kann, etwas für die Gesellschaft zu leisten. Da wird die besoffene Oma genauso exekutiert wie der linke Künstler oder der nihilistische Punk.

Grelle Überzeichnung ist dabei das vorherrschende Stilmittel, wobei wieder einmal einer Produktion aus Lars von Triers Zentropa Studios bescheinigt werden kann, wenigstens den ganzen Weg zu gehen. So exerziert „How To Get Rid Of The Others“ die Grundlage auch tatsächlich bis zum letzten durch. Das Lachen bleibt einem spätestens dann im Halse stecken, wenn sich der Galgenstrick um selbigen legt. (6/10)

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Awake (USA, Joby Harold)

„Anesthetic Awareness“ wird ein medizinisches Phänomen genannt, bei dem der Patient trotz einer Vollnarkose wach liegt, nicht betäubt ist, sich aber dennoch weder normal bewegen noch artikulieren kann. Ein genialer Schachzug, Hayden Christensen zu besetzen, da er somit direkt an seine Rolle als Anakin Skywalker aus den neuen Star Wars Movies anknüpfen kann.
„Awake“ beginnt mit dieser Prämisse zunächst verheißungsvoll, scheitert aber nach der Auflösung eines Geheimnisses, der Aufdeckung einer Verschwörung, daran, etwas zu finden, was er die restliche Stunde erzählen könnte. So mäandert der Film seinem Ende entgegen, während man sich wünscht, dass die gute Anfangsidee für einen dreckigen Kurzfilm Verwendung gefunden hätte statt ihm der Hollywoodmaschine mit toller Besetzung (Jessica Alba! Lena Olin!) und Happy-End-Zwang anheim zu stellen. 4/10

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Mum & Dad (UK, Steven Sheil)

Eine betonharte Satire über Kindesentführung und Missbrauch Jugendlicher? Diese harte Nuss knackt Regisseur Steven Sheil mit seinem Debütfilm „Mum & Dad” überraschenderweise problemlos.

Die junge Rumänin Lena arbeitet als Toilettenkraft an einem britischen Flughafen und bevor sie sich versieht, wird sie von einer Familie entführt und verschleppt, die offensichtlich die verlorenen britischen Cousins der Leatherface-Kommune aus dem „Texas Chainsaw Massacre“ sind. Papa ist gern blutverschmiert und kann sich schwer zügeln, mal niemandem mit dem Hammer den Kopf einzuschlagen und Mama schneidet gerne mit dem Skalpell Engelsflügel in fremde Mädchenrücken.

„Mum & Dad” geht immer in die Vollen: der Blick wird nie abgewandt, jeder Schnitt, jeder Schlag ist zu sehen und die Grundthemen werden ins absurde überspitzt. Es geht um die Abnabelung vom eigenen Elternhaus, das „solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst!”-Mantra, Lieblingskind-Eifersüchteleien, Inzest mit dem Herrn Papa, sexuelle Anziehung zwischen Geschwistern, Vernachlässigung elterlicherseits und des Staates (ob nun gegenüber den Immigranten oder den verwahrlosten Kindern), so dass man sich nur noch wundern kann, dass diese Themenfülle vermischt mit Blut und äußerst morbidem Humor funktionieren kann. Aber sie kann – einen harten Magen und eine stabile Psyche vorausgesetzt. (8/10)

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(alle Texte: Christian Ihle)

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