vonChristian Ihle 16.02.2010

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Howl

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=1vvzyPMa82I[/youtube]
1. Der Film in einem Satz:

“Howl” – das berühmteste Gedicht von Allen Ginsberg, seine Entstehung und seine Verwicklung in eine Obszönitätsanklage.

2. Darum geht‘s:

Das Spielfilmdebüt von Rob Epstein (Regisseur der Harvey Milk – Dokumention) und Jeffrey Friedman besteht aus drei miteinander verwobenenen, abwechselnd weiter verfolgten Erzählsträngen: einmal ein Vortrag des Gedichts selbst, dann ein nachgespieltes, aber wohl auf Originalmitschrift beruhendes Interview mit Ginsberg über seine frühe Karriere und die Genese von “Howl” sowie zuguterletzt die Gerichtsverhandlung, die die Beschlagnahmung von “Howl” und Anklage wegen Obszönität zum Gegenstand hat.

Insbesondere die Gerichtsverhandlung verleiht “Howl” seine stärksten Momente, denn die aus dem Originalprotokoll nachgespielten Szenen behandeln das Thema von Kunst vs. Schund und inwieweit Kunst frei sein solle, alle Worte zu verwenden, die der Dichter benutzen will. Die Staatsanwaltschaft lässt einige Experten auftreten, die wiederum mit hanebüchenen Begründungen “Howl” als Schund klassifizieren wollen – so dass das Buch wegen Obszönität beschlagnahmt werden könnte. Ginsberg selbst tritt im Prozess nicht auf, aber sein Verteidiger wird von Jon Hamm gespielt, der hier seine “Mad Men”-Rolle erneut voll ausleben darf.

Problematisch ist dagegen vor allem der Vortrag des Gedichts. Ein kleiner Teil wird als Lesung Ginsbergs (gespielt von James Franco) in einem Club in Greenwich Village gezeigt, der weitaus größere jedoch durch Animationen illustriert – was erstens nach einiger Zeit ermüdend wirkt und zweitens dem Gedicht durch seine buchstabengetreue Bebilderung eher Kraft raubt denn schenkt.

3. Der beste Moment:

Die Kämpfe vor Gericht und die vergeblichen Begründungen beider Seiten, warum ein Werk Kunst wäre.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer “I’ll Be There” über Bob Dylan mochte und sich gerne noch einen xten Handlungsstrang mit einer comichaften Bebilderung von Dylans “Subterranean Homesick Blues” gewünscht hätte.

* Regie: Rob Epstein / Jeffrey Friedman
* imdb


Greenberg

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=fsN0UewDBTI[/youtube]
1. Der Film in einem Satz:

“Lost in L.A.” von Woody Allen als Mainstreamvariante eines Mumblecore-Movies.

2. Darum geht‘s:

Der 40jährige New Yorker Roger Greenberg (Ben Stiller) hütet für einige Wochen in Los Angeles das Haus seines Bruder, der sich im Urlaub befindet. Frisch nach einem Zusammenbruch aus der Nervenklinik entlassen, ist Greenberg das Musterbeispiel des Großstadtneurotikers, der alles und jeden (und sich) hasst und sich nicht scheut, das auch kund zu tun. Selbst die Haushälterin seines Bruders, die sympathisch-natürliche, aber unsichere Florence (eine atemberaubend gute Greta Gerwig), für die er ganz offensichtlich ein Faible entwickelt, wird regelmäßig mit Schimpftiraden bedacht, obwohl die beiden ziemlich flott im Bett landen.

“Greenberg” ist die logische Fortschreibung des Nichterwachsenwerdenwollen-Phänomens. Die ewigen Jugendlichen, die mit Mitte 30 noch halbwegs attraktiv mit den Jungen abhängen können, müssen sich mit über 40 der bitteren Wahrheit stellen, dass sie nicht im Jetzt leben, sondern in der Vergangenheit (weil sie damals verpasst hatten, jene wirklich zu leben, wie Greenberg einmal anmerkt). Die junge Florence ist als Gegenbild die jugendliche Ausgabe. Eigentlich mit Mitte 20 auch schon zu alt, um sich “nur” als Gelegenheitshaushaltshilfe zu verdingen und mit Gelegenheitssex die Nächte zu verbringen, gewinnt ihre Unsicherheit doch immer wieder die Überhand.

3. Der beste Moment:

Freund: “Life is wasted on the young.” – Greenberg: “I’d go further. I’d go: Life is wasted on people.”

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Eher das Woody-Allen-Klientel als die Ben-Stiller-Stammseherschaft.

* Regie: Noah Baumbach
* imdb


Red Hill

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=-nrEm9KMV7I[/youtube]
1. Der Film in einem Satz:

“Halloween” in einem Neo-Post-Western, der im australischen Hinterland spielt.

2. Darum geht‘s:

Der junge Cop Shane Cooper lässt sich in das 102-Seelen-Dörfchen Red Hill versetzen. Doch statt der erwarteten Ruhe bricht gleich an seinem ersten Tag ein Gefängnisinsasse aus, der offensichtlich geradewegs Richtung Red Hill wandert, um dort alte Rechnungen zu begleichen. Viele Tote später dürfen wir wieder einmal die Schuld durch Landnahme von Eingeboren verhandeln.

Red Hill ist dabei nicht nur ein Neo- und Spät-Western, also ein Film des Westerngenres, der in der heutigen Zeit spielt und bei dem die Frage der Schuld des “weißen Mannes” auch immer Thema ist, sondern vor allem in seinem Mitteldrittel klar von klassischen Horror-Filmen beeinflußt. Wenig überraschend, wenn man weiß, dass Greg Mclean sich als ausführender Produzent verantwortlich zeichnet, der mit “Wolf Creek” bereits vor einigen Jahren einen berüchtigten Slasher-Film im australischen Outback spielen ließ. Im Gegensataz zu den liebgewonnen Traditionen des von “Halloween” begründeten Subgenres fehlen allerdings Frauen mehr oder minder völlig – in “Red Hill” gibt es die zentrale “last girl”-Figur des Slasher-Genres nicht, Frauen sind nicht einmal als Lustobjekte Staffage, sondern nur als Gebärmaschinen von Nutzen.

3. Der beste Moment:

Sicherlich nicht die zweite Hälfte des Films, die mit Klischees und Unmöglichkeiten gefüllt wurde.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Malboromänner und Kamele.

* Regie: Patrick Hughes
* imdb

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2010/02/16/berlinale_4_howl_ueber_allen_ginsberg_greenberg_red_hill/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert